Nach seiner Kicker-Laufbahn wurde Max Merkel der erste Star-Trainer der jungen Fußball-Bundesliga mit autoritär-diktatorischem Führungsstil. Sein zynischer Sarkasmus blieb auch in seiner dritten Karriere als gefürchteter „Bild"-Kolumnist sein Markenzeichen. An diesem Freitag wäre er 100 Jahre alt geworden.
Er war eine Art Fußball-Diktator. Schon zu Zeiten, als es hierzulande den Beruf des Profi-Fußballers noch gar nicht gab, sondern nur halbprofessionelle Lizenzspieler, quälte er seine Spieler mit bis zu vier Stunden täglichem Training und hammerharten Saisonvorbereitungslagern. „Keiner mag mich, alle wollen mich" ‒ so charakterisierte sich Max Merkel einmal selbst. Der am 7. Dezember 1918 geborene Wiener war schon als Spieler beim österreichischen Rekordmeister Rapid Wien als eisenharter Verteidiger ebenso gefürchtet wie bewundert. Als Trainer arbeitete er stets „Mit Zuckerbrot und Peitsche", wie er seine 1968 publizierte Autobiografie selbst betitelt. Und das mit Erfolg. Er feierte vier Meistertitel mit unterschiedlichen Vereinen, doch trotz seiner Erfolge war er nirgendwo beliebt, sondern allenfalls respektiert. Meist wurde er irgendwann unrühmlich vom Hofe gejagt.
Mit seiner autoritären Arbeitsmethode konnte er zumindest kurzfristig schier unglaubliche Triumphe feiern, und diese ließ er sich als mit Abstand bestbezahlter Trainer der Fußball-Bundesliga auch fürstlich honorieren. Langfristig war jedoch in jedem Verein die Revolte programmiert. Ständige Verbal-Diffamierungen trugen dazu ebenso bei wie Merkels Praxis, aufmüpfige Leithammel im Kader zu degradieren oder auszusortieren – worunter letztlich die Qualität der Mannschaft zu leiden hatte. Die Führungsspieler ließen sich eben nicht einfach gleichwertig durch unerfahrene Jungspunde ersetzen, obwohl Max Merkel dies immer wieder vergeblich versuchte. Dafür gründete er während seiner Nürnberger Traineranstellung Ende der 60er-Jahre sogar das erste Fußball-Internat der Liga.
Verfechter von Zuckerbrot und Peitsche
Daraus resultierende Rückschläge nahm er in Kauf. Er war der erste Prototyp des neuen Profi-Fußballtrainers, dem es vor allem auch ums Geldverdienen ging, der als Visionär den Fußball schon frühzeitig als Show-Geschäft sah und dem zur Selbstdarstellung jedes Marketingmittel recht war. Dafür ließ er sich auch schon mal im Gladiatorenkostüm oder als die große Trommel schwingender Zampano ablichten. Sein ewiges Credo lautete: „Spieler vertragen kein Lob, sie müssen ständig die Peitsche im Nacken spüren." Und wenn das mal aus seiner Sicht nicht ausreichte, war er auch zu Drastischerem bereit. So schockte er beispielsweise seine Nürnberger Spieler durch den Auftritt eines Zirkustigers auf dem Trainingsplatz, um ihnen den nötigen Biss vorzuführen.
Bissig und zynisch-sarkastisch blieb er auch in seiner dritten Karriere von 1979 bis zu seinem Tod am 28. November 2006. Als Fußball-Kolumnist der „Bild"-Zeitung wurde er von seinen Lesern geliebt, doch von den meisten Spielern gehasst. Vor allem seine vor jeder Halbserie sommers wie winters veröffentlichte Kolumne „Max werkelt wieder" wurde stets mit Spannung erwartet. Darin ging es ihm nicht um wirkliche Prognosen oder fachliche Taktikanalysen, sondern um eine fast schon im Stil mancher heutiger gehässiger Internet-Foren gehaltener Sezierung von Einzelpersönlichkeiten. Insbesondere seine persönlichen Intimfeinde, die Trainer Ernst Happel oder Otto Rehhagel, überschüttete er mit Spott, Bosheit oder Häme. Und auch der damalige Bundestrainer Jupp Derwall wurde gern und oft zur Zielscheibe Merkel’schen Spotts.
Seine bösen Sprüche sind bis heute legendär
Dem Lästermaul und Boulevard-Grantler brachten seine zynischen Kolumnen und Artikel die „Beliebtheit eines Großwildjägers im Tierschutzgebiet" ein, wie es die „Süddeutsche Zeitung" einmal formulierte. Über Mario Basler etwa schrieb Merkel: „Basler ist die teuerste Parkuhr der Welt. Er steht nur rum ‒ und die Bayern stopfen das Geld rein." Und über Otto Rehhagel: „Früher hatte er Mühe, Omelett von Hamlet zu unterscheiden." Über Trainer Udo Lattek: „Ihm haben sie das Blut abgenommen. Ergebnis: reiner Alkohol, verschmutzt durch rote Blutkörperchen." Über Bundesliga-Kicker allgemein: „Die wichtigste Übung für einen Bundesliga-Profi ist Kopfschütteln. Das muss er perfekt beherrschen, falls ihn jemand fragt, ob er Fußball spielen kann."
Überraschend dabei ist, dass Merkel von seriösen Blättern durchaus mit Lob für seine literarischen Erzeugnisse bedacht wurde. Der „Spiegel" bezeichnete seinen Stil einmal als „textgewordene Operette". In der „Zeit" war zu lesen: „Seine Spott- und Schmähreden gehören zu den wenigen Satiren, die der deutsche Fußball freiwillig hervorgebracht hat. Ein Entertainer und famoser Schurke, dessen einzige Gemeinheit darin besteht, in einem zynischen Gewerbe ganz offen und brutal die Rolle des Zynikers zu spielen." Erst in seinem publizistischen Spätwerk ab der Jahrtausendwende wurde Merkel etwas zahnloser. Vor allem, um Gerichtsverfahren mit inzwischen durch Anwälte und Spielerberater bestens gewappneten Kickern zu vermeiden.
Max Merkel war als Sohn eines aus Preußisch-Schlesien stammenden Berufsoffiziers und einer Wienerin im Bezirk Simmering aufgewachsen. Schon als kleiner Junge war er begeisterter Anhänger von Rapid Wien, weil seine Großeltern eine Gastwirtschaft im Stadtteil Baumgarten betrieben – unweit des Vereinsgeländes des Hüttersdorfer Traditionsvereins. Als Rapid mittels einer Zeitungsannonce Jungspieler suchte, konnte sich Max aufgrund seiner Körpergröße und robusten Statur durchsetzen und wurde zum Verteidiger deklariert. Die Eltern bestanden aber darauf, dass ihr Filius zunächst einen richtigen Beruf erlernen sollte. Entsprechend studierte er an einem Polytechnikum acht Semester lang und machte seinen Abschluss zum Maschinenbau-Ingenieur.
Bei Rapid Wien Meister als Spieler und Trainer
Anschließend war der Weg frei für die Kicker-Laufbahn. Doch schon nach seinem ersten Spiel im Trikot von Rapid 1937, das mit einer Klatsche gegen den Lokalrivalen Wacker Wien endete, wurde er aus dem Kader gestrichen und wechselte zum Wiener Sport-Club. Am 27. August 1939 debütierte er in der „großdeutschen" Nationalmannschaft unter Sepp Herberger. Danach wurde er zum Wehrdienst eingezogen und konnte erst nach dem Krieg seine Karriere fortsetzen. Er heuerte wieder bei Rapid Wien an, wo er an der Seite von Ernst Happel im Verteidigungsbollwerk vier Meistertitel gewann. Sein einziges Länderspiel für Österreich bestritt er im Juni 1952. Seine aktive Laufbahn beendete er 1954 im Alter von 35 Jahren spektakulär mit einem direkt verwandelten Eckball.
Seine erste Trainerstation führte ihn 1954 in die Niederlande zum HBS Crayenhout in Den Haag. Doch schon nach wenigen Monaten wurde er zum niederländischen Bondscoach (Nationaltrainer) ernannt und feierte unter anderem im März 1956 einen Sieg gegen Weltmeister Deutschland. Danach führte ihn sein Weg zurück nach Österreich, wo er mit Rapid Wien in der Saison 1956/1957 den Titel gewann, aber bald schon wegen Meinungsverschiedenheiten mit der Clubführung entlassen wurde. Seine erste Station in Deutschland wurde Borussia Dortmund, wo er das Team völlig umkrempelte und trotzdem 1961 das Endspiel um die deutsche Meisterschaft erreichte. Im Sommer 1961 übernahm er den Trainerposten bei 1860 München. Er führte die Weiß-Blauen in die Bundesliga, wurde mit ihnen 1964 Pokalsieger, erreichte mit den Löwen 1965 das Finale des Europapokals der Pokalsieger und errang schließlich mit 1860 im Jahr 1966 die deutsche Meisterschaft. Danach legte er sich mit seinen vermeintlich satten Spielern derart an, dass es fast zu Handgreiflichkeiten gekommen war.
Meisterehren in drei verschiedenen Ländern
Daraufhin musste er seine Zelte in München abbrechen und übernahm Anfang Januar 1967 den in Abstiegsgefahr schwebenden 1. FC Nürnberg. Er rettete den Club und führte ihn in der folgenden Saison 1968 sensationell zum Meistertitel. Nach diesem Erfolg machte er Tabula rasa, feuerte Top-Torjäger und Spielmacher, woraufhin die Mannschaft ans Tabellenende abrutschte und er selbst seinen Hut nehmen musste. Den Abstieg des amtierenden Champions verhinderte seine Entlassung allerdings nicht mehr.
Im Sommer 1969 heuerte Max Merkel dann in Spanien an. Zunächst beim FC Sevilla, und mit den Andalusiern wurde er immerhin Liga-Dritter. Dieser Erfolg verhalf ihm zu einem Engagement bei Atlético Madrid. Mit dem Hauptstadtclub gelang ihm 1972 der Pokalsieg und 1973 die Meisterschaft. Und trotz der Erfolge wurde er schon einen Tag nach dem Titeltriumph entlassen – wegen unüberbrückbarer Differenzen.
Damit fand auch die Glanzzeit des Trainers Max Merkel ein Ende. Die nachfolgenden Engagements bei 1860 München, Schalke 04, dem FC Augsburg, dem Karlsruher SC, als Sportdirektor der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft und schließlich 1983 beim FC Zürich sind kaum mehr erwähnenswert. Wohl aber die Anekdote, dass der damalige Boss des FC Bayern München, Wilhelm Neudecker, Max Merkel im Frühjahr 1979 in einer Nacht-und-Nebel-Aktion als neuen Cheftrainer verpflichtet hatte. Daraufhin hatten allerdings die Bayern-Stars unter Führung von Sepp Maier und Paul Breitner mit Streik gedroht – erfolgreich. Merkel dürfte das allerdings ziemlich schnuppe gewesen sein. Er soll zwei Jahre lang Gehalt vom FC Bayern bezogen haben – ohne Gegenleistung.