Der Deutsch-Rumänische Freundschaftskreis Saarland engagiert sich mit Gütertransporten und verschiedenen Projekten vor Ort seit fast 30 Jahren für hilfsbedürftige Menschen in Rumänien.
Angefangen hat alles mit einer Nikolausspende im Jahr 1988. Damals hatte Harald Euler aus Bildstock im Magazin „Geo" gelesen, dass in Rumänien besonders viele Kinder in Armut leben. Die Spenden, die ihm Eltern für seinen Nikolausbesuch gegeben hatten, wollte er deshalb diesen Not leidenden Familien zukommen lassen. Er wandte sich an Willi Gehring, den er aus Pfadfinderzeiten kannte und der damals bereits Landtagsabgeordneter war.
„Harald Euler war für mich eine Respektsperson, sein Wunsch war mir Befehl", erzählt Willi Gehring mit einem Schmunzeln von seinem einstigen Pfadfinderchef. Von den gespendeten 5.000 D-Mark kauften die beiden Kindernahrung und -kleidung, packten alles in einen kleinen Lkw und fuhren am 15. März 1989 los Richtung Rumänien. Die rund 1.600 Kilometer lange Strecke führte sie durch Deutschland, Österreich, Ungarn nach Rumänien ins Banat.
„Die Not, die wir 1989 erlebten, übertraf all unsere Vorstellungen", erzählt Willi Gehring. „Am meisten erschüttert hat uns das Elend in den Kinderheimen und in den abgelegenen Dörfern. Wir sahen Waisenkinder, die in heruntergekommenen Verwahranstalten vor sich hin vegetierten, Alte und Kranke, die vor Schmerzen schrien, weil sie keine entsprechenden Medikamente bekamen. Es war grauenvoll. Nach dieser ersten Fahrt war uns klar: Wir können die Menschen nicht in diesem Elend zurücklassen."
Am 16. Dezember rollte der zweite Hilfstransport von Bildstock aus dem Saarland nach Rumänen. Der Deutsch-Rumänische Freundschaftskreis Saarland e.V. war geboren. „Wir fuhren damals direkt in die rumänische Revolution hinein", erinnert sich Jürgen Ludwig aus Püttlingen, ein weiterer Helfer der ersten Stunde. „Auf dem Opernplatz in Timisoara standen damals die Panzer. Die eine oder andere Situation war nicht ganz ungefährlich für uns."
Seit 1989 wird kontinuierlich Hilfe aus dem Saarland geleistet. Mehr als 2.800 Tonnen Hilfsgüter wurden in den vergangenen 30 Jahren gespendet. Mit ihren Aktivitäten vor Ort haben die ehrenamtlichen Helfer aus dem Saarland kontinuierlich dafür gesorgt, dass die Not der Menschen gemildert wird. Dass sich Hoffnung, Zuversicht und Zukunftsfreude aufbauen und Wege aus der Armut aufleuchten. Organisiert wird die Hilfe vom Deutsch-Rumänischen Freundschaftskreis Saarland, der 130 ehrenamtliche Helfer im Saarland hat. Auch in Rumänien gibt es in der Region Lipova-Murestal in jedem Dorf ehrenamtliche Helfer des dortigen Partnervereins „Cercul de prietenie roman-germano din zona Lipova/Romania". Insgesamt 48 Kindergärten, Schulen, Heime, stehen auf der Betreuungsliste dieser saarländisch-rumänischen Partnerschaft.
Gesamte Einrichtung für ein Krankenhaus in Lipova
Schnell entwickelte sich anfangs ein Vertrauensverhältnis zwischen den Helfern aus Deutschland und den Bedürftigen vor Ort, im Laufe der Jahre entstanden tiefe Freundschaften. So wohnten zum Beispiel alle Helfer stets bei Familien im Ort, die ihnen mit großer Gastfreundschaft meist das beste Zimmer in ihren einfachen Häusern anboten. Heute wird zwar noch bei Familien, aber auch in kleinen Pensionen Quartier für die Hilfseinsatz-Wochen gemacht.
Wurden anfänglich vor allem Lebensmittel, Kleidung, Schulmaterialien und Kinderspielzeug nach Rumänien transportiert, kamen im Laufe der Jahre Haushaltsgeräte, Sanitäreinrichtungen für 14 Kindergärten und Schulen, Schreibmaschinen, ganze Krankenhauseinrichtungen und Computer für Unterrichtsräume in neun Schulen dazu, um nur die wichtigsten Hilfeleistungen zu nennen. Zum Beispiel stammt die gesamte Einrichtung der Patientenzimmer im 115-Betten-Krankenhaus Lipova aus Gebrauchtspenden der St. Wendeler Marienhaus-GmbH. Auch der Saarländische Schwesternverband hat sich für das rumänische Krankenhaus sehr eingesetzt.
Vor Ort wurden nicht nur Hilfsgüter aus dem Saarland verteilt. Gemeinsam mit der THW-Landeshelfervereinigung Saarland (Technisches Hilfswerk) wurde auch technische Hilfe geleistet: „Wir haben den Menschen geholfen, veraltete Elektroanlagen zu erneuern oder Sanitäranlagen in Schulen zu sanieren", erzählt Bernd Waimer aus Klarenthal, der im Saarland zuständig ist für das große Sammellager des Vereins in Klarenthal. „Wenn ich daran noch zurückdenke, wie die Kinder sich gefreut haben, als wir die alten Plumpsklos durch Wasserklosetts ersetzten. Die waren so dankbar."
Wer nun denkt, der Verein beschränkte sich darauf, ein paar Fliesen, Waschbecken und Elektrostrippen zu verlegen, der irrt sich. Die ehrenamtlichen Helfer des Deutsch-Rumänischen Freundschaftskreises sanierten mit rumänischen Partnern auch Dorfschulen und richteten Ausbildungsplätze ein, wie zum Beispiel eine Schreinerei und eine Auto- und eine Elektrowerkstatt. Entscheidend war die Hilfe aus dem Saarland auch für den Aufbau einer Bäckerei, einer Näherei und eines Gartenbaubetriebes.
Dank der Zusammenarbeit mit dem THW und der früheren Saarbergwerke AG (heute Deutsche Steinkohle) konnte 1999 sogar ein komplettes elektrotechnisches Labor der ehemaligen Fachhochschule für Bergbau, Rohstoffveredlung und Arbeitswissenschaften zur Universität in Arad transportiert werden. Die Fracht bestand aus 15 Tonnen Material im Wert von damals 250.000 D-Mark. Ein Großprojekt, das seinesgleichen sucht.
„Behinderte Kinder haben keine Lobby"
„Dieses Hilfsprojekt spiegelt das Ziel unseres Engagements wieder", erklärt Willi Gehring. „Neben der direkten Nothilfe, also dem Verteilen von Kleider- und Lebensmittelspenden, wollen wir die Bevölkerung zur Selbsthilfe motivieren. Bei allem, was wir bauen, sanieren, reparieren, binden wir die Menschen vor Ort mit ein. Damit stärken wir das Verantwortungsbewusstsein für das Geschaffene und unterstützen die örtlichen Handwerker und Händler. So leisten wir auch einen Beitrag, die Armutswanderung aus Rumänien zu stoppen. Es entsteht Optimismus, wenn wir dabei helfen, dass Kindergärten und Dorfschulen saniert und die Unterrichtsausstattungen besser werden. Zum Beispiel haben wir im Laufe der letzten zehn Jahre, gemeinsam mit unserem rumänischen Partnerverein, insgesamt zwölf Kinderspielplätze gebaut."
Damit das alles klappt, wurde 1995 ein Partnerverein gegründet, der Rumänisch-Deutsche-Freundschaftskreis „Cercul de prietenie roman-germano". „Über ihn organisieren wir die Infrastruktur, die wir für unsere Hilfe vor Ort brauchen: Lkw, Internet, Lagerräume, Personal", sagt Willi Gehring weiter. „So haben wir in Lipova ein Sozialmagazin eingerichtet, ähnlich unserem Sammellager in Saarbrücken, in dem Kleiderspenden sortiert und Pakete passgenau auf die zu unterstützenden Familien zusammengestellt werden. Diejenigen, die Hilfe am nötigsten brauchen, sollen sie auch bekommen."
Genannt werden muss noch ein besonderes Hilfsprojekt in Zusammenarbeit mit der SaarEnergie GmbH und dem THW Saar: die Einrichtung eines kompletten Pumpensystems zur Wasserversorgung von rund 25.000 Einwohnern in den drei Gemeinden Ghioroc, Paulis und Lipova.
Würde Willi Gehring alle Einzelprojekte der vergangenen 30 Jahre aufzählen, würde vermutlich ein abendfüllendes Programm daraus werden. Aber zwei Aktionen will der 69-jährige Betriebswirt aus dem gewerkschaftsnahen CDU-Lager dann doch noch besonders hervorheben.
„In Rumänen haben behinderte Kinder keine Lobby und erst recht wenig Zukunftsperspektiven. Wir haben zurzeit mehr als 70 behinderte Kinder und Jugendliche in der Betreuung unserer Eltern-Selbsthilfe-Initiative Integra, die wir vor zehn Jahren in Arad mit gegründet hatten." Dabei handelt es sich um ambulante Therapiehilfen in einem von der Rumänienhilfe mitfinanzierten Haus. Das Haus Integra ist auch gleichzeitig ein Beratungszentrum für Eltern mit behinderten Kindern. Bis auf eine hauptamtliche Therapiekraft werden alle Arbeiten in dem Selbsthilfe-Projekt ehrenamtlich geleistet. „Und die Eltern leisten alle dazu auch einen finanziellen Beitrag. In Kürze soll das Beratungszentrum durch ein Haus für Ausbildung und Arbeit ergänzt werden."
Auch für Baumaterial wird gespendet
Ein zweites Hilfsprojekt für schwerstbehinderte Jugendliche unterstützen und fördern die Saarländer im abgelegenen kleinen Walddorf Cuvesdia, circa 30 Kilometer von Lipova entfernt. Dort leben 48 Jugendliche, alles Waisen. Etwa die Hälfte könnte wegen ihrer schwersten Behinderung das Bett nicht verlassen. „Seit rund sechs Jahren helfen wir dort in Zusammenarbeit mit dem DRK-Ortsverband Hüttigweiler, der sich mit Spenden sehr stark engagiert. Schritt für Schritt wird das Haus saniert. Aus dem Saarland kommen dazu die Spenden für die Baumaterialien. Die zu leistenden Arbeiten werden vom Personal des Hauses und weiteren rumänischen Freunden ehrenamtlich geleistet", sagt Willi Gehring. Das Haus Cuvesdia, in dem die Jugendlichen wahrscheinlich ihr Leben lang bleiben müssen, wird auch weiter entwickelt und ausgestattet: Es werden Beschäftigungsmöglichkeiten für die Jugendlichen geschaffen, wie zum Beispiel Hühnerzucht und Gartenbau.
„Mir persönlich zu Herzen geht immer wieder die Weihnachtsaktion unseres Vereins. Seit 1989 fahren wir Mitte Dezember mit rund 4.300 Weihnachtstüten nach Rumänien. Das ist eine sehr anstrengende Fahrt, denn dort unten ist es kalt und eisig. Aber die strahlenden Kinderaugen und die dankbaren Eltern sind es allemal wert."