Die CDU hat gewählt. Die Umfragewerte steigen. Wohin die Reise der Volkspartei CDU geht, ist dennoch nicht klar auszumachen. Die neuentdeckte Lust an der Diskussion zeigt: Es gibt auch in der Partei Alternativen.
Vorbei mit lustig. Noch einmal durfte ’s Gretel einen Streifzug quer durch alle Gazetten machen. Um die karnevalistische Kunstfigur kam keiner, der die Neue an der CDU-Spitze zu porträtieren hatte, vorbei. Ob Annegret Kramp-Karrenbauer in ihrer neuen Funktion die Karnevalsrolle der saarländischen Putzfrau, die ihr nicht zuletzt den Orden wider den tierischen Ernst einbrachte, gänzlich aufgibt, ist eine Personalie, die sie womöglich noch nicht abschließend entschieden hat. Es wäre ein Verlust, den ihre Fangemeinde womöglich verschmerzen könnte, wenn die neue Frontfrau ähnlich brillant zum nächsten politischen Aschermittwoch in die Bütt gehen würde. Aber das ist bekanntlich eine bierernste Angelegenheit – und jedes Wort liegt auf der Goldwaage.
Das gilt grundsätzlich ohnehin schon, sicher nicht erst, aber im Besonderen seit die Saarländerin offiziell ihren Hut in den Ring geworfen hat um das Amt, über dessen Herausforderung sich ein Großteil der Republik spätestens seit dem 517 zu 482 gegen Friedrich Merz so seine Gedanken macht. Knapp sei es gewesen, das Ergebnis, finden die einen, zumeist die aus dem Merz-Lager. Ihre Unterstützer wissen, dass nicht wenige Bürgermeister-Stichwahlen in der Republik deutlich knapper ausgegangen seien. Überhaupt zweite Wahlgänge. Als AKK 2011 erstmals zur Ministerpräsidentenwahl antrat, musste sie im saarländischen Landtag auch in eine zweite Runde. Nicht alle damaligen Saar-Jamaikaner mochten sie auf Anhieb unterstützen. Um ein Haar hätte der damalige Oppositionsführer an der Saar, der heutige Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) eine Sensation geschafft. Was soll’s. Im zweiten Durchgang lief alles nach Plan und AKK kommentierte: Die schwersten Geburten bringen oft die schönsten Kinder. Ein Jahr später, AKK hatte „Jamaika" aufgelöst, schmiedeten beide nach vorgezogenen Neuwahlen eine Große Koalition im Saarland zwecks Rettung des aufgrund seiner Finanzlage existenziell bedrohten Landes.
Schwerste Geburten – schönste Kinder
Dank solidarischer Hilfen und einem harten Kampf um den neuen Finanzausgleich schreibt das Land nach Haushaltplan tatsächlich im nächsten Jahr eine schwarze Null. Spätestens im Zuge dieser Verhandlungen hat sich AKK Anerkennung auf Bundesebene erworben.
Was all das im Berliner Haifischbecken wert ist, gehört zu den dieser Tage vieldiskutierten Spekulationen. Wie sie die Flügel wohl einen könne, die plötzlich nach den Merkel-Jahren wie aus einem Tiefschlaf erwacht eifrig zu flattern versuchen, und von denen ihr Doppelnachfolger, Saar-Ministerpräsident Tobias Hans, meint, man müsse alle „zum Schlagen bringen"? Diese plötzlich neu entdeckte Frage hatte sich AKK vor Monaten noch anders gestellt. Als frisch gekürte Generalsekretärin wollte sie, beginnend mit „Zuhörtouren", der Basis zunächst einmal zeigen, dass sie wieder was zu melden hat, und das dann auch ernst genommen wird. Schon bei diesen Touren war klar, dass die Parteibasis keineswegs so im Tiefschlaf versunken war, wie es nach außen vielfach den Anschein erweckte.
Aber die im Zweifel bei der CDU ausgeprägte Flexibilität der letzten Jahre hatte ihren Preis. Wer auf so lange Strecke in wechselnden Koalitionen regiert, muss Kompromisse eingehen: Die Folge dieses Pragmatismus war zwangsläufig das Verschwimmen von Konturen. Konservative fühlten sich zunehmend ebenso wenig wohl wie der einst einflussreiche Sozialflügel, nicht anders ging es dem Wirtschaftsflügel.
So war eigentlich kaum verwunderlich, dass die Personalentscheidung ganz klassisch zur Richtungsentscheidung erklärt wurde, deren Verlauf aber wiederum nicht den klassischen Mustern folgte. Wer im Vorfeld, ganz traditionell versuchte, Mehrheiten anhand der Größe von Landesverbänden auszurechnen, konnte nicht auf ein schlüssiges Ergebnis kommen.Nicht nur, weil Merz und Jens Spahn aus einem, dazu dem mitgliederstärksten Verband kamen. Selbst die bloße Rechnung, dass „Spahn-Stimmen" in der Stichwahl automatisch zu Merz wandern würden, konnte nicht aufgehen. Die hilfsweise Rechenmethode anhand der Stärke von Vereinigungen brachte allenfalls Indizien, aber keine schlüssigen Ergebnisse.
Damit sagt der Prozess der Entscheidungsfindung mehr über den Zustand der Partei, als bloß statistisch-arithmetische Ableitungen oder die Frage, ob die CDU denn nun nach einer aus evangelischem Hause stammenden Vorsitzenden katholischer werde. Abgesehen davon, dass auch diese Einheitlichkeit signalisierenden Kategorisierungen dem Zustand beider großer Kirchen nicht gerecht würden. Unstrittig, dass weder Merz noch AKK ihre Herkunft leugneten. Der eine mit wirtschaftliberalem Kurs, die andere, die schon mal als „schwarzlackierte Sozialistin" tituliert wurde. Beiden war aber klar, dass im Fall ihrer Wahl die Aufgabe warten würde, die letzte große Volkspartei, soweit irgend möglich, zusammenzuhalten.
Eine Richtungswahl war es auf jeden Fall über den Stil, wie die Delegierten erwarten und erhoffen, dass dieses Kunststück gelingen könnte: mit nüchtern-kühler Analyse oder mit mehr „Bauchgefühl" für Befindlichkeiten, die auch schon mal im Ungefähren bleiben.
Die nächsten Wahlen warten bereits
Das Wahlergebnis zeigt, dass im Grunde beides vonnöten ist. Die scharfe nüchterne Gangart der Auseinandersetzung in einer Parteienlandschaft im Wandel, mit Angriffen, denen sich die CDU von dieser, der rechten Seite, lange so nicht ausgesetzt sah. Und zugleich das, was die nun Ex-Generalsekretärin aus gutem Grund „Zuhör"-Tour nannte: mitreden, mitentscheiden, aber vor allem: in seiner Meinung Ernst genommen werden. Die Partei sollte in neuer Übersichtlichkeitals ein Stück Heimat fungieren. Wobei man AKKs Angrifflust nicht unterschätzen sollte, auch wenn sie weniger polternd daher kommt.
Paul Ziemiak zum Generalsekretär vorzuschlagen war eine Geste. Dass es damit alleine nicht getan ist, ist der neuen Parteichefin natürlich klar. Es war eine Geste an die Partei, aber auch eine nach außen. Und die löste wiederum aus, wofür es den Ausdruck „Haifischbecken" gibt. Ob Gerücht mit wahrem Kern oder bloßes Nachtreten: Die gestreute Spekulation zeigt, dass Ziemiak nur um des Amtes wegen bei der Stichwahl gegen eigentlich erwartete landsmannschaftliche Loyalitäten für AKK geworben habe, es zeigt, dass innerparteiliche Grabenkämpfe erst am Anfang stehen. Dazu mögen auch Stimmen gehören, die von ersten Parteiaustritten als Folge berichten, ohne dass bislang dazu konkrete Zahlen auf dem Tisch liegen. Und dass der Vorsitzende der konservativen Werteunion, Alexander Mitsch „im Moment nicht ausschließen kann", dass es eine Parteineugründung enttäuschter Wertkonservativer und Wirtschaftsliberaler geben könne, war eine durchaus erwartbare Reaktion. War die Stimmung bis zur Wahl für die Partei noch positiv spannend, wird es in dieser Phase sichtbar angespannt und gereizt. Ob das erst einmal nur Verdauungsprozess nach dem Parteitag ist, oder die Grundmelodie für den Neusortierungsprozess, ist noch nicht sicher auszumachen.
Was nicht nur innerparteilich sondern auch medial, auf sie zukommen würde, hat AKK mindestens geahnt, vermutlich gewusst. Aber es dürfte wie in allen solchen Fällen gelten: Wenn es dann spürbare Realität wird, ist es eben doch etwas anderes und ein gutes Stück härter.