Der Schlussakkord der Formel 1 in Abu Dhabi war eine emotionale Angelegenheit. Fahrer gehen, kommen und wechseln im nächsten Jahr. FORUM hat beim Wüstenklassiker herausgefunden, dass der Transfermarkt vor der neuen Rennsaison 2019 gewaltig in Bewegung geraten ist. Wir geben einen aktuellen Aus- und Überblick.
Feste Größen in der kommenden Formel-1-Saison werden bei ihrem Team weiterhin die beiden Alphatiere Lewis Hamilton und Sebastian Vettel sein: Abu Dhabi-Sieger und Weltmeister Hamilton ist der Leitwolf bei Mercedes, der Deutsche, Vize-Champion und Zweiter beim Wüstenklassiker, bei Ferrari. Für eines der größten Comebacks sorgt nach Niki Laudas Feuerunfall am Nürburgring (1976) Robert Kubica. Acht Jahre nach seinem Horror-Unfall bei einer zweitklassigen Rallye in Italien verpflichtete das Williams-Team den Polen für 2019 als Stammfahrer. Und das, obwohl er mit seinem rechten Arm immer noch stark eingeschränkt ist und die nötige Muskelkraft fehlt. Dank seiner zweistelligen Millionen-Mitgift von polnischen Sponsoren ist der 33-Jährige aufgestiegen.
Seine Rückkehr schreibe eine „Geschichte, an die wohl keiner geglaubt hat", sagte der Lange aus Krakau stolz, schob aber auch ein bisschen schüchtern bei seiner Vorstellung vor dem Schlussakt in Abu Dhabi nach: „Es war eine Reise voller Herausforderungen, es zurück in die Startaufstellung der Formel 1 zu schaffen. Aber was unmöglich schien, fängt an, sich echt anzufühlen. Ich habe nie aufgegeben, nichts ist unmöglich." Dieser Moment sei nach all den Qualen, nach all der Arbeit in den vergangenen Jahren, einer „der größten Erfolge meines Lebens". Vor acht Jahren, am 14. November 2010, hat Kubica sein bis dato letztes von 76 Formel-1-Rennen in Abu Dhabi bestritten. Seine Karriere begann 2006, als er von BMW-Sauber verpflichtet wurde und beim Großen Preis von Ungarn den ehemaligen Weltmeister Jacques Villeneuve aus Kanada ablöste. „Ich habe keine Angst", sagte Kubica jetzt, der seinen einzigen Grand Prix damals in Kanada gewann. „Ich bin wieder da. Ich weiß, was es braucht, um ein Topfahrer zu sein." Der WM-Vierte von 2008 musste aber auch zugeben, dass „die Formel 1 sich seit seinem letzten Rennen verändert hat".
Robert Kubica ging in diesem Jahr bei Williams ja quasi in die Lehre, er kennt die Abläufe und den Wagen. Mit seiner Akribie und seinem absoluten Willen, es allen zu zeigen, überzeugte der bisher erste und einzige Pole in der Motorsport-Königsklasse schließlich die stellvertretende Williams-Teamchefin Claire Williams. Robert habe einen „großartigen Spirit", so die Tochter des legendären Teamgründers Sir Frank Williams über Kubica. Er agiere „intelligent im Cockpit und versteht, was die Ingenieure machen". Mit seiner Erfahrung soll er auch Rookie George Russell anlernen, um Williams gemeinsam zu dem alten Glanz zu verhelfen.
„Ich habe nie aufgegeben"
Bei dem einst erfolgsverwöhnten britischen Rennstall ersetzt der aktuelle 20-jährige Formel-2-Meister Russell den gefeuerten Sergey Sirotkin. Der zweite bisherige Williams-Pilot, Milliardärssohn Lance Stroll, wird kommende Saison für Racing Point Force India fahren. Das Team gehörte seinem schwerreichen Vater Lawrence Stroll, ein Mode-Tycoon, und einem Konsortium. Lance Stroll verdrängt bei Racing Point das Talent Esteban Ocon (22). Der Franzose stammt aus der Mercedes-Nachwuchsschmiede und wird Ersatzmann für Weltmeister Lewis Hamilton und dessen Teamkollege Valtteri Bottas. Ocon bestritt in Abu Dhabi sein 50. Formel-1-Rennen.
Robert Kubica kommt, und ein anderer geht. Mit Fernando Alonso verlässt einer der erfolgreichsten Fahrer die Formel 1. Nach 17 Jahren verabschiedet sich der „Matador im Cockpit" aus der Königsklasse – freiwillig. Darauf legt der stolze Spanier großen Wert. Hartnäckig hielt sich seit seiner Rücktrittsankündigung im August das Gerücht, er ziehe sich aus der Formel 1 zurück, weil er kein konkurrenzfähiges Cockpit gefunden habe. „Ich höre auf, weil ich es möchte und nicht, weil ich dazu gezwungen wurde. Es ist mein freiwilliger Entschluss. Ich bin jetzt 37 Jahre alt und habe in der Formel 1 alles erreicht, was ich erreichen wollte. Und ich habe mehr Geld verdient, als ich es mir je erträumt habe (das „Vermögenmagazin" schätzt seines auf 210 Millionen Euro, Anm. der Red.). Und ich habe ein wundervolles Leben", gesteht Alonso.
Erreicht hat der begnadete Steuerkünstler Alonso, der in der Formel 1 als einer der komplettesten und talentiertesten Fahrer galt, zwei WM-Titel (2005 und 2006) mit Renault, drei Vize-Weltmeisterschaften (2010, 2012 und 2013) mit Ferrari und 32 Grand-Prix-Siege in 312 Formel-1-Rennen. Alonsos Pech war, dass er oft zum falschen Zeitpunkt im falschen Auto saß. Seine letzten vier Jahre im McLaren mit Honda und in dieser Saison mit Renault-Power waren die reinsten Frustjahre. Seinem Ärger, Missmut und der Enttäuschung über Auto und Motor machte Alonso hauptsächlich mit ungehaltenen Funksprüchen, gnadenloser und scharfzüngiger Kritik Luft. „Wo Alonso war, hat er oft verbrannte Erde hinterlassen", sagte ein aktueller Teamchef über den Spanier.
„Ich habe in der Formel 1 alles erreicht"
Im nächsten Jahr zieht es den Spanier aus Oviedo (Provinz Asturien) über den großen Teich nach Amerika. In den USA will er sich seinen großen Traum erfüllen – den Traum von der Triple Crown, der „Dreifach-Krone". Damit dieser Traum in Erfüllung geht, nimmt Alonso im weltberühmten „Nudeltopf" von Indianapolis einen zweiten Anlauf, die prestigeträchtigen 500 Meilen zu gewinnen. Dann hätte er mit der „Dreifach-Krone" ein weiteres, großes Ziel erreicht. Zwei Bedingungen für die „Triple Crown" hat er schon erfüllt: Sieg beim Klassiker Monaco-Grand-Prix, den er schon zwei Mal gewonnen hat (2006 und 2007) und ein Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans (2018). „Es gibt im Motorsport nichts Vergleichbares", sagt einer der größten Charakterköpfe, den die Formel 1 verloren hat. Dann hätte er mehr erreicht als Fünffach-Champion Lewis Hamilton und Vierfach-Champion Sebastian Vettel. Aber die haben es auch erst gar nicht versucht. Der Einzige, der sich die „Triple Crown" aufsetzen konnte, war der Brite Graham Hill.
In allen Ehren wurde Formel-1-Aussteiger Alonso entlassen. Samstags vor seinem letzten Rennen veranstaltete der neue Formel-1-Eigentümer und Rechteinhaber Liberty Media in dem riesigen Fahrerlager für Hunderte von Gästen und Alonso-Freunden einen Barbecue-Abend. Sein letztes Rennen durfte er mit einer Sonderlackierung seines McLaren und seinem Helm in Spezialfarben bestreiten. Als Elfter verpasste er einen WM-Punkt und wurde in der Gesamtwertung 2018 mit 50 Zählern (Hamilton: 408) ebenfalls Elfter. Außer Alonso haben vorerst ihr letztes Rennen in der Königsklasse bestritten: Brendon Hartley, (Toro Rosso), Sergey Sirotkin (Williams), Esteban Ocon (Point Racing) und Marcus Ericsson (Sauber).
Während sich Fernando Alonso beim Wüstenklassiker am Persischen Golf aus der Formel 1 verabschiedet hat, endet für Kimi Räikkönen „nur" eine Ära. Ferraris letzter Formel-1-Weltmeister von 2007 hat in Abu Dhabi zum zweiten Mal dem italienischen Rennstall „arrivederci" gesagt – sagen müssen. Der Finne wurde im Gegensatz zu Alonso gegangen. Nach fünf Jahren (2014 bis 2018) beziehungsweise 109 Rennen für die Roten verzichten die Italiener in Zukunft auf die Dienste von Sebastian Vettels Ex-Teamkollege. Der „Iceman" dockt 2019 mit 39 Jahren für zwei Jahre beim Schweizer Team Sauber an, wo 2001 seine Karriere Fahrt aufnahm. Vettel hätte gern mit seinem Kumpel Kimi weitergemacht. Hatte sich der Heppenheimer immer für seinen treuen Adjutanten stark gemacht, so hatte er bei der Wahl seines neuen Teamkollegen Charles Leclerc kein entscheidendes Mitspracherecht. „Sebastian ist unser Fahrer, er ist nicht der Teamchef, bei allem Respekt", hatte Ferrari-Rennleiter Maurizio Arrivabene ein eindeutiges Machtwort gesprochen und gab unmissverständlich zu verstehen: „Wenn wir über Langzeitpläne sprechen, trifft das Management die Entscheidung. Aus, basta."
„Sebastian ist unser Fahrer, er ist nicht der Teamchef"
Immerhin schmissen die Italiener in Abu Dhabi noch eine tolle Party zum Abschied ihres letzten Weltmeisters, der bereits 2007 zum ersten Mal bei Ferrari anheuerte. Bis einschließlich 2009 blieb der heutige „Alterspräsident" unter den Formel-1-Fahrern in Maranello und bestritt 52 Rennen in Rot, bevor er für Fernando Alonso weichen musste. „Mein Abschied von Ferrari ist ja jetzt nichts Neues, ich hab’ sie ja schon einmal verlassen", nimmt Räikkönen seinen „Rauswurf" ziemlich locker. Der „Iceman" aus Espoo scheidet ganz und gar nicht im Zorn und Groll. Im Gegenteil, er findet noch versöhnliche Worte: „Die Party war eine tolle Überraschung. Es war schön, das ganze Team zusammenzuhaben und ihnen zu danken. Mit diesen Leuten hatte ich gute und schwierige Zeiten. Aber ich habe die WM mit ihnen gewonnen, als Fahrer und zweimal als Team. Ich bin sehr happy, ein Teil davon gewesen zu sein, denn vielen Leuten ist das nicht gelungen." Ein Dankeschön der anderen Art – auf Finnisch.
Ihrem Team „Servus" sagen und die Fronten wechseln werden auch folgende Fahrer: Charles Leclerc (von Sauber zu Ferrari), Daniel Ricciardo (von Red Bull zu Renault), Pierre Gasly (von Toro Rosso zu Red Bull) und Lance Stroll (von Williams zu Racing Point). Einsteiger in die Königsklasse werden der aktuelle Formel-2-Meister George Russell bei Williams, Lando Norris bei McLaren, Antonio Giovinazzi bei Sauber und Alexander Albon bei Toro Rosso sein. Einen Rückkehrer gibt es auch: Der Russe Daniil Kwjat steigt nach einem Jahr Abwesenheit wieder bei Toro Rosso ein. Bis wir Einsteiger, Rückkehrer und die etablierten Fahrer in der Formel-1-Saison 2019 in Aktion sehen werden, vergehen noch genau 100 Tage. Die neue Rennsaison beginnt am 17. März am anderen Ende der Welt – in „Down Under" im australischen Melbourne.