Im Neunkircher Musicalprojekt gehört sie zur ersten Tänzer-Riege, und in vielen anderen Projekten steht sie als Schauspielerin und Sängerin auf der Bühne. Jetzt hat die Saarländerin Nadine Fleckinger im Stil der Burlesque-Kunst ihre erste eigene Show konzipiert.
Vor acht Jahren kommt ein Film in die Kinos, der Nadine Fleckinger nachhaltig inspiriert und in ihr einen Wunsch wachsen lässt. In den Hauptrollen spielen die Stars Christina Aguilera und Cher, es geht um ein schillerndes Tanz-Theater in Los Angeles und den steinigen Weg der Kellnerin Ali, die zum Showstar auf der Bühne wird. Mit dabei: viel Musik, viel Glitzer und viel nackte Haut. Der Film heißt „Burlesque". Und er wird zum vollen Erfolg. Damals ist Fleckinger Anfang 20, die Mischung aus Tanz, Bewegung, Erotik und Musik fasziniert sie. Sie fängt an, sich für die Burlesque-Kunst zu interessieren, und in ihr reift eine Idee: So eine Show will sie auch machen. Erst ist es nur eine vage Idee, mittlerweile ist sie sehr konkret geworden.
Im wahren Leben hat Nadine Fleckinger studiert, Deutsch und Englisch auf Lehramt. Ihr Herz gehört aber der Kunst. Sie ist ein typisches Bühnenkind. Schon als Mädchen steht sie vor Publikum, erst bei Vater und Opa im Gesangsverein, dann bekommt sie in der Grundschule die Hauptrolle in einem Theaterstück über eine Gruppe Räuber. „Ich durfte den Oberräuber spielen", erzählt sie lachend. Ihre Leidenschaft ist ihr in die Wiege gelegt, die Eltern sind beide im Karnevalsverein aktiv, in den 80ern sogar als Prinzenpaar. Kein Wunder also, dass der erste Weg über die närrische Jahreszeit führt und Nadine Fleckinger mit acht Jahren bei der Riegelsberger Garde anfängt. Dort lernt sie, wie man sich auf der Bühne präsentiert. Sie bleibt der Gruppe jahrelang treu, wird später sogar Trainerin. Doch die Garde ist nur der erste Schritt auf ihrem Weg.
Als eine ihrer wichtigsten Stationen nennt Nadine Fleckinger das Neunkircher Musical Projekt. Das Projekt, das es seit 15 Jahren gibt, ist im Saarland zu einer festen Institution geworden, es habe ihr viele Türen geöffnet, sagt sie. Als ihre Mutter sie im Jahr 2005 zum Casting fährt, weiß die damals 16-Jährige nicht, was auf sie zukommt. Sie kennt dort niemanden und stellt während der ersten Proben leicht desillusioniert fest, dass sie hier nicht gleich in der ersten Reihe tanzen darf. Zum ersten Mal kommt für sie aber alles zusammen. Statt einer kurzen Choreografie spielt sie plötzlich in einem abendfüllenden Musical, bei dem Schauspiel, Tanz und Gesang ineinanderfließen. Und wie es so ist, wo sich Kreative treffen, gibt es immer etwas Neues zu entdecken. Nadine Fleckinger nutzt die Chancen. Heute, mehr als zehn Jahre später, ist sie nicht nur eine der wichtigsten Tänzerinnen beim Neunkircher Musicalprojekt, von dort aus haben sich auch zahlreiche andere Projekte für sie ergeben. So wird sie in den folgenden Jahren etwa Teil der Theatergruppe „Bohemian Company", sie läuft für die Show „steel-echt" in Neunkirchen über den Laufsteg, aktuell steht sie im Saarländischen Staatstheater bei den „Blues Brothers" auf der Bühne und seit einiger Zeit ist sie sogar für die Choreografien beim bekannten „Gunni Mahling Showensemble" zuständig. Viele Projekte sind ihr im Laufe der Zeit auf diese Art fast schon zugeflogen. „Ich habe das nie gesucht. Die Leute sind oft auf mich zugekommen", erinnert sie sich. Nadine Fleckinger weiß es zu schätzen, dass andere ihr und ihren Fähigkeiten vertrauen. Umgekehrt wissen ihre Freunde und Bühnenpartner auch ganz genau, was sie an ihr haben. Als Tänzerin, Trainerin und Darstellerin ist sie nicht nur zuverlässig, sie weiß mittlerweile auch genau, was sie tut. „Learning by Doing", nennt sie das. Obwohl sie keine Ausbildung auf den Gebieten Tanz und Choreografie hat, hat sie die Möglichkeiten um sich herum genutzt und sich vieles einfach selbst beigebracht. Was sie sieht, im Theater oder im Fernsehen, und was sie selbst auf der Bühne erlebt, das speichert sie ab und lernt daraus. Darin sieht sie ihre besondere Fähigkeit. „Choreografieren, das ist etwas, was mir sehr leichtfällt", erzählt sie. „Es ist immer ein bisschen blöd, so was über sich selbst zu sagen, aber ich glaube, jeder hat sein Element, das er einfach gut kann."
Als 16-Jährige zum Musical-Casting
Während sie am Anfang noch Schülerin und Studentin mit viel Freizeit ist, hat sie ihr Studium mittlerweile beendet. Heutet arbeitet sie als Deutschlehrerin für Flüchtlinge. Der Ganztagsjob gefällt ihr, aber er fordert sie auch. Im Juli ist sie 30 Jahre alt geworden und sie merkt, dass sich ein Arbeitstag mit anschließender Probe bis in die Nacht nicht mehr so gut wegstecken lässt wie vorher. Früher habe sie zu allem ja gesagt, mittlerweile konzentriere sie sich mehr auf sich selbst. Nicht zuletzt deshalb reift in ihr der Gedanke immer weiter, den sie in den letzten Jahren nur im Hinterkopf hatte.
Zu ihrem 30. Geburtstag macht sie sich schließlich selbst ein ganz besonderes Geschenk. Sie nimmt endlich ihre eigene Burlesque-Show in die Hand. „Ich habe mir gedacht: jetzt oder nie. Burlesque ist ja was, was man nicht bis zum 50. Geburtstag macht", erinnert sie sich an den ausschlaggebenden Moment. Seit Anfang dieses Jahres steckt sie mitten in der Planung und hat gemeinsam mit sechs Freundinnen die Gruppe „Burlesquerettes" gegründet. Burlesque-Shows sind sehr körperbetont, doch Fleckinger unterstreicht, dass es in ihrer Show nie unter die Gürtellinie geht und immer stilvoll bleibt.
Was sich die meisten unter Burlesque vorstellen, sind Shows mit Tanz, Comedy und viel nackter Haut. Das Genre stammt ursprünglich aus dem prüden viktorianischen England. Im Amerika der 20er-Jahre entwickelte es sich schließlich zur vollen Blüte, jedes Mal als bewusst provokante Kunstform. Im letzten Jahrhundert hat die Burlesque mehrere Phasen durchlaufen, bis sie ihre heutige Form gefunden hat, die im Prinzip alles erlaubt. Nadine Fleckinger erzählt, dass auch ihr Konzept sich im Stil des Neo-Burlesque gewisse Freiheiten nimmt. Wer bei einem Auftritt dieser Art Federboas und Corsagen erwartet, wird natürlich nicht enttäuscht, aber die Show besteht aus weiteren Blöcken, die noch andere Ideen und Kostüme bereithalten, verrät Fleckinger. Das satirische Comedy-Element habe sie bewusst beiseitegelassen, dafür wird bei den „Burlesquerettes" live gesungen, was eine Ausnahme im typischen Burlesque-Theater darstellt. Ihre Gruppe hat sie selbst zusammengestellt und dabei auf zwei Faktoren besonders geachtet: „Ich kenne die Mädchen aus verschiedensten Projekten und ich habe geschaut, ob es optisch passt und vor allem, ob es auch menschlich passt. Wenn sieben Mädels eng aufeinandersitzen, dürfen keine Diven dabei sein."
„Sehr schön, aber auch sehr schwierig"
Seit Anfang des Jahres proben die sieben Freundinnen als „Burlesquerettes", Nadine Fleckinger hält die Fäden in der Hand. Für ihre Choreografien greift sie auf ihre Erfahrungen zurück. Wenn sie die Musik höre, habe sie die Bilder gleich vor Augen. Aufschreiben muss sie sich nur ganz selten etwas, die meisten Schritte und Ideen kann sie sich einfach merken. Doch sie ist nicht nur für das zuständig, was auf der Bühne gezeigt wird. Für ihr „großes Baby", wie Fleckinger es nennt, betritt sie auch jetzt wieder Neuland. Denn auch die Organisation im Hintergrund liegt dieses Mal in ihrem Verantwortungsbereich, Beschallung, Licht, Gema sind nur einige Bereiche, um die sie sich ebenfalls kümmern muss. „Das sind alles Sachen, über die man sich nie Gedanken gemacht hat, wenn man als Hupfdohle auf der Bühne steht", sagt sie und lacht. „Es ist meine Show, sie kommt aus mir heraus, es ist alles auf meinem Mist gewachsen. Das ist sehr schön, aber auch sehr schwierig." Doch die schönen Momente überwiegen. Man merkt Nadine Fleckinger die Begeisterung an, wenn sie beschreibt, wie sich die „Burlesquerettes" auf der Bühne auch ohne Worte verstehen und wie sich allmählich alles zu einem großen Ganzen zusammenfügt.
Die Premiere Anfang Dezember findet in der Stummschen Reithalle in Neunkirchen statt. „Weil ich Neunkirchen viel zu verdanken habe, wollte ich es unbedingt dort machen", erzählt sie. Nadine Fleckinger ist auf und hinter der Bühne gewachsen und hat das Beste daraus gemacht. Wie es für sie weitergeht und welche Projekte noch folgen, bleibt abzuwarten. Im Moment kreisen ihre Gedanken noch um Federboa und Tanzschritte.