Alfons Hörmanns Wiederwahl als DOSB-Präsident gilt als sicher. Seine Gegner fanden keinen Gegenkandidaten, der die Kritik am Amtsinhaber für sich hätte nutzen können.
Auf den Winter freut sich Alfons Hörmann immer besonders, denn der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) ist ein passionierter Skiläufer. Bergab auf Brettern kann er all den Stress, den sein Ehrenamt mit sich bringt, am besten vergessen. „Man bewegt sich in der Natur, es ist einfach die schönste Form abzuschalten", sagt er. „Alles ist weiß, das schafft einen klaren Kopf." Für den Leistungssport hat sein Talent aber nie gereicht. „Ich bin ein paar Mal bei der Vereinsmeisterschaft des TSV Sulzberg mitgefahren", erinnert sich der 58-Jährige, „aber gewonnen habe ich nie." Das Gefühl des Sieges holte er sich stattdessen in seiner Funktionärs-Karriere. Zuerst als Vorsitzender des Allgäuischen und des Bayerischen Skiverbandes, dann als Chef des Deutschen Skiverbandes und schließlich als Boss des DOSB. Dazwischen bekleidete Hörmann auch das Amt des Vizepräsidenten Marketing bei der Internationalen Biathlon-Union und nahm einen Platz im Council des Ski-Weltverbandes FIS ein. Wenn einer weiß, wie man im undurchsichtigen und vielschichtigen Netz der Sportpolitik seine Position sichert, dann Alfons Hörmann.
So kommt es auch nicht überraschend, dass der Allgäuer bei der DOSB-Vollversammlung am 1. Dezember in Düsseldorf mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in seinem Amt bestätigt und für vier weitere Jahre gewählt wird – trotz zum Teil starker Kritik an seiner Arbeit. Warum? Unter anderem, weil es keinen Gegenkandidaten gibt. Die Opposition, die es innerhalb des Verbandes durchaus gibt, hat keine geeignete Alternative zu Hörmann präsentieren können. Zuerst winkte Clemens Prokop, früherer Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), aus „privaten und beruflichen Gründen" ab. Anfang Oktober sprang in Thomas Weikert auch Hörmanns letzter ernsthafter Widersacher von der Stange. Als Vorsitzender des Tischtennis-Weltverbandes ITTF hätte Weikert viel Renommee und Erfahrung mitgebracht. Der 56 Jahre alte Rechtsanwalt bezeichnete den DOSB-Vorsitz als „interessant", er schloss eine künftige Kandidatur auch nicht aus. Doch für dieses Jahr hat er sich nach ein paar Tagen Bedenkzeit gegen eine Kampfabstimmung mit Hörmann entschieden. Weikert begründete diesen Schritt mit seinen Verpflichtungen gegenüber der ITTF und seiner Anwaltskanzlei.
Gegen Kampfabstimmung entschieden
Die Gegenseite, zu der unter anderem Ruderpräsident und Verbandssprecher Siegfried Kaidel gehört, fiel nach Weikerts Absage in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Bei der Versammlung der Spitzenverbände, in denen die Sportentwicklung in Deutschland unter Hörmann durchaus kritisch gesehen wird, ließ sich kein anderer Gegenkandidat mehr finden. Dabei hätte das Gremium beim Wahlkongress die Mehrheit der Stimmen auf sich vereint. So aber sprachen sich die Spitzenverbände bei einem Treffen in der DOSB-Zentrale in Frankfurt einstimmig bei zwei Enthaltungen für Hörmann als Kandidaten aus. Ein Triumph für den 58-Jährigen, den dieser auch genüsslich auskostete. „Die entscheidenden Momente sind in einer Demokratie, wenn es um die Abstimmung geht", sagte Hörmann. „Dieses Votum war die beste Antwort auf die vergangenen Tage."
Dass es an der Basis weiter gefährlich rumort, scheint der DOSB-Boss zumindest in der Öffentlichkeit fast zu ignorieren. „Ich kann nach einem einstimmigen Votum bei zwei Enthaltungen keinen Riss erkennen", so Hörmann. „Aus meiner Sicht existiert er schlichtweg nicht." Zuvor hatten sich auch die Landessportbünde und die sogenannten Verbände mit besonderen Aufgaben für den Amtsinhaber ausgesprochen.
Also alles nur Einbildung der kritischen Medien? Oder negative Stimmungsmache von Leuten, die selbst die Verantwortung scheuen? Mitnichten. Die Vorwürfe der schlechten Amtsführung und der mangelhaften Kommunikation kommen aus zu vielen Richtungen und halten sich schon zu lange, als dass sich nicht auch Hörmann hinterfragen müsste. Dass es in der offenen (!)
Abstimmung ohne einen zweiten Kandidaten keine Gegenstimme für ihn gab, sollte Hörmann nicht blenden. Der ausgefuchste Funktionär weiß das natürlich. Deshalb reicht er seinen Kritikern noch vor seiner sicheren Wiederwahl die Hand. Er wolle einen Weg einschlagen, „der Sportdeutschland eint und der unser aller Verantwortung gerecht wird", sagte Hörmann. „Ich werde mich auch in den kommenden Wochen nicht in irgendeine Form des Wahlkampfes begeben. Wir stehen vor entscheidenden Wochen in Berlin." Auch deshalb sei das klare Votum für ihn „eine wertvolle Form von Unterstützung", denn so könne man „als Einheit in Berlin auftreten".
Probleme mit komplexem Antragsverfahren
In der deutschen Hauptstadt muss sich Hörmann mit Vertretern des Bundesinnenministeriums (BMI) um das liebe Geld streiten. Der Sport will aus dem Haushalt für 2019 mehr öffentliche Mittel und hat dafür gute Argumente auf seiner Seite, die Politik verhandelt hart. Hörmann ist jedoch zuversichtlich, dass es „einen ganz erheblichen Zuschlag für den Sport" geben wird. Medienberichten zufolge äußerte der DOSB in den Gesprächen mit den Politikern einen Mehrbedarf von 114 Millionen Euro. Zuletzt wurde von 46 Millionen Euro berichtet, die dem deutschen Sport künftig aus Steuermitteln mehr zur Verfügung stehen. Das ist noch immer eine große Summe. Damit muss der DOSB in erster Linie seine aus diversen Gründen ins Stocken geratene Spitzensportförderung vorantreiben. Allerdings steigen die dafür relevanten Posten in 2019 nur um knapp 20 Millionen Euro an. Viel Geld fließt künftig in ganz andere Maßnahmen. Die Ausrichter der Ski-WM 2021 in Oberstdorf dürfen sich zum Beispiel über 7,3 Millionen Euro freuen, um im kommenden Jahr Modernisierungsmaßnahmen einzuleiten.
Für Aufsehen sorgte allerdings eine Meldung Mitte November, nachdem die Spitzenverbände die zuvor hart erstrittenen Fördergelder offenbar reihenweise nicht abrufen würden. Von den nach langen Diskussionen für 2018 nachträglich genehmigten 23,2 Millionen Euro waren für 7,42 Millionen Euro keine Anträge gestellt worden. Hintergrund sind offenbar die Probleme der Verbände mit dem komplexen Antragsverfahren. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" zitierte aus einem Schreiben von Hörmann und der DOSB-Vorstandsvorsitzenden Veronika Rücker, in dem sie „ein großes Problem beim Mittelabfluss" zugaben. So würden für „32 Prozent der Mittel noch keine Anträge der Verbände vorliegen", stand in dem Brief an die Spitzenverbände. „Hier drohen Mittel zu verfallen, was unsere Position bei den Haushalten bei der Forderung zusätzlicher Mehrbedarfe für das nächste Jahr nachhaltig schwächt."
Die Athleten, bei denen im Idealfall am Ende das Geld ankommen sollte, reagierten mit Kritik. Sie wissen um die Tücken der Bürokratie und der Steuergeld-Beschaffung, aber „bei allem Verständnis für die Engpässe und langwierigen Veränderungsprozesse: Wir bitten BMI und die Verbände, schnelle und pragmatische Lösungen zu finden", sagte DOSB-Athletensprecher Max Hartung dem Sport-Informations-Dienst (SID). „Von uns Athleten wird eine hohe Professionalität und Flexibilität erwartet. Diese Erwartung stellen wir auch an die Strukturen." Und an den DOSB-Präsidenten selbst. Hörmann hat sich unter den Sportlern nicht nur Freunde gemacht. Vor allem seine anfangs skeptische Haltung gegenüber dem unabhängig vom DOSB arbeitenden Verein Athleten Deutschland sorgte für Verstimmung. Auch der Stillstand bei der Spitzensportreform unter der Führung von Hörmann sorgt für „viel Unsicherheit bei den Athleten", sagt Athletensprecherin Silke Kassner. „Sie haben auf das Vorhaben gesetzt." Jedoch gebe es bisher so gut wie keine Verbesserungen.
„Viel Unsicherheit bei den Athleten"
Hörmann muss man zugutehalten, dass er in politisch schwierigen Zeiten mit unsicheren Koalitionen und einem mächtig unter Druck stehenden Bundesinnenminister Horst Seehofer, der bislang kaum Interesse an Sportsachthemen zeigte, agieren muss. Seehofer warf zum Beispiel aus politischen Gründen die Pläne zur Schließung von Bundesstützpunkten über Bord. Dabei war das ein zentraler Punkt der ganzen Reform gewesen. Wie die 21 Bundesstützpunkte, die eigentlich zugunsten einer starken Zentralisierung geschlossen werden sollten, nun finanziell am Leben gehalten werden sollen, ist ein neuer Streitpunkt. Hörmann glaubt dennoch langfristig an den Erfolg der Spitzensportreform – er bittet aber weiter um Geduld. „Wir sind aus meiner Sicht bei der Halbzeit der Spitzensportreform angekommen, jetzt geht es in die zweite Hälfte", sagt er. „Das passt auch zur vierjährigen Amtszeit, die nun bevorsteht."