Es soll Leute geben, bei denen sich bereits Entzugserscheinungen bemerkbar machen. Immerhin liegen die letzten Wahlen schon ein paar Tage zurück und die kurzfristige Aussicht auf vorgezogene Bundestags-Neuwahlen hat sich zumindest fürs Erste zerstoben. Den Wahljunkies kann geholfen werden. Parteitage künden vom nächsten Urnengang. Das dauert zwar noch bis Mai, und es sind auch nur Europawahlen. Aber bekanntlich lassen die sich schön zur kleinen nationalen Wahl umfunktionieren, ohne die Gefahr, nachher wochenlang mit Koalitionssuchen belästigt zu werden. So richtig sinnstiftend ist das nicht, war es nie. Der Friedensnobelpreisträger EU hat Besseres verdient.
An guten Absichtserklärungen herrscht kein Mangel. Nur wer erinnert sich in Zeiten, da die SPD Hartz IV hinter sich lassen will und sich die neuen Lebensgeister der CDU bei Regionalkonferenzen versammeln, daran, dass vor nicht allzu langer Zeit beide einen Koalitionsvertrag unterzeichnet haben, der zumindest für ein paar Tage als „Europavertrag" Schlagzeilen hergab?
Irritiert hat viele unlängst der Kanzlerin Werben für eine europäische Armee. Das also soll das Europa der Nach-Brexit-Ära sein? Entscheidender als die Armee-Idee ist die Begründung, die auch Außenminister Maas formuliert: Die Zeiten, da sich Europa auf andere verlassen konnte, sind „schlicht vorbei". Will heißen, europäische Gemeinsamkeit ist schlicht eine Frage der Selbstbehauptung. Das ist keine neue Erkenntnis. Das außenpolitische Signal mag notwendig sein, aber mindestens ebenso notwendig, ja überfällig, sind Signale nach innen.
Die Mappe mit dem schönen Wort vom „Europa der Regionen" gehört aus der Schublade, in der sie zustaubt, nach ganz oben auf den Tisch. Deutschland und Frankreich haben die Chance, mit der Erneuerung ihres Freundschaftsvertrags (Elysée 2.0) den Menschen in Grenzregionen zu zeigen, dass sie es ernst meinen mit größeren Freiheiten jenseits nationaler Regelungen, die sie schon lange einfordern. Es wäre ein vorzeigbarer Start ins Europawahljahr.