Die vier Hazard-Brüder aus Belgien erobern den internationalen Fußball. Der älteste ist schon ein Weltstar, der zweite sorgt gerade in der Bundesliga für Furore.
Dass aus einer Familie durchaus auch mal mehrere talentierte Fußballer kommen können, weiß man in Deutschland nur zu gut. 1954 wurden mit Fritz und Ottmar Walter zwei Brüder zu „Helden von Bern". In den 70er- und 80er-Jahren wurden in den Kremers-Zwillingen Erwin und Helmut, den Förster-Brüdern Karl-Heinz und Bernd, den Rummennigges Karl-Heinz und Michael, Klaus und Thomas Allofs sowie Uli und Dieter Hoeneß zahlreiche Brüderpaare zu Nationalspielern. Insgesamt 14 Mal schafften es in der DFB-Geschichte zwei Brüder zu Nationalmannschafts-Ehren, zuletzt die Bender-Zwillinge Lars und Sven.
In Belgien aber befindet sich gerade eine Familie auf dem besten Wege, all diese Erfolge in den Schatten zu stellen. Schon 2015 schrieb der „Spiegel" in einer Reportage, die Hazards seien „die bekannteste Kickerfamilie Europas". Und damals standen sie noch am Anfang. Inzwischen ist einer der vier Brüder, Eden Hazard (27), ein Weltstar. Einer, der in Mönchengladbach spielende Thorgan (25), auf dem besten Wege zu einem internationalen Klasse-Spieler. Der dritte, Kylian (23), Profi beim belgischen Erstligisten Cercle Brügge. Und mit Ethan (15) ist ein vierter auf gutem Wege dahin.
Im Oktober sorgten die beiden ältesten Hazard-Brüder schließlich für eine ganz besondere Konstellation. Der für Chelsea spielende Eden stand an der Spitze der Torschützenliste in England, Thorgan lag gleichzeitig auf Platz eins in der Bundesliga. Und bald könnten die beiden, wie manche schon mutmaßen, einen weiteren besonderen Brüder-Rekord brechen: nämlich den, das teuerste Familien-Paar zu werden. Während einer Transferperiode liegt der Rekord bisher bei 105 Millionen für Paul und Mathias Pogba 2016. Wobei Mathias bei seinem Transfer von Partick Thistle in Schottland zu Sparta Rotterdam in den Niederlanden ablösefrei war – Paul kostete beim Wechsel von Juventus Turin zu Manchester eben 105 Millionen. Die beiden Hazard-Brüder sind derzeit heiß umworben. Eden schon seit Jahren von Real Madrid, das im kommenden Sommer wohl bereit wäre, mehr als 100 Millionen Euro hinzulegen. Und Thorgan außer von Vereinen aus Spanien und England auch von Borussia Dortmund, wo sein einstiger Gladbacher Entdecker Lucien Favre heute Trainer ist. Thorgan dürfte wohl mindestens 25 bis 30 Millionen Euro kosten.
An der Spitze der Torschützenlisten
Und da Thorgan mit Stand vom 4. Dezember mit 8:7-Liga-Toren führte, könnte er vielleicht endlich mal die jährliche Wette gegen seinen Bruder gewinnen. „Es gibt seit Jahren eine Art Wettbewerb zwischen uns: Wer am Ende einer Saison weniger Tore geschossen hat, der muss den anderen am Saisonende zum Essen einladen", hatte Thorgan dem „Sportbuzzer" verraten.
In den letzten Jahren hat ihn diese Wette sicher einiges gekostet. Denn Eden Hazard ist nur zwei Jahre und zwei Monate älter, doch er war seinem Bruder immer weit voraus. Manch einer spottete deshalb, Thorgan sei noch „Jenseits von Eden". Heute hat Eden mit mehr als 500 Profispielen rund doppelt so viele absolviert wie sein Bruder und mit 147:64 fast dreimal so viele Tore erzielt. In Sachen Länderspielen führt er mit 98:19, bei den Länderspieltoren mit 27:3. Titel hat Eden schon sieben gewonnen, Thorgan noch keinen. Edens Marktwert liegt laut transfermarkt.de bei 150 Millionen Euro, der von Thorgan bei 25. Kurios aber: Wenn die beiden Brüder zusammenspielten – Gegner waren sie im Profibereich übrigens noch nie –, dann waren sie etwa gleich gut. In den acht Spielen, in denen sie zeitgleich für Belgien auf dem Platz standen, brachte es Eden auf drei Tore und drei Vorlagen, Thorgan bringt es auf drei Treffer und zwei Assists.
Doch wieso sind die beiden (oder die drei oder sogar vier) so gut? Zum einen haben sie natürlich gute Fußball-Gene. Vater Thierry schaffte es immerhin in die zweite belgische Liga. Allerdings nicht wie seine Kinder als Offensivspieler, sondern als Libero. Mutter Carine schaffte es sogar bis in die erste belgische Liga, sie war die Stürmerin in der Familie. Sie beendete ihre Karriere, als sie mit Eden schwanger war und witzelte später, Eden habe „schon Tore geschossen, als er noch gar nicht auf der Welt war".
Man habe die Kids aber nie zum Fußball gedrängt, berichtete der Vater 2015 bei dem „Spiegel"-Besuch. „Wir haben uns nicht unbedingt auf Fußball fokussiert, sondern eher dafür gesorgt, dass sie viel Fahrrad fahren und schwimmen gehen", sagte er. „Wir haben die Jungs auf dem Weg zum Profifußball begleitet, was aber auf ihrer eigenen Entscheidung beruhte. Wir haben die Kinder überhaupt nicht in diese Richtung pushen müssen. Wir haben uns damals auch nicht vorstellen können, dass sie so schnell so gut werden würden." Dass die Kinder den Eltern trotzdem nacheiferten, findet er irgendwie logisch: „Wenn wir Musiker gewesen wären, würden unsere Jungs wahrscheinlich heute Musik machen."
Auf die logische Frage, welcher seiner Sprösslinge denn nun der begabteste sei, antwortet der Vater salomonisch. Eden sei der talentierteste unter ihnen, Thorgan der fleißigste und Kylian ein Mix aus beiden. Der Jüngste war damals erst elf. Eines war dem Vater aber sehr wichtig: „Es gab nie Neid. Die Jungs haben sich untereinander nie verglichen." Eden versicherte mal: „Wir Brüder bewerten uns untereinander nicht, wir stehen zusammen. Für mich sind die anderen drei die Stars."
„Es gibt seit Jahren eine Art Wettbewerb"
Doch natürlich eiferten die Jüngeren immer den Älteren nach. Als Eden bei der EM 2016 spielte, für die er selbst damals noch nicht nominiert wurde – bei der WM 2018 war er nun zumindest als Ergänzungsspieler dabei –, sagte Thorgan dem „Express": „Eden ist mein Vorbild, mein Idol. Für mich ist er einer der besten Fußballer auf diesem Planeten. Er ist ein Genie auf dem Platz."
Die Brüder neiden sich nichts. Wie Thorgan mal verriet, haben sie eine eigene kleine WhatsApp-Gruppe, in der sie offenbar Erlebnisse austauschen und sich gegenseitig anfeuern. Vor allem aber sei ihr Antrieb immer die Freude gewesen, versicherte Eden mal: „Wir haben als Kinder nicht nur Fußball gespielt, um zu gewinnen, sondern um es zu genießen. Bis heute ist das Gewinnen nicht mein Hauptantrieb. Ich will Spaß haben." Und sie halten alle zusammen. Dem „Daily Express" sagte Eden mal: „Die Familie ist für mich das Wichtigste. Wenn ich mich zwischen Familie und Fußball entscheiden müsste, da hätte ich keine Wahl. Mit dem Fußball aufzuhören, wäre okay."
Was ihnen sicher auch geholfen hat, ist der Einfluss der französischen Jugend-Ausbildung. Aufgewachsen sind die Hazards, die wie der Vater übrigens keine 1,75 Meter groß und damit für Profi-Fußballer ausgesprochen klein sind, etwa 50 Kilometer von der französischen Grenze entfernt in Wallonien. Eden wechselte mit 14 Jahren über die Grenze nach Lille, wo er übrigens mit 16 schon sein Erstliga-Debüt gab. Thorgan wechselte ebenfalls mit 14 in das Internat des anderen Großclubs direkt an der Grenze, des RC Lens, wo er dann mit 18 in der Zweiten Liga debütierte. Beide fühlten sich, so sagte Eden einmal, als Belgier, hätten aber immer die französische Nationalmannschaft unterstützt. Weil sie als 1991 und 1993 geborene Jungs eben sehr von der französischen Weltmeister-Mannschaft von 1998 um Zinédine Zidane geprägt worden seien. Kylian wechselte mit 15 ebenfalls in die Akademie von Lille, wo er sich allerdings nicht durchsetzen konnte und zurück nach Belgien zum Zweitligisten Royal White Star Brüssel ging. Junior Ethan spielt noch in der belgischen Heimat. Aber offenbar hat ihn Chelsea auf dem Zettel, jener Verein, bei dem Eden spielt, von dem Thorgan einst verpflichtet und direkt weiterverliehen wurde und für dessen Zweite Mannschaft auch Kylian schon mal kickte.
So laufen immer wieder die Fäden der vier Hazards zusammen. Und deshalb ist der größte Wunsch von Eden auch logisch: „Es wäre ein Traum, mit all meinen Brüdern in der Nationalmannschaft zu spielen."