In Süddeutschland herrscht Ölknappheit. Das hat vor allem mit dem Pegelstand des Rheins zu tun. Die Preise für Benzin und Heizöl sind jedoch nicht allein deshalb im Moment in astronomischen Sphären. Ein Ende der Krise ist derzeit noch nicht in Sicht.
Wenn es um Heizöl geht, macht Michael Wankmüller keiner etwas vor. Der Schwabe leitet eine Energiehandels-GmbH im baden-württembergischen Nufringen, die seit Jahrzehnten im Ölhandel für eine große Region tätig ist. Und im Lauf der Jahre hat Wankmüller so einiges gesehen. Solche Zustände wie bisher gab es aber selten. Das liegt vor allem daran, dass zweierlei zusammenkommt, wie er sagt. „Neben dem Niedrigwasser auf dem Rhein haben wir Probleme wegen einer Explosion in Bayern." Die Bayernoil-Raffinerie bei Ingolstadt war im September von solch einem Vorfall betroffen. Doch was hat eine Explosion in Bayern mit den Ölpreisen im gesamten süddeutschen Raum zu tun? „Es kam dort zu einem massiven Ausfall", erklärt Wankmüller.
Das Problem: Die bayerische Raffinerie produziert rund 60 Prozent des Ölvolumens für den bayerischen Markt. Die Händler müssen seitdem also ausweichen. „Viele der bayerischen Kollegen kommen deshalb nach Karlsruhe", erklärt Michael Wankmüller. Dort kommt auch das Öl her, mit dem seine Firma handelt, weshalb die Preise automatisch teurer werden. Hauptproblem ist aber dennoch das Niedrigwasser auf der Hauptverkehrsachse für Schiffe.
Doch es geht nur am Rande um die Rohöllieferungen, die per Pipeline nach Karlsruhe gelangen. Vielmehr fertigen Raffinerien auch Vorprodukte für die chemische Industrie. „Die Produktionstanks der Vorprodukte für die chemische Industrie sind voll, weil die Binnenschiffe die Ware nicht abfahren können", erklärt Wankmüller: „Da spielen viele Faktoren mit rein. Auch der, dass wegen des Niedrigwassers viele Schiffe nicht einmal in die Öllager etwa am Stuttgarter Neckarhafen fahren können." 3.500 Tonnen könne ein Schiff transportieren. Derzeit seien es nur noch 700 – also nicht mal ein Drittel der Menge, die ein Schiff laden kann. Florian Kern, Geschäftsführer des Ölhändlers Kuon, der auch in weiten Teilen Baden-Württembergs mit Öl handelt, sieht die größte Problematik ebenfalls nicht im Öl selbst. „Abfallprodukte, die in Karlsruhe bei der Raffinerie von Öl entstehen, können über den Rhein nicht mehr aus den Lagertanks abtransportiert werden", sagt er, „und da es nicht genügend Pufferspeicher gibt, haben wir das Problem, dass die Raffinerie kein neues Heizöl herstellen kann." Die Produktion ist gehemmt, die Preise steigen.
Händler aus Bayern kaufen in Baden
Dass in anderen südlichen Ländern wie Österreich günstigeres Benzin zu haben ist, liegt indes an der dort günstigeren Mineralölsteuer im Vergleich zu Deutschland. Hier blieben also nur Transportalternativen. Doch auf Schienen umzusteigen sei kaum möglich, sind sich Ölhändler sicher. Denn das Streckennetz der deutschen Bahn sei mit vielen kaputten Schienen nicht in der Lage, ein solches Transportpensum zu meistern. Zu wenige Loks, Waggons, Mitarbeiter – die Bahn sei nicht in der Lage, den fehlenden Schiffsverkehr auszugleichen. In Norddeutschland gibt es diese Probleme nicht. Dort gelangt das Öl über Hamburg auf anderem Wege in die Lager – die Preise sind niedriger als im Süden, denn die internationalen Rohölpreise sanken zuletzt sogar.
Dennoch spielt das Rohöl zumindest eine geringe Rolle, sagt der Tankstellenwart Heinz Gusenbauer. Er ist Pächter, hat mit den Preisverhandlungen also nur gering zu tun. „Ich verkaufe mein Benzin auf Provisionsbasis. Bei uns sind die Preise relativ stabil", sagt er, „aber ich habe von Mitbewerbern mitbekommen, die eine deutliche Preiserhöhung haben." Woran das liegt? Das könne man der Presse entnehmen, aber man möge sich doch mal die derzeitigen Rohölpreise ansehen, rät Gusenbauer vielsagend.
Im Mai sorgte der Ausstieg der Vereinigten Staaten aus dem Atomabkommen mit dem Iran dafür, dass die Rohölpreise in die Höhe schossen. Die Barrels (159 Liter) kosteten zum Teil von einem auf den anderen Tag 50 Cent mehr. Damit lagen die Preise plötzlich so hoch wie zuletzt 2014. Zuvor hatten sich die Preise ohnehin schon um zwei Dollar erhöht. Im Iran wuchs im Sommer die Sorge, das Land würde mit deutlich weniger Rohöl als zuvor handeln können. Preise von bis zu 100 Dollar pro Barrel waren in der Folge im Gespräch. Die Benzinpreise schossen in die Höhe.
Iran, der Rhein und die Konzerne
Doch so weit kam es letztlich nicht. Die fehlenden Mengen aus dem Iran ließen sich durch gemeinsame Anstrengungen anderer Ölförderländer ausgleichen. Die Vereinigten Staaten selbst sind inzwischen zum weltweit größten Ölproduzenten aufgestiegen. Außerdem rechnen Experten derzeit damit, dass die globale Konjunkturentwicklung ins Stocken gerate. Das würde dazu führen, dass die Nachfrage nach Öl- und Ölprodukten in den kommenden Monaten etwas schwächer ausfallen dürfte als noch vor einiger Zeit zu erwarten war. Inzwischen sind die Rohölpreise der für Europa wichtigen Marke Brent wieder unter die 70-Dollar-Marke gefallen. Doch an der Tankstelle bekommt das der Verbraucher zumindest in Süddeutschland wegen der Niedrigwassersituation und einem Raffineriebrand in Bayern nach wie vor nicht mit – auch, weil die niedrigen Rohölpreise nicht am Markt ankommen. Florian Kern: „15 bis 20 Cent pro Liter Heizöl zahlt man derzeit hier im Süden mehr im Vergleich zu Norddeutschland." Bei rund 2.000 Litern Heizölverbrauch, den ein Haushalt etwa pro Jahr hat, kommt einiges zusammen.
Niedrigwasser führt der Rhein schon seit Juni. Im heißen Sommer gab es immer wieder Berichte über Fischsterben. Fabriken wie BASF in Ludwigshafen mussten ihre Produktion drosseln, da sie nicht genug Frischwasser aus dem Rhein ziehen konnten. Eine Besserung der Lage ist nicht in Sicht: „Das passiert erst, wenn es wirklich massiv regnet. Wann das der Fall sein wird, weiß aber niemand", sagt Kern. Im schlimmsten Fall wird erst die Schneeschmelze im Frühjahr den Schiffsverkehr auf dem Rhein wieder normalisieren. Massiver, nachhaltiger Regen sei zudem eine Möglichkeit, die Situation zu verbessern. Den Kunden rät Kern deshalb, die Hochpreisphase auszusitzen und auf den Frühling zu warten, wenn noch ausreichend Öl im Tank ist, um über den Winter zu kommen. Es bleibt also nur eines: das Warten auf schlechteres Wetter.