Mit dem Flugzeug direkt ins Eigenheim rollen – das verspricht eine Gruppe von Investoren, die in Norddeutschland einen ehemaligen Militärflugplatz umbaut. Noch existiert das „Fliegerdorf" nur auf dem Papier.
Auf dem Werbeplakat erstrahlt der Müritz Airpark schon in voller Schönheit. Man sieht eine Landebahn, viel Grün, kleine Seen und Bäume. Die Einfamilienhäuser sind durch verschlungene Wege miteinander verbunden. Nicht etwa Autos fahren in dieser Miniaturwelt von Haus zu Haus: Im Airpark dominiert das private Flugzeug. Wenn die Bauarbeiten abgeschlossen sind, sollen die gut betuchten Bewohner ihr Eigenheim von der Luft aus erreichen – und direkt bis ins Wohnzimmer rollen.
Ein verrückter Traum? Eine Utopie? Oder gar Wahnsinn? Am Anfang wurde Berthold Held für seine Vision oft belächelt. Und auch heute – sieben Jahre, nachdem der Müritz Airpark offiziell vorgestellt wurde – bleiben viele Einheimische skeptisch. Held ist einer von vier Investoren, die ein Fliegerdorf nach amerikanischem Vorbild bauen wollen. Dazu haben sie einen großen Teil des ehemaligen Militärflugplatzes Rechlin-Lärz in Mecklenburg-Vorpommern erworben. Der Kaufpreis für das 250 Hektar große Gelände betrug laut Held 750.000 Euro. „Aber wir mussten allein für die Sanierung noch einmal zwei Millionen Euro ausgeben", erklärt der 68-Jährige. „Im Boden gab es viele Altlasten."
Bis 1993 hatte die russische Armee ihr 19. Jagdbomber-Regiment in Lärz stationiert. Nach dem Abzug haderte die 500-Einwohner-Gemeinde lange mit ihrem betonierten Erbe. Obwohl der zivile Flugbetrieb bis heute läuft, steht ein großer Teil des Geländes die meiste Zeit leer. Gelegentlich finden Musikfestivals, Trödelmärkte oder Slalom-Fahrten auf dem Vorfeld statt. Auch ein privates Museum und ein Kulturverein haben sich am Rande des Areals angesiedelt. Ein umfassendes Konzept zur Nutzung aber fehlte – bis Berthold Held und vier weitere Gesellschafter, allesamt Piloten, ihre Idee präsentierten.
Einheimische bleiben skeptisch
Eine wichtige Rolle spielen die sogenannten Flugzeug-Shelter. Die domförmigen Betonbögen dienten den Kampfjets als überdachte Parkplätze. In Zukunft sollen sie sich in Luxuswohnungen verwandeln, deren unterste Etage als Flugzeug-Garage dient. Der Zustand der Shelter ist höchst unterschiedlich: Manche sehen aus wie frisch gebaut, andere sind mit Gras, Büschen und Bäumen überwuchert. „Bei einigen ist eine Beton-Sanierung nötig", sagt Held. Bei anderen reiche eine gründliche Dämmung.
Held ist sich sicher: Die Anbindung an die Müritz – der größte Binnensee Deutschlands – und die weitläufige Landschaft werden eine zahlungskräftige Klientel anziehen. „Ein Haus bauen, das kann doch jeder", meint der Luftfahrt-Enthusiast. „Das hier hat seinen ganz eigenen Charme." Zumal jedes Grundstück 4.300 bis 6.000 Quadratmeter umfasse – Zugang zum eigens angelegten Badesee inklusive. Acht von zwölf Sheltern seien bereits verkauft, sagt Held.
Doch das ambitionierte Projekt hat eine Kehrseite: Es kommt kaum voran. Auch sieben Jahre nachdem die Investoren den Flugplatz gekauft haben, ist vom Fliegerdorf kaum etwas zu sehen. Zwar ist das Gras gemäht und der Platz wirkt insgesamt gepflegt. Auch sind einige Shelter bereits mit Bauplanen verhangen; innen stehen Propangasflaschen, Holzpaletten und Zementsäcke. Die meisten Bauwerke sehen jedoch aus, als sei die Rote Armee gerade erst abgezogen. Selbst die kyrillischen Schriftzeichen prangen noch an den Wänden.
Die Investoren begründen die Verzögerung mit der langen Grundsanierung. „Wo wir heute Gras sehen, war vor einigen Jahren überall Beton", meint Berthold Held. Auch die Erschließung mit Strom, Wasser und Abwasser habe sich hingezogen. „Wer einen Shelter gekauft hat, könnte längst anfangen", sagt er. Doch die meisten Eigentümer hätten keine Lust, sich selbst um die Sanierung ihres Anwesens zu kümmern. „Die wollen ein Komplett-Paket. Deshalb werden wir ab dem Winter ein Musterhaus präsentieren, das wir hier errichten können."
Nicht alle teilen diesen Optimismus. Hartmut Lehmann, der Bürgermeister von Lärz, zeigt auf das Werbeschild des Fliegerdorfs. „Das ist Fantasie", sagt der CDU-Politiker. „Am Ende wird es hier ganz anders aussehen." Das Fliegerdorf sieht Lehmann als Chance für die Region, die vor allem von der Landwirtschaft und dem Tourismus lebt. Der direkte Zugang zu den Gewässern der Müritz sei ein Alleinstellungsmerkmal: Die Piloten können ihre Anwesen nicht nur per Flugzeug ansteuern, sondern zusätzlich per Boot – ein Yachthafen ist in den Plänen des Airparks enthalten. „Wenn es einmal steht, funktioniert das auch", glaubt Lehmann, „aber es muss auch mal losgehen." Noch immer fehle eine Erschließungsstraße, klagt der Bürgermeister. Auch deutet er an, dass es hinter den Kulissen Unstimmigkeiten gegeben habe. Im Laufe der Jahre hätten sich mehrere Interessenten an dem brachliegenden Flugplatz versucht. „Leider haben viele Leute den Mund zu voll genommen. Am Ende ist dann nichts daraus geworden."
Darüber hinaus sei die Ausgangslage schwierig: ein großes, mit Kerosin verseuchtes Gelände, langwierige Gutachten, unklare Rechtsgrundlagen. „Flugzeuge rollen in ein Dorf – so etwas sieht die deutsche Straßenverkehrsordnung nicht vor", ergänzt Lehmann. Nun plagt ihn die nächste Sorge: Wenn die Bauarbeiten nicht bald vorangehen, könnten die vor einigen Jahren erstellten Umweltgutachten veraltet sein. Dann müsste im schlimmsten Fall das komplette Genehmigungsverfahren von vorne beginnen.
Die Anlieger, die sich auf dem Gelände angesiedelt haben, wollen sich nur zögerlich zu dem Großprojekt äußern. „Alles, was den Platz belebt, ist gut", meint der Inhaber des Luftfahrt-Museums. „Ich fände das schön", fügt er hinzu. „Wenn’s denn mal kommt." Die Mitarbeiterin des Flugplatz-Bistros strahlt voller Vorfreude. „Wenn das klappt, ist hier richtig was los. Dann werden wir wie Mallorca." Als Bürgermeister Lehmann den Satz hört, winkt er entsetzt ab. „Mallorca? Nee, bloß nicht. Unter einem Fliegerdorf stelle ich mir was anderes vor."
Vor allzu lauten Partys muss in Lärz aber niemand Angst haben: Die Grundstücke sind so weit voneinander entfernt, dass man zwischendrin Golf spielen könnte. Was tatsächlich funktioniert, denn natürlich gehört ein Golfplatz zum Konzept. Im Airpark soll schließlich keine Langeweile aufkommen.