Die Füchse Berlin versuchen in einer heiklen Phase der Saison zu retten, was noch zu retten ist.
November, immer wieder dieser November, mögen sich die Spieler und Verantwortlichen der Füchse Berlin denken. Dabei hatte Silvio Heinevetter, Keeper der Berliner Handballer und Nationaltorwart, gerade erst lapidar festgestellt: „Is’ halt Oktober." Heinevetter sprach dabei auf „Zeit Online" von der immer wiederkehrenden Belastungsspitze der deutschen Handballer im Herbst, so voraussehbar wie angeblich unvermeidbar. „Das ist dem Wettbewerbskalender geschuldet", gibt Heinevetter bei den Kollegen weiter zu Protokoll und meint die vielen verletzten Mitspieler und die geschmälerte Erfolgsbilanz. Für seine Füchse kam der schlimmere Oktober in diesem Jahr allerdings erst im November. Konnte der Oktober mit fünf Siegen und nur zwei Niederlagen noch ausreichend erfolgreich gestaltet werden, kam das dicke Ende im Laufe des Novembers. Auf der Anzeige stehen bereits vier Niederlagen bei lediglich einem Sieg.
Der Kader ist in seiner Tiefe bereits lange ausgeschöpft. Seit Wochen stehen Nachwuchsspieler auf dem Feld, die sicherlich von einem Debüt im Profibereich geträumt haben – aber nicht so früh. Ins Spiel für die Füchse gehen momentan Lennart Gliese, Tim Matthes und Torben Matzken. Gerechnet wurde mit Paul Drux, Fabian Wiede und Mattias Zachrisson, allesamt dekorierte Nationalspieler. Fabian Wiede kehrte in der letzten Liga-Partie gegen Kiel immerhin zurück auf die Platte. Die beiden anderen Stützen des Teams nehmen zurzeit bei Heimspielen Platz neben Marko Kopljar, Malte Semisch, Simon Ernst und Christoph Reißky, allesamt im schicken Ausgehanzug auf der Tribüne. „Is’ halt November" muss es im nächsten Jahr wohl heißen.
„Wir haben uns nichts vorzuwerfen"
Da kam das vermeintliche Topspiel der Liga gegen den deutschen Rekordmeister aus Kiel vergangene Woche natürlich zur Unzeit. Die Füchse Berlin verloren beim THW mit 22:26 (13:14). Nach einer starken ersten Hälfte konnte der Hauptstadtclub im zweiten Durchgang nicht mehr die Durchschlagskraft erzielen, um die Kieler in Bedrängnis zu bringen. Dennoch zeigte die Berliner Mannschaft immerhin wieder einen großen Kampf und hatte durch das Comeback von Fabian Wiede wieder eine Option mehr im Kader. Hans Lindberg zeigte sich besonders treffsicher und erzielte neun Tore. Mit seinen 37 Jahren läuft und läuft der Däne durch die Saison, egal ob Oktober oder November. Lindberg ist die sportliche und moralische Stütze des Teams. Rekonvaleszent Wiede kommentierte seine ersten Gehversuche im Wettbewerbsmodus nach dem Spiel: „Ich hatte erst ein Training, deshalb ging es heute erst mal darum, zu testen wie alles funktioniert." Seine Oktober-November-Zusammenfassung lautete danach folgendermaßen: „Wir haben uns in der ganzen Phase, in der wir viele Verletzte hatten, nichts vorzuwerfen."
Diese „Phase" führte auch dazu, dass die Bundesliga zur Nebensache wird, der Fokus der Füchse liegt momentan auf dem Europapokal. Dort gilt es, sich bis in das Frühjahr zu retten, wenn die entscheidenden Spiele um den EHF-Pokal beginnen. Die Verteidigung des Pokals ist das große Ziel der Berliner. Denn: ohne EHF-Pokalsieg kein Golden Globe in Katar. Das ist so etwas wie eine Clubweltmeisterschaft und für die Berliner inzwischen eine unverzichtbare Einnahmequelle. So bekam am vergangenen Sonntag ein Spiel große Bedeutung, das unter normalen Umständen reine Routine gewesen wäre: Berlin gegen Aalborg, dritte Runde EHF-Pokal, Rückspiel. Die Berliner hatten das Hinspiel in Dänemark mit 31:29 verloren und angesichts der momentanen Schwäche war das so dringend erwartete Weiterkommen kein Selbstläufer. Doch zumindest auf dem europäischen Parkett gab es jetzt Entwarnung: Mit einem 28:23-Heimerfolg ziehen die Füchse Berlin in die Gruppenphase des EHF-Cups ein. Leicht war das Spiel gegen die Dänen nicht. Nach einem zwischenzeitlichen Sechs-Tore-Rückstand musste das Team von Velimir Petković sich hart zurück ins Spiel kämpfen. Vor 7.403 Zuschauern war Hans Lindberg mit sechs Treffern wieder einmal der erfolgreichste Werfer.
Der Beginn der Partie verlief recht ausgeglichen, bevor die Füchse nach einem 0:5-Lauf der Gäste plötzlich mit 5:11 zurücklagen. Zusammen mit den beiden Treffern aus dem Hinspiel waren sie zu diesem Zeitpunkt mit insgesamt acht Toren im Nachteil. Doch die Berliner gaben nicht auf und arbeiteten sich langsam wieder heran. Erik Schmidt traf in der 26. Spielminute zum 9:13, und bis zum Halbzeitpfiff konnte man noch auf 11:13 herankommen. Nach der Pause fielen Tore auf beiden Seiten. Doch in der 38. Spielminute war es Mijajlo Marsenić, der die Zuschauer im Fuchsbau nach seinem Führungstreffer zum 16:15 in Begeisterung versetzte. Johan Koch legte nach, und somit war beim 17:15 das erste übergreifende Unentschieden für den amtierenden EHF-Cup-Champion erreicht. Doch Aalborg gab nicht auf und konnte noch mal auf 17:17 ausgleichen. Jetzt standen die Füchse besser in der Abwehr, und Torwart Silvio Heinevetter wurde mit seinen Paraden zu einem entscheidenden Faktor. Mit einem 20:17 in der 45. Spielminute und einem 26:22 zehn Minuten später brachten sich die Berliner auf die Siegerstraße. Am Ende war das 28:23 deutlich und konnte über die zwischenzeitlichen Nöte der Reinickendorfer Handballer hinwegtäuschen. Trainer Petković fasste die schmerzhaften Erfahrungen nach dem Spiel treffend zusammen: „In der ersten Halbzeit haben sie uns quasi demontiert. Da hatten wir keine Chance." Am Ende sollte es doch noch einmal reichen. Der Gewinn des Europapokals ist weiterhin möglich –
im nächsten Frühjahr, wenn nicht Oktober oder November ist. In der Bundesliga hingegen scheint eine hervorragende Platzierung wie im Vorjahr bereits zu diesem Zeitpunkt verspielt. Schuld war die jährliche Herbstdepression.
Am Ende ist es Kapitän Hans Lindberg, der verrät, welche Philosophie sein Team durch einen verlustreichen Herbst geführt hat: „Wir geben nie auf und kämpfen. Das hat Petko(vic) mit uns über die letzten zwei Jahre entwickelt. Wir glauben immer daran, dass wir Spiele noch drehen können." Gegen Aalborg ist es gelungen.