Während seiner politischen Karriere hatte Helmut Schmidt sein Privatleben weitgehend unter Verschluss gehalten. Nach Ende seiner Kanzlerschaft und im fortschreitenden Alter gab er jedoch bereitwillig immer mehr Intimes preis – von Affären bis hin zu künstlerisch-musischen Vorlieben.
Helmut Schmidt war ein wahrer Meister der Selbstinszenierung, der im Verlaufe seiner steilen Karriere kaum Einblicke in allzu Privates erlaubte. Dass sich hinter dem Macher und politischen Alphatier auch ein empfindsamer, kunstliebender Familienmensch mit allerlei Neigungen, Fähigkeiten und Schwächen verbarg, wurde der deutschen Öffentlichkeit erst geraume Zeit nach Ende seiner Kanzlerschaft bewusst. Letztlich trug es sicher dazu bei, dass Schmidts Popularität immer weiter anwuchs, weil es das Bild des harten, unnachgiebigen Staatsmannes um eine neue, bis dahin weithin verborgene Facette erweiterte.
Im Verlaufe von 33 Jahren nach Ende seiner Amtszeit erlaubte Schmidt in unzähligen TV-Auftritten, Interviews und in seiner Kolumne „Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt" sowie seinen Büchern immer tiefere Einblicke in sein privates Leben. War er als Regierungschef lediglich respektiert worden, liebte die Mehrheit der Deutschen ihn plötzlich und sah in ihm den geradezu allwissenden Erklärer der Welt. Sogar, dass er seine viel bewunderte 68 Jahre währende Vorzeigeehe mit Loki durch späte Bekenntnisse der Untreue befleckte, verziehen ihm die Menschen. In seinem 2015 veröffentlichten Buch „Was ich noch sagen wollte" beichtete er seine langjährige Beziehung zu einer 17 Jahre jüngeren Frau namens Helga. Die Affäre hatte in den 1960er-Jahren zu einer schweren Ehekrise geführt. Ein Loki-Biograf berichtete sogar von einer ernsthaften Erkrankung der Ehefrau 1964 und machte zudem Schmidts Untreue für Lokis gesundheitlich bedingte Beendigung ihrer Lehramtstätigkeit 1966 verantwortlich. Nur dank Lokis grenzenloser Toleranz konnte die Ehe aufrechterhalten werden, weil sich Schmidt zwar keinesfalls von seiner Frau trennen, aber auch nicht seine Geliebte endgültig aufgeben wollte.
Gut drei Monate nach Helgas Tod und zwei Jahre nachdem Loki gestorben war, präsentierte der 93-jährige Schmidt der verblüfften Öffentlichkeit im August 2012 mit Ruth Loah eine neue Lebensgefährtin. Er kannte sie schon seit 1955, und sie hatte jahrzehntelang – auch als vertraute Mitarbeiterin des Politikers – zum engsten Umfeld der Schmidts gehört. In der schwersten Zeit nach Lokis Tod im Oktober 2010 war sie ihm eine große Stütze gewesen.
Mit Helmut Schmidt, der hanseatischen Institution, waren zeitlebens drei wesentliche persönliche Markenzeichen gleichsam untrennbar verbunden. Man kannte ihn nur mit seinem akkuraten Seitenscheitel, den er sich regelmäßig alle vier Wochen vom Hamburger Friseur seines Vertrauens gleichzeitig mit einem klassischen Fassonschnitt samt langem Deckhaar und kurzen Konturen perfekt ausrichten ließ.
Schmidt galt auch als passionierter Segler
Dass Schmidt zeit seines Lebens ein Hamburger durch und durch blieb, dokumentierte er auch regelmäßig durch das Tragen der in echter Handarbeit von einem Hamburger Traditionshaus gefertigten Elblotsenmütze: marineblauer Stoff, achteinhalb Zentimeter hoch, viereinhalb Zentimeter breites Eichenlaubblatt über dem Steg, mit gedrehter oder geflochtener Kordel und immer in Größe 58,5. Eigentlich werdem diese Mützen für Hamburger Lotsen, die eine Kopfbedeckung mit besonderem Halt und geringem Windwiderstand auf der oftmals stürmischen Elbe benötigten, entwickelt. Von Schmidt wurde sie womöglich adaptiert, weil ihm Bismarcks Metapher aus dem Jahr 1890 vom Lotsen, der das Staatsschiff auch durch die größten Stürme sicher zu führen vermag, sicherlich nicht unbekannt war. Man denke nur an den Wahlkampf 1980 mit dem Slogan „Der Lotse muss bleiben".
Doch das wichtigste Requisit, für ihn gleichsam auch ein unersetzliches Arbeitsmittel, war zunächst die Pfeife, später seine Zigaretten. Zu ihnen bekannte er sich auch noch öffentlich, als das Paffen in Deutschland immer mehr geächtet wurde. Rauchverbote interessierten ihn nicht, selbst im Fernsehen bei Talkshows galt für ihn meist eine Ausnahmegenehmigung – im Notfall griff er auf Schnupftabak zurück. Die Menthol-Zigarette „Reyno White" war seine Stammmarke, im Schnitt soll er sich täglich 40 Glimmstengel reingezogen haben. Auf den Menthol-Geschmack war er in den 1960er-Jahren gekommen, als er bei Besuchen in Ruhrpott-Zechen den von den Kumpels unter Tage konsumierten, mit Menthol parfümierten Schnupftabak probiert hatte. Zwei ernsthafte Versuche, von der Sucht loszukommen, waren 1966 und 1982 kläglich gescheitert.
Passend zum Bild des hanseatisch-maritimen Menschen war auch die Wahl seines Lieblingssports, denn Schmidt galt als passionierter Hobby-Segler. Mit seiner Conger-Kunststoffjolle zog es nicht auf die Weiten des Ozeans hinaus, sondern er ging regelmäßig seinem Hobby auf dem rund 20 Kilometer südwestlich von Kiel gelegenen Brahmsee nach, wo das Ehepaar Schmidt auf einem 3.000 Quadratmeter großen Grundstück ein Ferienhaus-Domizil errichtet hatte. Hier wurden auch schon mal Staatsgäste wie Olaf Palme oder Bruno Kreisky empfangen, aber meist gelesen, gegärtnert oder auch Schach gespielt. Denn das Brettspiel, in dessen Geheimnisse er schon im Grundschulalter von seinem Vater eingeweiht worden war, zählte auch zu den liebsten Freizeitbeschäftigungen des Helmut Schmidt. Mit Fußball hatte er nichts am Hut.
Ernst war es ihm mit seiner Liebe zur Musik und Kunst. Im Malen wurde ihm offiziell Talent bescheinigt. Im Klavierspiel hatte er es zu beachtlichem Können gebracht, weshalb er sich sogar 1981 und 1985 zu hochkarätigen Schallplattenaufnahmen von Werken Mozarts und Bachs an der Seite von Profis wie Justus Frantz oder Christoph Eschenbach überreden ließ. Er pflegte Freundschaften zu berühmten Dirigenten wie Leonard Bernstein oder Herbert von Karajan. Neben den Klassikern mit Bach an der Spitze schätzte er aber auch Jazz und Swing oder die Songs der Beatles. Zudem war er 1971 die treibende Kraft bei der Etablierung der Big Band der Bundeswehr.
In Sachen Kunst war Schmidt 1976 der Initiator der Ahnengalerie im Kanzleramt und ließ sein eigenes Porträt ausgerechnet vom DDR-Maler Bernhard Heisig im neo-expressionistischen Stil 1986 fertigstellen. Für den Vorplatz des Bonner Kanzleramtes hatte er 1979 vom Briten Henry Moore die monumentale Bronzeplastik „Large Two Forms" gestalten lassen. Ein besonderes Anliegen war ihm die späte Ehrenrettung für von den Nazis geächteten Künstlern wie Emil Nolde, August Macke, Ernst Barlach, Käthe Kollwitz oder Max Ernst. Deren Werke zierten teils Schmidts Amtsräume oder wurden auch in Ausstellungen gewürdigt.