In Hannover konnte Hertha BSC seine Negativserie beenden – am Samstag gegen Frankfurt kann man nun beweisen, dass es auch für eine Trendwende reicht.
Pal Dardai strahlte diese Selbstverständlichkeit nach dem 0:2-Sieg vergangenen Sonnabend in Hannover aus: drei Punkte beim Abstiegskandidaten geholt, kein Gegentor kassiert – alles in Ordnung. Dabei hatte sich vor dem Spiel immerhin eine unschöne Serie von sechs Bundesligapartien ohne Sieg aufgebaut – die Aufgabe an diesem Wochenende zuhause gegen die extrem formstarke Frankfurter Eintracht im Sinn, hätte sich der Negativtrend also zumindest in der Öffentlichkeit auf Krisenstatus ausweiten können. Dies galt es unbedingt zu vermeiden – mit einem Sieg bei den 96ern. Überraschend offenherzig hatte Dardai dabei auf der Pressekonferenz vor dem Spiel über seine Planspiele gesprochen: nämlich über den Einsatz einer Doppelspitze mit Vedad Ibisevic und Davie Selke im Angriff. Letzterer hatte sich in der Vorbereitung schwer verletzt und es bis dahin in der Bundesliga nur zu zehn Einsätzen als Einwechselspieler gebracht. Im Mittelfeld hatte sich Herthas Trainer obendrein dazu entschieden, ohne eine „echte" Nummer 10 anzutreten. Arne Maier und Marko Grujic wechselten sich offensiv in der Schaltzentrale ab und waren gleichzeitig defensiv gefordert, wenn der Gegner den Ball hatte. Diese Lösung ging zu Lasten von Ondrej Duda, der nach starkem Saisonbeginn (sechs Tore nach acht Spieltagen) zuletzt nicht zu überzeugen wusste. In Hannover stand der Slowake so erstmals in dieser Saison nicht in der Startelf – und blieb bis zum Schluss auf der Ersatzbank. In der Verteidigung rückte dazu erwartungsgemäß Jordan Torunarigha an Stelle von Derrick Luckassen ins Team.
Maier und Grujic wechselten sich ab
Gegen die im Tabellenkeller ebenfalls unter Druck stehenden Hannoveraner waren die Berliner dann von Beginn an das stärkere Team – allein: Die bessere Darbietung sollte sich zunächst nicht im Ergebnis ausdrücken. Die unsichere Defensive der Niedersachsen ermöglichte den Blau-Weißen dabei einige aussichtsreiche Spielzüge, die aber nur in drei Fällen zum Abschluss gebracht werden konnten – und das ohne Torerfolg. Marko Grujic dürfte dabei fast etwas irritiert gewesen sein, dass sein Sololauf auf so wenig Widerstand beim Gegner traf – und schoss von der Strafraumgrenze knapp am Tor der 96er vorbei. Dann fehlte Salomon Kalou, nachdem Hertha die Abwehr der Hannoveraner kurzzeitig schwindelig gespielt hatte, bei seinem Abschluss die Präzision. Und Ibisevic haderte mit sich, als er einen Kopfball aus kurzer Distanz nicht im Tor unterbringen konnte – allerdings war die Flanke noch leicht abgefälscht worden. So war das 0:0 kurz vor der Pause eigentlich zu wenig für die Hauptstädter. In derart komplizierten Momenten sind Standardsituationen bisweilen der Schlüssel – und Hertha hatte eine solche auf Lager. Eine Ecke von Valentino Lazaro köpfte der am kurzen Pfosten eingelaufene Torunarigha zur 1:0-Führung ein, noch vor der Pause ganz wichtig – bevor 96-Trainer Breitenreiter seinem Team ein paar motivierende Worte in der Halbzeit mitgeben konnte.
Erwartungsgemäß kamen die Hausherren dann auch mutiger aus der Kabine und verschafften sich phasenweise Feldvorteile. Hertha gelang es aber immer wieder, durch schnelles Umschaltspiel gefährliche Situationen zu kreieren. Doch entweder kam der letzte Pass wie beim Abseitstor von Ibisevic nicht genau genug oder die Chancen wurden vergeben. So blieb das Spiel auf des Messers Schneide – bis zum Geistesblitz von Torunarigha und einem weiteren Blackout in der Verteidigung von Hannover 96. Der nominelle Hertha-Innenverteidiger setzte sich jedenfalls auf Linksaußenposition mühelos gegen Wood durch und flankte den Ball von der Torauslinie so präzise nach innen, dass der allein gelassene Ibisevic mit dem Kopf einnicken konnte, ohne auch nur in die Höhe springen zu müssen. Für den Bosnier war es ein Treffer zu einem besonderen Anlass: Es war sein 300. Bundesligaspiel. Fast ein Drittel davon hat der 34-Jährige inzwischen auch schon für Hertha BSC bestritten, 34 Tore und 15 Vorlagen unterstreichen den Wert des Stürmers an der Spree.
Am Ende also war die Pflicht erfüllt, und „die Null" stand mal wieder – kein Gegentor hatte man zuletzt beim 0:0 in Mainz am siebten Spieltag kassiert, davor hatten drei Partien ohne Einschlag sogar jeweils einen Sieg zur Folge. In Hannover hatte es nun also wieder geklappt – im Zentrum des Interesses stand nach dem 2:0-Sieg so allerdings ein Verteidiger, der vor allem wegen seiner offensiven Aktionen aufgefallen war: Jordan Torunarigha, mit einem Tor und einer Vorlage maßgeblich am Erfolg beteiligt. Ausgerechnet der 21-Jährige, der seit dem dritten Spieltag mit Achillessehnenproblemen ausfiel und bei seinem Comeback in Düsseldorf (1:4) einen ganz finsteren Tag erwischt hatte. Nach seiner Einwechslung zur Pause als Ersatz für den vom Platz gestellten Maximilian Mittelstädt war Torunarigha dann auf der linken Abwehrseite bei der Entstehung von drei Gegentoren involviert. Der Hertha-Coach ließ ihn so im folgenden Spiel gegen Hoffenheim auf der Bank, doch der Youngster arbeitete in der Zwischenzeit auch während der Länderspielpause weiter hart an sich, um zur alten Form zurückzufinden – das sollte sich auszahlen.
Mit Torunarigha in der Startelf noch nicht verloren
Doch nach der Pflicht folgt sogleich die Kür: denn gegen Eintracht Frankfurt am Sonnabend (Anstoß: 18.30 Uhr) müssen sich die Berliner mit einem Kontrahenten ganz anderen Kalibers auseinandersetzen. Die Hessen sind nicht nur der einzige Gegner in Herthas Restprogramm im Jahr 2018, der vor den Berlinern in der Tabelle steht – sie hatten auch bis letzten Sonntag eine großartige Serie vorzuweisen. Seit Ende September verlor das Team des österreichischen Trainers Adi Hütter nicht nur keines seiner elf Pflichtspiele, sondern konnte sage und schreibe zehn davon sogar gewinnen. Dann verlor die Eintracht am vergangenen Spieltag zwar gegen Wolfsburg erstmals wieder eine Partie – Pal Dardai wäre dennoch aber gut beraten, Jordan Torunarigha auch am Samstag wieder von Beginn an aufzustellen. Mit dem „Matchwinner von Hannover" in der Startelf hat Hertha BSC in dieser Spielzeit schließlich noch nicht verloren.