Felix Loch ist der dominierende Rennrodler der vergangenen Jahre. Auch bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang lag er auf Goldkurs, ehe ein Fahrfehler den Medaillentraum platzen ließ. In der kommenden Weltcup-Saison ist er trotzdem der große Favorit.
Das Kinderwagen-Schieben würde ihn entspannen, hat Rodler Felix Loch einmal gesagt. So gesehen dürfte der Berchtesgadener noch nie so locker in eine Saison gestartet sein wie in diesem Jahr. Anfang Mai ist der 29-Jährige zum zweiten Mal Vater geworden. „Unbeschreiblich. Voller Liebe. Herzlich Willkommen, kleiner Ludwig", schrieb Loch auf Twitter und postete dazu ein Foto des Fußes seines Sohnes. Und anders als bei seinem ersten Sohn Lorenz (2) war diesmal auch der Zeitpunkt günstig. Dieser war damals erst Ende August und damit nur drei Monate vor dem Beginn der Weltcup-Saison geboren worden. „Das war schon ganz schön stressig", meint Felix Loch rückblickend. Dieses Mal blieb genügend Zeit, um ausgiebig mit dem Kinderwagen spazieren zu gehen und danach trotzdem wieder rechtzeitig ins Training einzusteigen.
Der Rennrodel-Weltcup 2018/19 startet am 24. und 25. November mit dem ersten Rennen in Innsbruck-Igls auf der Olympiabahn von 1976. Im vergangenen Jahr hatte sich an gleicher Stelle der Russe Semjon Pawlitschenko den Sieg gesichert, Felix Loch belegte Rang drei. Er hätte sicher nichts dagegen, wenn es für ihn in diesem Jahr sogar noch ein wenig weiter nach vorn geht. Die Form stimmt jedenfalls. „Athletisch passt es ganz gut, und auch vom Fahrerischen her bin ich bislang ganz zufrieden", sagt er. Dabei profitieren die Deutschen davon, dass sie zwei Wochen lang in Nordamerika trainieren konnten, wo die Bedingungen deutlich besser waren als in Europa, wo bis vor Kurzem noch eher spätsommerliche Temperaturen herrschten. „Aber letztlich müssen wir abwarten, wo wir stehen. Nach dem ersten Rennen wissen wir mehr", sagt Felix Loch.
Das mag zunächst einmal sehr zurückhaltend klingen. Doch Felix Loch ist dafür bekannt, dass er sich vor einer Saison stets eher vorsichtig äußert. „Ich bin einfach nicht der Typ, der großspurig ankündigt, dass er die Konkurrenz in Grund und Boden fährt", sagt er. Loch lässt lieber Taten sprechen. Die Ergebnisse in der Vergangenheit lassen jedoch keinen Zweifel daran, dass er momentan der König im Eiskanal ist. Dreimal war er Olympiasieger, zweimal im Einzel und einmal mit dem Team, gewann zwölf Weltmeister- und fünf Europameistertitel und holte bislang sechsmal den Gesamtweltcup im Einsitzer. Nur Armin Zöggeler (Italien) und Markus Prock (Österreich) mit jeweils zehn Gesamtsiegen liegen in dieser Kategorie noch vor ihm.
Aufs Wesentliche konzentrieren
Auch im vergangenen Jahr landete Felix Loch wieder ganz vorn. Am Ende der Saison hatte er 85 Punkte Vorsprung auf den Österreicher Wolfgang Kindl und 149 beziehungsweise 150 auf die beiden Russen Roman Repilow und Semjon Pawlitschenko auf den Plätzen drei und vier der Gesamtwertung. Dieses Quartett zählt auch in dieser Saison wieder zu den Favoriten. „Mein Ziel ist es, im Gesamtweltcup erneut ganz oben zu stehen", macht Felix Loch keinen Hehl aus seinen sportlichen Ambitionen. Dafür müsse man eigentlich in fast allen Rennen aufs Treppchen fahren, rechnet er vor. „So etwas kann man natürlich nicht planen", sagt Loch. „Aber man kann alles dafür tun, dass es am Ende tatsächlich gelingt." Mindestens genauso wichtig ist ein gutes Abschneiden bei den Welt- und Europameisterschaften, die in diesem Winter beide in Deutschland ausgetragen werden: die WM Ende Januar in Winterberg, die EM zwei Wochen später in Oberhof. Auch bei diesen Wettbewerben ist eine Medaille das erklärte Ziel. In der Vorbereitung hat Felix Loch vor allem an seinem Start gearbeitet. Zudem habe er einige Kleinigkeiten an seinem Material angepasst, was zum Teil aber einfach daran lag, dass sich das Reglement geringfügig verändert hat. „Wir haben jedenfalls keinen komplett neuen Schlitten gebaut", sagt er. Loch hat seine Lehren aus dem Winter vor zwei Jahren gezogen, als er nach eigener Aussage bei zahlreichen Tests manche Dinge aus den Augen verloren hatte. „Wir hatten im vorolympischen Winter einiges ausprobiert, aber leider in die völlig falsche Richtung gearbeitet", erzählt er. Seitdem geht er lieber behutsam vor, will „keine Riesensachen" mehr verändert, solange es nicht nötig ist. Stattdessen konzentriert sich Felix Loch wieder stärker auf das Wesentliche: sauber von oben nach unten zu fahren. „Wenn man zu viel herumprobiert, gerade in den Trainingsläufen vor einem Weltcup, dann vernachlässigt man die Fahrspur. Doch sie entscheidet letztlich über Sieg oder Niederlage", sagt er.
Wie eng Triumph und Enttäuschung zusammenliegen, musste Felix Loch im Februar bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang erleben.
Drei Läufe lang hatte er die Konkurrenz beherrscht, war zweimal Bahnrekord gefahren. Doch im letzten Durchgang unterlief ihm ein folgenschwerer Fehler, als er in Kurve neun mit seinem Schlitten plötzlich in die Bande krachte. Loch verlor so viel Zeit, dass er noch auf Platz fünf zurückfiel und am Ende ohne Medaille nach Hause fuhr.
Mit einem Sieg hätte Felix Loch zu Georg Hackl aufschließen können, der bislang als einziger Rodler dreimal olympisches Gold im Einzel gewonnen hat. Auch er konnte Lochs Lapsus kaum begreifen. „Ich war mir eigentlich sicher, dass er das nach Hause fährt. Er war hier in all den Tagen der Einzige, der die Bahn komplett im Griff hatte", sagte Hackl. So ging Gold an den jungen Österreicher David Gleirscher, Silber an Chris Mazdzer (USA) und Bronze an Johannes Ludwig, der den deutschen Rodlern wenigstens eine Medaille bescherte.
In Pyeongchang konnte Felix Loch sein Pech nicht fassen und musste im Ziel minutenlang von Bundestrainer und Vater Norbert Loch getröstet werden. Mittlerweile hat er das Rennen weitgehend abgehakt. „Ich würde zwar lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich mich nicht mehr über den Fehler ärgere. Aber ich wache deshalb jetzt nicht nachts auf oder bekomme Alpträume", sagt er. Zumal sich ja konkret sagen lässt, an welcher Stelle er den sicher geglaubten Olympiasieg noch verspielt hat. Schlimmer wäre es wohl gewesen, wenn ihm vier fehlerfreie Fahrten gelungen wären und er trotzdem das Podest verfehlt hätte, ohne genau zu wissen, woran es gelegen hat.
„Wer nicht verlieren kann, der hat im Sport nichts verloren", meint Felix Loch. „Die anderen sind viermal heruntergefahren, ohne in Kurve neun abzubiegen, also stehen sie auch zu Recht da oben." Dass der 29-Jährige so gelassen mit dem Lapsus umgehen kann, hängt indes auch mit seinen Erfolgen in der Vergangenheit zusammen.
Loch kritisiert das IOC
Druck verspürt Felix Loch längst nicht mehr, auch wenn von den deutschen Rodlern eigentlich immer Topleistungen erwartet werden. „Ich habe meine Medaillen schon. Alles Weitere ist jetzt Zugabe."
Bis zu den Olympischen Spielen 2022 will er auf jeden Fall weitermachen. Ob er seine Laufbahn darüber hinaus noch bis 2026 verlängert, macht er neben der körperlichen Verfassung auch davon abhängig, wo die Winterspiele in dem Jahr ausgetragen werden. „Wenn die Spiele an einen traditionellen Wintersportort vergeben werden, will ich meine Karriere bis dahin fortsetzen", sagt er.
Felix Loch würde es begrüßen, wenn das Internationale Olympische Komitee (IOC) in Zukunft Orte auswählen würde, an denen bereits Olympische Spiele stattgefunden haben – für 2026 beispielsweise Calgary in Kanada, obwohl die Bürger gegen eine Austraggung gestimmt haben. Nur so ließen sich die Vorbehalte, die angesichts hoher Ausgaben derzeit fast überall in der Welt gegenüber dem Ereignis vorherrschen, aus dem Weg räumen. „Wir müssen der Bevölkerung klarmachen, dass die Kosten sehr viel geringer ausfallen würden, wenn bereits bestehende Sportstätten genutzt werden, die lediglich modernisiert werden müssen", sagt Loch.
Mit der Vergabe an Orte ohne Infrastruktur war zuletzt allerdings eher das Gegenteil der Fall. Im Interview mit „t-online.de" findet Loch deutliche Worte: „Das IOC hat dem Sport mit den Entscheidungen in den vergangenen Jahren keinen Gefallen getan. Bei der Vergabe der Spiele 2018 nach Pyeongchang und 2022 nach Peking standen die finanziellen Interessen seitens des IOC im Vordergrund. Das ist nicht hinnehmbar." Bei dieser Sache ist Felix Loch ganz und gar nicht entspannt.