Man muss es nicht unnütz kompliziert machen, sondern kann einfach Gutes zusammenbringen: „Chicken & Beer". Im sechsten Stock des KaDeWe zeigt der Ableger vom „Brło Brwhouse", wie Grillhuhn und Craft Beer sich perfekt miteinander verbinden.
KaDeWe-Haupteingang, einmal rechts herum. Fahrstuhl in den sechsten Stock nehmen und bei „Chicken & Beer" vor den Tresen fallen. Oder vielleicht doch gleich in den Grill hinein? Immerhin war an der Stelle, an der die Craft Beer- und Hühner-Filiale vom „Brło Brwhouse" ihren „Container" installiert hat, bereits früher viele Jahre lang ein Hühnergrill, den so mancher Feinschmeckeretagen-Besucher noch kennt. Wo „Brło Brwhouse" dransteht, kann wiederum nur Gescheites herauskommen – ins Glas, aus dem Zapfhahn, ebenso wie auf den Teller, wenn Küchenchef Ben Pommer die Oberhoheit über das Food-Konzept hat. Ein einfaches, bekanntes Produkt sollte es sein, das das im „Brło"-Stammhaus selbst gebraute Bier begleitet.
„Wir wollten nicht ganz neu anfangen und erläutern, was ein in der Schale gegarter Sellerie ist", sagt Ben Pommer. Die Küche „Brwhouse" am Gleisdreieck ist sehr gemüsezentriert; Fleisch aus dem Smoker ist extra. Craft Beer sei für diejenigen, die auf dem Level „Helles, Dunkles oder Weizen" unterwegs seien, erklärungsbedürftig genug. Da müsse sich das Essen von selbst erschließen. Bei wem sollte das mit einem Grillhuhn nicht funktionieren? Zumal, wenn die Hühner vom Stamme Kikok sind. Sie dürfen auf einem Paderborner Hof ganz langsam wachsen, werden nur mit Mais, Weizen und Wasser gefüttert und antibiotikafrei gehalten.
So ein beispielsweise in Chili-Barbecue-Sauce mariniertes und schön gegrilltes Premium-Huhn liegt nun auf dem Brettchen vor uns. Die Haut knuspert; das Fleisch ist saftig und bissig zugleich. Ordentliche, aus echten Kartoffeln geschnittene Pommes frites, Mayo und ein rot-grüner Beilagensalat komplettieren das Mahl. Das hat für 11,50 Euro plus Beilagen genau die richtige Dimension für einen sehr hungrigen oder drei probierfreudige Menschen wie uns. Denn wir trinken noch eine Weiße dazu, die mit Mango und Maracuja gebraut wurde, und probieren das eigens für das „Kaufhaus des Westens" gebraute, naturtrübe KaDeWe-Pils, das nur vor Ort frisch gezapft wird. „Kann man schon mal machen", sagt die begleitende Westfälin, die den einen oder anderen Schluck „Pilsken" nun schon zu Mittag nimmt.
Das hält der Herr an unserem Tisch, der sich an einem Hühnerbein gütlich tut und unserem Gespräch mit Ben Pommer interessiert zuhört, anders. Er bleibt bei seiner Fritz Kola. Er sei Verkäufer bei „Tiffany" ein paar Stockwerke weiter unten und in seiner Mittagspause oft im „Chicken & Beer". „Ich bin beinah jeden zweiten Tag hier, mir wachsen schon Flügel", sagt er lachend. Wenn es mal nicht die Hähnchenkeule sein soll, isst er den „Caesar Salad" für 11,90 Euro. Eine angebräunte Kikok-Hühnerbrust lagert auf einem Romanasalat mit Cocktailtomaten, Kräuter-Croutons und Parmesanspänen. Die Soße ist entschieden säuerlich mit einem Tick Frucht und von der typischen mayoartigen Cremigkeit, sodass sie den Salat angenehmst zusammenbindet, ohne sich selbst in den Vordergrund zu drängeln. Das Huhn ist auch in dieser Form zum Anbeißen – saftig und sanft zugleich. Das hat seinen berechtigten Preis. Eine ordentliche Aufzucht und Hühnerhaltung braucht Zeit, Platz und gutes Futter. Die Marge sei nicht hoch, sagt Pommer und empfiehlt Skeptikern einen Blick in die Geflügeltheke nebenan: „Das Kikok-Huhn kostet dort einen Euro weniger pro Kilo."
Aufzucht und Haltung mit Muse
Während ich an meiner Rhabarberschorle nuckele, klärt mich Pommer auf, dass es ebenfalls alkoholfreies Bier gebe – das „Naked Pale Ale". Kaltgehopft mit amerikanischen Lemondrop-Hopfen, ausgeklügelt von Braumeister Michael Lembke, der für die frisch gebrauten und manchmal fancy variierten Sorten im „Brwhouse" zuständig ist. „Wir haben im KaDeWe acht verschiedene Biere am Hahn", erläutert Ben Pommer. Ein Helles, Pale Ale, German IPA, Baltic Porter und eine Weiße – die Klassiker, die auch auf die „Tasting Boards" kommen. Auf den Holzbrettchen stehen fünf 0,15er-Gläser zum Verkosten – für 9,50 Euro ein Querschnitt durch die Welt der Craft-Beer-Typen, wie sie „Brło" interpretiert. An Hahn sieben und acht finden sich wechselnde Biere – bei unserem Besuch die erfrischende Mango-Maracuja-Weiße sowie das „W4PO", ein West Coast IPA, gebraut mit „4C-Hopfen": Citra, Cascade, Centennial und Chinook. Plus natürlich das KaDeWe-Pils, das in Flaschen abgefüllt ebenfalls in der Bierabteilung erhältlich ist. Es ist eine Reminiszenz an den traditionsreichen Ort mit seiner Feinschmecker-Etage, die sich gerade neu erfindet.
Wer beim sechsten Stock nur an Hummer, Austern und Champagner denke, liege falsch, sagt Pommer. Es habe immer schon Bodenständiges wie im „Wurstkessel" oder beim „Kartoffelacker" gegeben. Allerdings können Austern & Co. am Tresen vom „Chicken & Beer" oder ein Piemonteser Wein aus der benachbarten italienischen Weinecke mitbestellt und gegen Korkgeld geöffnet und getrunken werden. „Die Etage ist ein einziges großes Restaurant, und so begreifen wir das auch. Wir komplettieren das bestehende Angebot." Auch optisch. „Brło" brachte seine charakteristischen mattschwarzen Container-Wände sowie Metall- und Holzmöbel im Industrial-Style mit. Der schwarz-weiße Fliesenboden war bereits vorhanden. Da ohnehin umgebaut wurde – und wird – konnte eine Fliesensäule mit zusätzlichem Licht gestaltet und eine geradlinige, helle Atmosphäre im „Chicken & Beer" geschaffen werden.
Vom Umbau des KaDeWe, der Erneuerung und „Verjüngung" der Angebote auch in der sechsten Etage, war im vergangenen Jahr allenthalben zu hören. So griff Ben Pommer Anfang 2018 kurzerhand zum Telefon, um herauszufinden, ob Craft Beer plus passendes Essen für die Feinschmecker-Etage interessant wäre. Erst war vom Jahr 2020 die Rede, aber: „Wir bewegen uns in einer anderen Geschwindigkeit." Dynamik und das Konzept mit seiner Kombination von Bekanntem und Neuem wie Craft Beer überzeugten. Und zwar rasch. Im Juni 2018 eröffnete „Chicken & Beer". „Es gibt eine sehr gute und treue Klientel im KaDeWe. Die muss man nur erst mal gewinnen", weiß Pommer. Viele Kunden hätten den langjährig an dieser Stelle existierenden Hühnergrill vermisst. So wie die erstaunlich vielen Damen und Herren, die an diesem Mittag ihre Hühner zum Mitnehmen abholen? Gern auch zusammen mit der einen oder anderen Flasche, die ebenfalls in die schwarze Papiertüte gestellt wird.
Das Grillhuhn ist der unbestrittene Favorit im „Chicken & Beer". Hat der Gast erst einmal den Klassiker für sich entdeckt, ist er aber durchaus offen für Neues. Für das frittierte Huhn etwa, das die Alternative zum gegrillten Vogel oder dem Caesar Salad ist. Haben sich Unterkeule und Flügel erst einmal durch den Pale-Ale-Backteig ziehen lassen, bieten sie saftiges Fleisch im Inneren und den Knusperfaktor über die Bierteighülle. Für das kleine Begleithüngerchen zum Bier reicht die „230 Gramm"-Portion für 6,90 Euro. Wer hungriger oder in der Mehrzahl ist, ordert bis zu 1.100 Gramm für 22,90 Euro und nagt an Bein und Flügel. Die gut 50 Plätze im „Chicken & Beer" sind um die Mittagszeit und ab 17 Uhr jedenfalls richtig gut besetzt. Ganz gleich, ob das gepflegte Craft Beer oder das Huhn in der einen oder anderen Darreichungsform der Ausgangspunkt für einen Besuch sind: Das „Chicken & Beer" ist für beides gleichermaßen ein unkomplizierter Anlaufpunkt. Wer nicht auf seiner Runde durch den sechsten Stock zufällig daran vorbeiflaniert, der weiß spätestens beim Öffnen der Aufzugtür, wie er sich orientieren muss – immer der Nase nach.