Die preisgekrönte Autorin Daniela Seel hat vor 15 Jahren Deutschlands wichtigsten Lyrikverlag Kookbooks mit dem Buchgestalter und Illustrator Andreas Töpfer gegründet.
Frau Seel, welchen Stellenwert hat die Lyrik im Land der Dichter und Denker heute?
Es gibt sehr viele Menschen, die zu Lesungen kommen, die Lyrik auf Festivals oder im Radio hören. Auch im Internet gibt es fantastische Video- oder Audioangebote. Verglichen damit werden aber nicht allzu viele Lyrikbände verkauft. Die Publikumsverlage klagen, dass ihnen die Käufer wegbrechen. Der Bereich Lyrik, der ohnehin immer nur kleine Verkaufszahlen hatte, ist von dem Rückgang nicht ganz so schlimm betroffen. Er hat immerhin einen festen Kundenstamm.
Wie kann man als Kleinstverlag überleben?
Kämpfen muss man auf jeden Fall. Dogmatisch bin ich dabei aber nicht. Bei jedem neuen Projekt muss man wieder von vorn beginnen.
Ich mache andere Jobs nebenher, um Geld heranzuschaffen. Moderiere Konferenzen auf Englisch, gebe Workshops, lese Korrektur oder übernehme Lektoratsaufgaben für andere Unternehmen, weil es doch immer die eine oder andere unbezahlte Rechnung gibt. Trotzdem läuft es irgendwie. Und das seit immerhin 15 Jahren.
Gewöhnt die Schule Kindern den Sinn für Poesie ab?
Einerseits gibt es viele Initiativen für schreibende Kinder und Jugendliche. Ich selbst bin in der Jury zum „Treffen Junger Autor*innen", einem der Jugendprojekte der Berliner Festspiele. Aber viele Menschen – darunter auch Lehrer – denken, Lyrik sei schwer verständlich. Das finde ich sehr schade. Trotz aller Veränderungen in unserer Gesellschaft bleibt ja ein tiefes inneres Bedürfnis, sich auszudrücken und angesprochen zu werden. Und das kann Lyrik auf eine sehr besondere Weise. Leider erleben wir heute viel soziale Verarmung. Ob Lyrik dem etwas entgegensetzen kann? Ich hoffe es.