Brandschutz im Neubau eines Altenheimes ist eine Herausforderung. Das Ganze in einem Bestandsbau und bei laufendem Betrieb zu realisieren, erhöht den Aufwand. Richtig komplex wird es, beides gleichzeitig zu bewältigen. 115 Seiten dick ist das Konzept, dessen Umsetzung uns der Brandschutzexperte Alexander Kohl beim Rundgang durch ein Altenhilfezentrum zeigt.
Es ist wohl einer der letzten schönen Herbstmorgen in Saarbrücken. Nur ein paar Wolken ziehen über den azurblauen Himmel. Die wenigen gelben Blätter an den Platanen am Staden schimmern im Sonnenlicht. In diesem Idyll steht das Altenhilfezentrum Stiftung Langenwied. Zentrumsnah, umgeben von Altbauten, in Nachbarschaft zur Modernen Galerie und direkt am Saarufer. Eine Lage, die durchaus als prominent durchgeht. Im vergangenen Jahr fand die feierliche Wiedereröffnung des Seniorenzentrums statt. Und das, obwohl es nie geschlossen war. Der Betreiber ließ den Altbau sanieren, den Brandschutz auf Vordermann bringen und einen neuen Flügel anbauen. Alles im laufenden Betrieb. Alexander Kohl war bei diesem Großprojekt für die Planung und Umsetzung des Brandschutzes verantwortlich. Der 52-Jährige war Feuerwehrmann, behördlich bei der Unteren Bauaufsicht für das Thema Brandschutz zuständig und ist nach einem Masterstudium im vorbeugenden Brandschutz jetzt mit seinem Unternehmen AKo Brandschutz gefragter Experte.
Wir dürfen ihn bei einem Rundgang zu den neuralgischen Punkten begleiten, wo er erläutert, worauf ein Sachverständiger achten muss. „Dass es so viele verschiedene Nutzungsarten in diesem Gebäude gibt, macht es aus brandschutz-technischen Gesichtspunkten schwierig", erklärt Kohl. Im Alt- und Neubau gibt es Alten- und Kurzzeitpflege, betreutes Wohnen, Appartements, im Neubau eine Demenzstation. In seinen Erläuterungen schielt Kohl immer wieder über den Rand seiner Brille und wirkt dabei fast ein bisschen lehrerhaft. Wie einer der Lehrer, die man in der Schule gemocht hatte. „Für mich spielen die Menschenrettung und die Brandbekämpfung die wichtigste Rolle", sagt der Experte. Alles andere zählt zum tolerierten Restrisiko im jeweiligen Brandabschnitt, das sei ihm bewusst, solange keine Menschen zu Schaden kommen.
Brandschutztücken in der Demenzstation
Es geht durch offene Flure, freundlich gestaltet und hell. Christliche Symbole wie Marienstatuen, Kreuze und Bleiglasmalereien finden sich überall. Zur feierlichen Eröffnung im vergangenen Jahr hatte der Weihbischof aus Trier dem Gebäude seinen Segen gegeben. Durch ein Fenster in Richtung Süden hat man einen tollen Ausblick auf die Saar, deren Wasser durch die Reflektionen der Sonne fast blendet. „Jetzt befinden wir uns im Neubau, der neuen Demenzstation" erläutert Jörg Strauch. Der Direktor der Stiftung Langwied ist beim Rundgang mit dabei. „Der Umbau war für Planer, Personal und alle Menschen, die hier gepflegt werden oder zur Miete wohnen, eine große Herausforderung", sagte er nicht ohne Stolz in der Stimme, denn nach nur 20 Monaten war das Projekt abgeschlossen.
Im Prunkstück der neuen Demenzstation, dem offenen Wohnbereich, duftet es. Bald ist Zeit für das Mittagessen. Eine Mitarbeiterin der Demenzstation brät gerade Hackfleischkieschelscher, wie man im Saarland sagt, also Buletten oder Frikadellen. An einem großen Tisch in der Mitte des Raums sitzen einige Bewohner mit ihren Getränken, die meisten in Rollstühlen. Gerade in einer Demenzstation gibt es Tücken beim Brandschutz. Das Altenhilfezentrum hat die Vorsorgepflicht für die Demenzkranken. Sie dürfen zu ihrer eigenen Sicherheit nicht nach draußen gelangen. Sie könnten in ihrer Verwirrtheit auf die Straße laufen und sich und andere in Gefahr bringen. Deshalb sind die Türen gesichert und können nur mit Chipkarten oder Zahlencodes geöffnet werden. „Wir haben hier weitere Vorkehrungen getroffen um die Offenheit der Einrichtung zu gewährleisten" erklärt Alexander Kohl, zeigt auf eine Tür und erklärt: „hier sind Feststellanlagen mit integrierten Rauchmeldern verbaut, wenn die ausgelöst werden, wird der Schließmechanismus in Kraft gesetzt und die Türen schließen." Eine solche Brandschutztür mit speziellem Schließmechanismus und Rauchmelder ist kein billiger Spaß. Rund 10.000 Euro sind fällig pro Stück. Sie riegeln außerdem Brandabschnitte ab und bieten 30 Minuten Schutz vor Feuer und Rauch. Das reicht in der Regel aus, denn zehn Minuten nach einem ausgelösten Feueralarm wären die Einsatzkräfte schon mitten in ihren Löscharbeiten. „Durch solche Türen entstanden uns allein im Altbau Mehrkosten von 90.000 Euro, die vorher so nicht einkalkuliert waren", seufzt der Direktor. Allerdings waren sie nötig, um den Brandschutz auf den neusten Stand zu bringen. „Insgesamt belaufen sich die Mehrkosten für den vorbeugenden Brandschutz auf 400.000 Euro", sagt Jörg Strauch. Alexander Kohl wirft schmunzelnd ein: „Beim Brandschutz ist es doch wie mit allem. Für Geld bekommt man Zucker im Tütchen".
Dann schiebt er zum Thema Türen eine Anekdote nach. In einem anderen saarländischen Altenpflegeheim habe er einmal an einer codegesicherten Ausgangstür gestanden. Drei Mitarbeiter konnten ihm den Code zum Öffnen der Tür nicht sagen. „So etwas darf nicht sein", mahnt Kohl mit ernster Stimme. Als die Mitarbeiter weg waren, flüsterte ein älterer Herr und Bewohner des Altenheims von der Seite „25793". Kohl gab neugierig den Code ein und die Tür öffnete sich. „Ich geh hier immer raus zum Rauchen, das weiß aber keiner", fuhr der alte Mann fort. Alle Anwesenden müssen bei der Geschichte lachen, doch für den Brandschutz ist das im Ernstfall eine Katastrophe.
Für den Ernstfall geschult
Plötzlich erfüllt ein Piepton den Wohnbereich. Dirk Strauch schaut etwas verschreckt in Richtung Küche. Feueralarm? Nein, nur der Eierkocher. Man merkt, wie etwas Anspannung abfällt. „Unsere Mitarbeiter werden speziell geschult, damit sie sich im Fall eines Brandes richtig verhalten" sagt Strauch. „Am wichtigsten ist es, den Mitarbeitern zu erklären, wie ein Brand entsteht und wie alles funktioniert, dann wissen sie auch, wie sie ein Feuer löschen können und wie sie sich richtig verhalten", ergänzt der Brandschutzexperte Kohl. Das richtige Verhalten bei einem Brand in der Demenzstation wirkt doppelt wichtig, da hier im Fall der Fälle die Mitarbeiter auch ein Dutzend Rollstuhlfahrer in einen sicheren Bereich bringen müssen.
Wir verlassen die Demenzstation. Im Treppenhaus, neben zwei Fahrstühlen zeigt Alexander Kohl auf eine unscheinbare Tür. BMA steht darauf in roter Schrift mit rotem Rahmen darum. „Das Herzstück", sagt Alexander Kohl. BMA, die Abkürzung für Brandmeldeanlage. Hier laufen alle Stränge zusammen, alle Signale von Rauchmeldern, Türen und Sicherungen ein. „Wenn diese Anlage auf Störung geht, dann müssen alle Mitarbeiter ihre Arbeit umstellen" beschreibt Strauch, weshalb diese Anlage so wichtig ist. „Dann werden eben, bis das Ganze repariert ist, keine Kerzen mehr angezündet oder keine Kuchen mehr gebacken". Das Risiko wäre für alle Beteiligten zu groß.
Kurz geht es nach draußen durch den Innenhof des U-förmigen Baus. Es ist zugig. Im Eingangsbereich des Altbaus angekommen sagt Dirk Strauch, dass er manche Brandschutzmaßnahmen dennoch überzogen findet: „Zum Beispiel dieses Tableau, das die Feuerwehr wollte." Er zeigt auf die ein auf ein Meter große Tafel mit Lageplänen des gesamten Altenhilfezentrums, vielen kleinen LEDs und einem abgesperrten Schrank daneben. „20.000 Euro hat das gekostet", bemerkt er und schüttelt den Kopf. Alexander Kohl interveniert grinsend. „Unnötig würde ich nicht sagen, nur manchmal ist der Nutzen nicht auf Anhieb für jeden ersichtlich." Dieses Tableau ergibt durchaus Sinn, denn es zeigt den Feuerwehrleuten durch die LEDs, wo es brennt. Damit das funktioniert, gelangen die Signale aller Rauchmelder und Brandabschnitte auch an diese Tafel – das macht es teuer. Im Schrank, den nur die Feuerwehr öffnen kann, finden sich laminierte Pläne aller Stockwerke, damit sich die Einsatzkräfte schnell zurechtfinden. Das ist zwingend nötig und kann im Brandfall wichtige Zeit sparen, in der die Feuerwehrleute sonst den Brand suchen und sich anderweitig über Lagepläne informieren müssten.
Folgekosten durch Wartung
Das umgesetzte 115-seitige Brandschutzkonzept für den Bestands- und den Neubau des Altenhilfezentrums Stiftung Langwied hat offensichtlich Hand und Fuß. „Hier ist alles soweit State of the Art", sagt Alexander Kohl und blickt zu Direktor Strauch. „Der Betreiber muss nun schauen, dass es auch so bleibt." Das bedeutet: regelmäßige Wartungen, Schulungen und Investitionen. Durch den Einbau einer Brandmeldeanlage und teurer Türen allein ist es nicht getan. Eine Brandschutzanlage kostet immer Geld. Wenn der Betreiber der Einrichtung die Rauchmelder und Türen nicht regelmäßig auf ihre Funktion testen lässt oder sich nur ein Mit-arbeiter falsch verhält, etwa einen Keil in eine Brandschutztür steckt, ist das ganze Brandschutzkonzept über den Haufen geworfen. Dafür ist der Hausherr verantwortlich. „Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es aber trotzdem nicht – gerade beim Brandschutz", sagt Kohl, während er das Heim verlässt und seinen Blick über die Altbauten der Bismarckstraße schweifen lässt, ehe er ihn nach oben richtet: „denn wenn der Himmel einstürzt, sind alle Spatzen tot."