Kristina Dunz hat für ein Buchprojekt über AKK die Politikerin mehrfach gemeinsam mit Autorenkollegin Eva Quadbeck getroffen. Im Interview gibt sie eine Einschätzung, ob der derzeitigen CDU-Generalsekretärin die Nähe zu Merkel nutzt, wenn am 7. Dezember die Wahl zum CDU-Vorsitz ansteht.
Frau Dunz, Sie waren Kanzlerkorrespondentin der dpa und sind heute bei der „Rheinischen Post" für das Kanzleramt zuständig. Was genau machen Sie?
Ich berichte möglichst über alle wichtigen Termine, die die Bundeskanzlerin hat, nationale Presse- als auch internationale Pressekonferenzen und über die Partei der Kanzlerin, also schwerpunktmäßig über die CDU. Da ich das seit zehn Jahren mache, kann ich heraushören, wenn sie etwas wirklich Neues sagt, wenn sie eine andere Diktion anschlägt – Nuancen sind dann wichtig.
Führen Journalisten Interviews für Printmedien, dann werden diese autorisiert. Wenigen Lesern ist diese Gepflogenheit bekannt. Es kann vorkommen, dass der Pressereferent unliebsame Sätze streicht oder Sätze, die nie gesagt wurden, erfindet. Wie gehen Sie damit um?
Insgesamt finde ich das mit der Autorisierung sehr schwierig, das hat sich aber im deutschen Journalismus verbreitet. Die Amerikaner machen das überhaupt nicht. Es gibt die Regel: Eins, zwei, drei. Eins ist 1:1, man schreibt den Namen und was derjenige gesagt hat. Bei Zwei kann man den Inhalt schreiben, darf aber die Quelle nicht nennen. Drei heißt, wir dürfen weder schreiben, was jemand erzählt hat, noch wer es gesagt hat. Es ist ein großer Vertrauensvorschuss, wenn beispielsweise ein Politiker etwas erzählt, aber nicht möchte, dass das zum gegenwärtigen Zeitpunkt veröffentlicht wird, gibt aber dem Journalisten einen Vorlauf, sodass man für eine künftige Recherche gewappnet sein kann.
Und eingangs genanntes Szenario?
Wenn Feinheiten verändert werden, finde ich das nicht schlimm. Wenn Aussagen verkehrt werden oder sich jemand das Interview neu schreibt, dann veröffentlichen wir das nicht.
Sie haben Annegret Kramp-Karrenbauer mehrfach für ihr Buchprojekt getroffen und meist mit thematischem Schwerpunkt interviewt. Haben Sie den Eindruck gewonnen, dass AKK für ein bestimmtes Politikfeld „brennt"?
Ich würde schon sagen, dass sie auch für die Sozialpolitik brennt, weil ihr der Zusammenhalt in der Gesellschaft sehr wichtig ist. Dass wir gut miteinander leben, dass der Wohlstand nicht einer Mittelschicht und darüber hinaus vorbehalten ist. Dass jeder eine Verantwortung für sich hat, aber auch für das Gemeinwesen.
Sie haben gesagt, dass Sie AKK für glaubwürdig halten. Woran machen Sie das fest?
Sie schwankt nicht in ihren Positionen, auch wenn sie kritisiert wird. Sie wirft auch alles in eine Waagschale. Sie sagt, dass ihr Amt als Generalsekretärin endet, wenn sie den CDU-Vorsitz nicht erreicht. Sie schenkt den Leuten reinen Wein ein. Sie sagt, was mit einer Entscheidung für oder gegen sie passiert.
Reinen Wein? Naja, den Saarländern hat sie gesagt, dass sie Ministerpräsidentin des Landes sein will und ging trotzdem nach Berlin.
Ich weiß nicht, ob sie herausgestellt hat, dass sie für die volle Wahlperiode bleibt. Die Enttäuschung der Saarländer kann ich total verstehen. Man muss natürlich überlegen, wenn das Saarland bundesweit über jemanden so stark vertreten sein kann, weil sie an die allerhöchste Spitze strebt, ob es vielleicht doch legitim ist.
Sie haben auch gesagt, AKK sei eine „Frau mit Biss". Woran haben Sie das gemerkt?
An ihrer Rede, als sie zur Generalsekretärin gewählt wurde. Ein großer Teil der Partei war sehr neugierig, wie sie auftritt. Viele kannten sie gar nicht als Rednerin. Bei dem Parteitag hat sie eine Rede gehalten – der Saal jubelte. Man komme im Leben an den Punkt – das hat mich an Kennedy erinnert – wo man sich fragen müsse, was man selber bereit sei zu geben. Daher auch dieses Zitat „Ich kann, ich will und ich werde", das sei spontan gewesen, sagt sie. Da war er sichtbar, dieser Biss.
„Mini-Merkel" ist mutmaßlich die Erfindung eines Journalisten. Sie dagegen sagen, AKK unterscheide sich sehr von Merkel. Wodurch?
Erstmal in ihrer Art. Frau Kramp-Karrenbauer ist emotionaler. Sie ist auch risikofreudiger, sie ist nicht ganz so bedächtig wie Frau Merkel. Frau Kramp-Karrenbauer ist angriffslustiger.
„Kronprinzessin" ist mutmaßlich auch eine Erfindung eines Journalisten, der nicht mitbekommen hat, dass die Demokratie keine Monarchie ist. Ist die Nähe zu Merkel ein Plus oder Minus für AKKs Karriere?
Beides. Es gibt einen Großteil in der CDU, der trotz allem Merkel-Anhänger ist. Dieser ist froh, dass Merkel mit dieser Nüchternheit und Besonnenheit Deutschland durch die internationalen Krisen gebracht hat. Da zahlt eine Nähe zu Merkel bei AKK ein, weil ein Teil der CDU Angst hat, diese Stabilität zu verlieren. Ein anderer Teil sagt: ’Nicht länger diese Lähmung des Landes und der Partei‘.
Es ist zwar ein hübsches Bonmot, dass Henry, der Sohn ihrer Autorenkollegin Eva Quadbeck, gefragt hat, ob in Deutschland auch Männer Kanzler werden können. Aber man stellt fest, dass Politik nach wie vor ein männlich dominiertes Berufsfeld ist, siehe Deutscher Bundestag. Brauchen wir da eine Quote analog der Regelung wie in Frankreich?
Ich persönlich wäre dafür, weil, wenn alle Bemühungen, das Verhältnis zu verbessern, nicht fruchten, dann bin ich für die Quotierung. Ich glaube, damit würde es ein gesellschaftliches Umdenken geben. Man muss darüber nachdenken, wie Familie und Beruf besser zu vereinen sind. Dort, wo nur Frauen oder Männer arbeiten, wird der Anteil in der Bevölkerung nicht vernünftig widergespiegelt.
AKK hat Ihnen erzählt, dass sie als Kind Lehrerin werden wollte, ihr Plan B war Hebamme. Sollte AKK den CDU-Vorsitz nicht erringen, dann will sie der Politik den Rücken kehren. Glauben Sie das? Und: Hat AKK einen Plan B?
Ich glaube, dass sie so hart arbeiten wird bis zum Parteitag, dass, wenn sie verlieren sollte, dass sie dann wirklich nachdenken würde. Ich glaube ihr, wenn sie sagt, sie bräuchte eine Denkpause.
Und wenn AKK je Kanzlerin werden würde, dann würden Sie, als Kanzleramtskorrespondentin, sie künftig begleiten?
Ja, wenn sie’s wird, würde ich’s machen, klar.