2019 könnten die Strompreise steigen – und das bei sinkender Erneuerbare-Energien-Umlage. Warum ist das so? Wir haben alles Wissenswerte über den Strompreis für Verbraucher zusammengetragen.
Für die Verbraucher verheißt das neue Jahr finanziell meist nichts Gutes, sondern zuhauf steigende Preise. Gerade erst haben bundesweit 396 Stromversorger angekündigt, für 2019 ihre Tarife nach oben anzupassen. Im Saarland sind dies die Stadtwerke Blieskastel, Saarlouis und Völklingen, die laut dem Strompreis-Vergleichsportal Verivox um durchschnittlich 2,3 Prozent anheben. Der größte Versorger, Energis, will den Preis stabil halten.
Bei knapp über 25 Cent pro Kilowattstunde beginnt für Privathaushalte beim Strom derzeit die Tarifskala, meist kratzen die Preise aber eher an der 30-Cent-Schwelle. Das ist rund das Doppelte wie noch zur Jahrtausendwende, während die allgemeinen Lebenshaltungskosten in diesem Zeitraum nur um rund 30 Prozent gestiegen sind. Für Familien ist das längst ein erhebliches Problem, wie die Saarbrückerin Ingrid Regh mit ihrem Ehemann und den fünf Kindern nur zu gut weiß: „Gab es früher gelegentlich noch eine Rückerstattung, gilt es bei der Jahresabrechnung inzwischen meist, nachzuzahlen."
Der Schuldige für den aktuell hohen Preis und die Nachzahlungen vergangener Jahre ist schnell ausgemacht: Die EEG-Umlage aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ist bei Privatverbrauchern für immerhin ein Viertel des Strompreises verantwortlich. 2019 wird sie leicht sinken, auf rund 6,4 Cent pro Kilowattstunde. Aber warum macht sich das bei privaten und gewerblichen Abnehmern kommendes Jahr nicht im Portemonnaie bemerkbar? Annett Ludwig vom Bundesverband der Verbraucherzentralen: „Die Versorger begründen die Preissteigerung mit gestiegenen Kosten bei der Beschaffung, die sie an die privaten Verbraucher weitergeben." Dazu zählt, dass „die für die Kraftwerke benötigten Emissionsrechte sich mehr als verdoppelt haben". Zeit, sich den Strompreis etwas genauer anzusehen.
Wofür bezahlen wir?
Der Strompreis verteilt sich auf drei große Kostenblöcke: Der erste besteht aus Beschaffung und Lieferung des Stroms. Dies übernimmt der örtliche Versorger, oft die Stadtwerke oder mittlerweile einer der zahlreichen Alternativanbieter. Der zweite große Block entfällt auf Transport und Messung, ein häufig unterschätzter Kostenfaktor. Den dritten und bei Weitem größten Block des Strompreises aber bilden Umlagen, Abgaben und Steuern.
Für die Industrie gibt es bei Steuern und Abgaben diverse Ausnahmeregelungen, sodass dieser Teil, von der EEG-Umlage abgesehen, sehr überschaubar bleibt. Vor allem sind aber deren Netzentgelte niedriger, schließlich greifen die meisten Unternehmen den Strom bereits am Hoch- beziehungsweise Mittelspannungsnetz ab. Für private Verbraucher aber, die für Strom rund doppelt so viel bezahlen wie die Industrie, entfällt auf die eigentliche Energiebeschaffung etwa ein Viertel des Strompreises, auf Transport und Messung ein weiteres Viertel. Rund die Hälfte des Preises machen Umlagen, Abgaben und Steuern aus.
Wohin fließen all die Steuern, Abgaben und Umlagen?
Mehr als 28 Prozent des Strompreises für private Verbraucher fließen als Umsatzsteuer, Stromsteuer und Konzessionsabgabe – eine wichtige Einnahmequelle für die Kommunen – in den Staatssäckel. Bei den Umlagen gibt es einige kleinere, die aber kaum ins Gewicht fallen. Den größten Posten in diesem Bereich hingegen macht die EEG-Umlage aus: Selbst nach einer geringfügigen Absenkung wird sie 2019 noch rund 6,4 Cent pro Kilowattstunde betragen.
Wozu dient also diese EEG-Umlage?
Ziel der EEG-Umlage ist der Ausbau der erneuerbaren Energien, indem die Differenz zwischen ihren Erzeugungskosten und den an den Strombörsen erzielten Preisen erstattet wird.
Nach Meinung von Kritikern liegt hier ein entscheidender Fehler: Strom ist an den Börsen für rund vier Cent pro Kilowattstunde erhältlich. Diese vier Cent beinhalten aber bei Weitem nicht alle Kosten, die bei der konventionellen Stromerzeugung anfallen, etwa für den Abriss ausgedienter und den Bau neuer Kraftwerke oder für die Endlagerung von Atommüll. Setzte man bei konventionell erzeugtem Strom tatsächlich die Vollkosten an, so wie es bei erneuerbaren Energiequellen geschieht, würde sich der Abstand zwischen den Preisen deutlich verringern und die EEG-Umlage entsprechend sinken.
Während die deutsche Infrastruktur in vielerlei Hinsicht veraltet ist, sieht es im Energiebereich weitaus besser aus: Die EEG-Umlage lässt sich als langfristige Investition betrachten, indem konkurrenzfähige erneuerbare Energiequellen aufgebaut werden. Würde man weiterhin rein auf konventionelle Energieträger setzen, käme es in absehbarer Zeit zu einem enormen Investitionsstau. Wie in Frankreich: Dort will der Energiekonzern EDF in den nächsten zehn Jahren 50 Milliarden Euro investieren, um die Lebensdauer seiner Atomreaktoren zu verlängern. Nach Meinung von Experten könnte der Investitionsbedarf aber beim Drei- bis Vierfachen liegen.
In Deutschland hingegen zeigen die Investitionen in die erneuerbaren Energien Wirkung: Zwischen 2000 und 2017 ist ihr Anteil am Stromverbrauch nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums von sechs Prozent auf rund 36 Prozent gestiegen. Und laut einer im Oktober 2018 veröffentlichten Pressemitteilung des Übertragungsnetzbetreibers Amprion wird für das Jahr 2019 eine weitere Zunahme von Strom aus regenerativen Anlagen auf etwa 217 Terawattstunden erwartet, rund 13 Terawattstunden mehr als 2018.
Wer bezahlt am Ende?
Rund 24 Milliarden Euro bringt die EEG-Umlage derzeit pro Jahr. Die privaten Haushalte tragen davon rund ein Drittel, auch rund 96 Prozent der Industriebetriebe zahlen die Umlage. Nur stromintensive Unternehmen, deren Wettbewerbsfähigkeit gefährdet wäre, sind ausgenommen. Diese wenigen Unternehmen verbrauchen allerdings Strom in riesigen Mengen: Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts sind die Branchen Chemie, Papier, Stahl, Aluminium, Kupfer und Textil für etwa 70 Prozent des Stromverbrauchs des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland und für etwa 27 Prozent des Stromverbrauchs insgesamt verantwortlich.
Die Tatsache, dass die privaten Verbraucher diese Entlastung stromintensiver Unternehmen mitfinanzieren müssen, wird vom Bundesverband der Verbraucherzentralen kritisiert. Diese Regelung setze die „Zustimmung der Verbraucher zur Energiewende aufs Spiel", befürchtet Anett Ludwig vom Bundesverband. Generell müssten private Verbraucher bei den Stromkosten entlastet und die Kosten der Energiewende gerechter verteilt werden: „Dazu gehört zum Beispiel die Abschaffung der Stromsteuer. Dies würde den Strompreis um etwa zwei Cent entlasten." Noch bezahlt die siebenköpfige Familie Regh aber „zähneknirschend lieber den höheren Preis" und hat dafür ökologischen Strom aus Wind- oder Solarkraft.
Auch die niedrigeren Netzentgelte der Industrie gehen nach Meinung vieler Beobachter zulasten der privaten Haushalte. Wolfgang Kerkhoff vom saarländischen Wirtschaftsministerium denkt, dass eine „staatliche Regulierung der Netzentgelte zu einer Dämpfung des Anstiegs der Endkundenpreise beitragen" könnte.
Was lässt sich gegen die hohen Preise tun?
Trotz der Ausnahmeregelungen hat auch für die Industrie der Strompreis in den vergangenen beiden Jahren deutlich angezogen. Verantwortlich dafür ist vor allem der gestiegene Kohlepreis. Zu verkraften ist dies für große Industriekunden, die Verträge am Terminmarkt abgeschlossen haben. Manche Firmen sind damit auf Jahre auf der sicheren Seite. Auch der Automobilzulieferer ZF in Saarbrücken ist von steigenden Strompreisen nicht betroffen, „da wir über das gepachtete Kraftwerk im Industriegebiet Süd unseren Strombedarf selbst abdecken", wie Unternehmenssprecherin Mareike Erhorn erläutert.
Was aber kann der private Verbraucher tun? Georg Hemmerling, der als Buchhalter beruflich mit Zahlen zu tun hat, hat sich, ähnlich wie mancher Industriebetrieb, vor einigen Monaten die Strompreise für zwei Jahre festschreiben lassen. Andere Verbraucher, wie der 50-jährige Peter Schneider aus Neunkirchen, gehen den umgekehrten Weg und versuchen, durch häufige Wechsel die Neukundenangebote diverser Stromanbieter auszunutzen. Aber hier lauern Fallstricke: Die Verbraucherzentralen raten dringend, keine Vorkasse oder Kaution zu leisten. Die Vertragslaufzeit sollte ein Jahr nicht überschreiten. Und rechtzeitig zu kündigen, ist das A und O einer solchen Strategie. Gertrud Truar von der Verbraucherzentrale rät, die Heizungspumpe unter die Lupe zu nehmen: „Sie läuft in vielen Fällen den ganzen Sommer über. Da gibt es ein erhebliches Einsparpotenzial. Neue elektronische Pumpen laufen nur bei Bedarf und sind so geregelt, dass der Stromverbrauch möglichst gering ist." Also: Langfristig am erfolgversprechendsten ist es immer noch, gleich beim Verbrauch zu sparen.