Seit 2016 ist Steffen Kampeter Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Dass es in Deutschland immer weniger Selbstständige gibt, liegt für ihn vor allem an zu viel Papierkram – und mangelnder Bewunderung.
Der Arbeitsmarkt in Deutschland brummt wie selten – vor allem durch zahlreiche Mini- und Midijobs. Wer sich trotz guter Arbeitsmarktlage zutraut, mit einer Geschäftsidee an den Markt zu gehen, wird von vielen Seiten unterstützt, auf kommunaler, Landes- und Bundesebene, vielleicht aus EU-Fördertöpfen. Für Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist dies aber noch nicht genug. Es sollen wieder mehr Menschen einen Anreiz für die Selbstständigkeit finden. Dafür soll die nun eingeleitete Initiative der deutschen Spitzenverbände und seines Ministeriums sorgen. Der KfW-Gründungsmonitor 2018 stellt fest: Es gibt deutlich weniger Gründer, 557.000 im Jahr 2017, das sind 17 Prozent weniger als vergangenes Jahr, 2016 waren es 14 Prozent weniger als im Vorjahr. Doch es gibt Grund zur Hoffnung, stellt der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Eric Schweitzer, fest: „Unsere gemeinsame Gründungsoffensive kommt zur richtigen Zeit. Die gewerblichen Existenzgründungen sind zwar sieben Jahre lang in Folge zurückgegangen. Wir sehen aber zugleich Chancen für eine Trendwende: Die Gründertage der Industrie- und Handelskammern verzeichnen wieder zweistellige Zuwachsraten. 150.000 Menschen lassen sich pro Jahr in den IHKs beraten, weil sie ein Unternehmen neu gründen oder übernehmen wollen." Das Wirtschaftsministerium will nun mit der Gründungsoffensive erfolgreich bestehende Maßnahmen fortsetzen und weiterentwickeln, beispielsweise die bereits bestehende Gründerplattform (siehe Infobox), und Neuerungen einführen, wie zum Beispiel den bundesweiten Aktionstag zur Unternehmensnachfolge und den Ausbau von Wagniskapitalfinanzierungen mit der neuen KfW-Tochtergesellschaft „KfW Capital".
Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Arbeitgeberverbände und neben dem deutschen Handwerk und den deutschen Industrieverbänden Mitinitiator, hat Gründe ausgemacht, warum die Gründer weniger werden. Es sind jedoch die altbekannten: Unternehmertum wird in Deutschland nicht wertgeschätzt, die Bürokratie ist ausufernd. Er sieht jedoch vor allem in der Digitalisierung Chancen, dass auch ältere Arbeitnehmer noch einmal den Schritt in die Selbstständigkeit wagen könnten. Falk Enderle
Herr Kampeter, immer wieder wird die ausufernde Bürokratie als Hemmschuh für Neugründungen von Firmen genannt. Sie selbst waren 26 Jahre Bundestagsabgeordneter, haben den Abbau der Bürokratie gefordert. Doch die ist ja offenbar immer mehr geworden.
Ja das stimmt, ich bekenne mich schuldig (lacht). Im Ernst, wir haben in Deutschland eine Kultur von doppelter Sicherheit und doppeltem Boden. Alles muss fünfmal überprüft und abgesichert werden, und das ist für eine ausufernde Bürokratie ein idealer Nährboden. In anderen Ländern geht es sehr viel fixer, ein Unternehmen zu gründen. Nehmen sie beispielsweise Estland, dort kann man per E-Government innerhalb eines Tages gründen. Bei uns ist das derzeit undenkbar. Aber genau da müssen wir hin, wenn wir in Zukunft weiterhin erfolgreich sein wollen.
Nun hat Bundeswirtschaftsminister Altmaier angekündigt, das in den kommenden Jahren umzusetzen. Aber Bürokratie ist ja eine sehr langlebige Angelegenheit.
Ich glaube, es gibt in Deutschland neben der Bürokratie-Schranke noch ein zweites Hindernis bei den Unternehmensneugründungen: fehlende Wertschätzung. Welches Bild haben wir von Unternehmern und Arbeitgebern? Bei uns stehen als Erstes immer die Fragen und Vorurteile im Raum: Wollen die nicht nur Gewinn erzielen, ausbeuten und ihren persönlichen Reichtum mehren? Das steht bei vielen Debatten innerhalb der Gesellschaft eher im Vordergrund als die Würdigung dessen, was Unternehmer alles leisten: Sie wagen viel, gehen ein hohes persönliches Risiko ein. Wir dürfen niemals vergessen: Es sind die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmer, der Maurermeister, Fliesenleger, die Friseurin oder Handelskauffrau, die mit Mut zu allen Zeiten Arbeitsplätze und damit soziale Sicherheit in diesem Land geschaffen haben.
Also haben die Unternehmer in Deutschland ein Image-Problem?
Ich spreche lieber von Wertschätzung, an der wir in der Gesellschaft offenbar arbeiten müssen. In den USA sind Unternehmerin oder Unternehmer tolle Stars, die von der Gesellschaft oder auch den Medien als Macher bewundert werden. Ich überspitze jetzt einmal bewusst: Wenn bei uns ein Fernsehkrimi läuft, sind die Unternehmer meist nur Steuersünder oder der Firmenchef ist eine obskure Gestalt, der im Verdacht steht, den Mord in Auftrag gegeben zu haben. Bei einer solchen öffentlichen Darstellung müssen wir uns auch nicht wundern, wenn keiner mehr selbstständig werden und Verantwortung übernehmen möchte.
Aber der Grund für die wenigen Unternehmensneugründungen ist doch auch durch die demografische Entwicklung zu erklären: Fehlen nicht einfach die jungen Menschen?
Das ist richtig. Es gibt perspektivisch immer weniger junge Menschen, die etwas wagen könnten. Aber dann muss es unsere Aufgabe sein, die, die da sind, von der Selbstständigkeit zu begeistern und nicht nur von der Festanstellung oder der Beamtenkarriere. Es gibt übrigens noch genügend Menschen, die sich mit 30, 40 oder 50 beruflich verändern wollen oder auch müssen, zum Beispiel durch die Digitalisierung. Auch deshalb gilt es, Perspektiven zu eröffnen, selbst etwas auf die Beine zu stellen.
Neben immer weniger Unternehmensgründungen steht Ihnen als Arbeitgeberverband eine weitere große Aufgabe ins Haus: Mehr als 30.000 Unternehmen suchen in den kommenden Jahren einen neuen Eigentümer. Welche Pläne haben Sie auf diesem Feld?
Das sind Aufgaben, wo wir als Arbeitgeberverbände gut unterstützen konnten und können. Da gibt es zum Beispiel im Bereich des Handwerks den Betriebsübergangslotsen. Wir dürfen eines aber nicht vergessen: Deutschland hat keine klassische Kapitalmarktkultur, bei uns stehen oftmals Familien hinter den Unternehmen. Und da sind wir natürlich bemüht, dass diese Familienunternehmen weiter bestehen bleiben und nicht im Zuge eines Betriebsübergangs etwa durch Steuerforderungen des Staates aufgeben müssen.
Also Stichwort Erbschaftssteuer?
Das ist ja eine „Neverending Story" und auch Beleg dafür, dass es mit der Wertschätzung für Unternehmen in unserem Land nicht so weit her ist. Aber ich hoffe, dass wir mit der jetzigen Freibetragsregelung endlich eine langfristige Lösung gefunden haben. Aber ein grundsätzlicher Malus ist und bleibt bei der Erbschaftssteuer: Das Geld wird zweimal besteuert.