Für 35 Millionen verkauft, umsonst zurückbekommen: Der 1. FC Köln hat mit der Verpflichtung von Torjäger Anthony Modeste ein unglaubliches Geschäft gemacht. Deshalb verpflichteten sie den Franzosen, obwohl sie eigentlich gar keinen Stürmer brauchten.
Rachid Azzouzi dachte offenbar an einen schlechten Scherz. Als der Sportchef des Zweitligisten SpVgg Greuther Fürth von der Verpflichtung von Anthony Modeste durch Liga-Rivale 1. FC Köln erfuhr, rettete er sich jedenfalls in Ironie: „Vielleicht holen sie ja jetzt auch noch Aubameyang."
Die Kölner Fans hätten es wahrscheinlich auch kaum glauben können, wenn Anthony Modeste nicht für jeden sichtbar auf der Bühne gestanden hätte. Warum er denn da sei, fragte ihn Präsident Werner Spinner bei der 70-Jahr-Feier des FC. „Ich habe einfach Licht gesehen und bin vorbeigekommen", sagte Modeste und lachte breit. Und dann verkündete Spinner unter dem ungläubigen Jubel der Fans: Anthony Modeste kehrt tatsächlich zurück zum 1. FC Köln.
Auf der einen Seite ist es für Kölner Verhältnisse gar nicht so ungewöhnlich. Viele Spieler und Trainer, die hier irgendwann einmal Station gemacht haben, tragen das Besondere dieses Vereins fortan im Herzen. Dieses Verrückte, oft Irrationale, Leidenschaftliche. Und weil das so ist, hat der Verein auch ein Faible dafür, verlorene Söhne zurückzuholen. Lukas Podolski kehrte einst vom FC Bayern zurück – und wünscht sich eigentlich seit seinem zweiten Abgang eine zweite Rückkehr – Christoph Daum wurde für eine zweite Amtszeit Trainer. In den vergangenen Jahren verpflichtete der Verein mit Marcel Risse oder Christian Clemens zielstrebig gebürtige Kölner, machte Ex-Spielmacher Wolfgang Overath zum Präsidenten und den einst vom Hof geschickten Nationaltorhüter Toni Schumacher später zum Vize.
Anthony Modeste ist kein Kölner, sondern Franzose. Und er hat auch nur zwei Jahre in Köln gespielt. Und als er den Verein 2017 verließ, konnte man durchaus den Eindruck haben, dass er einfach nur wegwollte. Tianjin Quanjian aus China wedelte mit viel Geld – für Modeste und für den FC. Und nach einer wochenlangen Transfer-Posse wechselte der Stürmer tatsächlich für 35 Millionen nach Asien. Schumacher erklärte, Modeste habe „nicht die Wahrheit gesagt" und „in Köln und bei den Fans vieles kaputt gemacht". Doch in China wurde er nicht glücklich. Die Fans in Köln hatten ihn verehrt. Sie hatten ihm einen Fan-Song auf die Melodie zu „Hooray! Hooray!" von Boney M. mit immer neuen Strophen gedichtet. Zum Beispiel: „Wer braucht beim Kopfball kein Podest? Wer trinkt gern Kölsch vorm Dopingtest? Wer ist beim Kicken nie gestresst?" oder auch: „Vor wem hätt’ Kahn sich eingenässt?" Das Spiel in Köln war auf ihn, den schnellen Konterstürmer, zugeschnitten. Und außer vielen Dingen im Verein vermisste Modeste in China seine Familie – die wohnte nämlich weiterhin in Köln. Weshalb er selbst oft im Rheinland war und auch das eine oder andere Spiel auf der Tribüne verfolgte.
Präsident Spinner verkündete Rückkehr
Als es dann Probleme mit seinem neuen Verein gab – Modeste kündigte mit Verweis auf angeblich ausstehende Gehaltszahlungen fristlos – klopfte er wieder beim FC an. Da er wegen eines laufenden Rechtsstreits keinen neuen Vertrag unterschreiben und nirgendwo spielen konnte, wollte er sich in der U21 der Kölner fithalten. Der Verein stimmte zu. Und alleine das sorgte in Köln für eine Euphorie, als habe es das Wechsel-Theater im Jahr zuvor nicht gegeben. Daran, dass der FC ihn wirklich würde verpflichten können, glaubte aber kaum jemand. Zum einen schien es unwirklich, einen für 35 Millionen verkauften Torjäger und Publikumsliebling zum Nulltarif zurückzubekommen. Zum anderen brachten sich für den Fall einer Wechselerlaubnis auch potentere Vereine in Stellung. In Deutschland zum Beispiel der VfB Stuttgart und Vize-Meister Schalke 04. „Ich hätte Europa League oder Champions League spielen können", sagte Modeste bei seiner Vorstellung. „Jetzt spiele ich in der Zweiten Liga. Das hätte ich nur für den FC getan. Weil ich hier einfach alles liebe. Hier ist jeden Tag Karneval. Und meine Familie ist hier froh. Das ist alles, was zählt."
Doch es musste bei aller Fußball-Romantik auch die Frage erlaubt sein: Wieso hat der FC Modeste zurückgeholt? Brauchte er ihn überhaupt? Wenige Tage vor der Verpflichtung hatten die Kölner gerade Dresden mit 8:1 aus dem Stadion geschossen. Und in den darauffolgenden Spielen gewannen sie mit 3:0 in Darmstadt und 4:0 gegen Fürth. Simon Terodde eilt dabei einem Zweitliga-Torrekord entgegen. Und der einst als Modeste-Ersatz verpflichtete und in der Liga danach torlos gebliebene Jhon Córdoba blühte als sein Nebenmann regelrecht auf. So wunderte sich auch der frühere Weltmeister Lukas Podolski. „Es läuft, die Stürmer treffen. Es ist nicht so eine Position, bei der Not am Mann wäre", sagte er. Als sein eigener Name ins Gespräch gebracht worden sei, hätten die Verantwortlichen gesagt: „Einerseits hat er noch einen Vertrag in Japan, andererseits haben wir auf der Position ein Übergewicht und suchen nichts", sagte er. „Jetzt hatte man schon vier Stürmer und holte noch einen fünften." Zwischen den Zeilen klang das wie: Mich will man nicht, aber Modeste holt man zurück.
Und das mit einem Vertrag bis 2023 mit einem Anschlussvertrag für danach. Da kommt, zumindest im Falle der Bundesliga-Rückkehr, eine schöne Stange Geld zusammen. Dennoch war das Geschäft für den FC zu verlockend. „Wenn ich als Trainer einen Spieler wie Modeste bekommen hätte, hätte ich zu meiner Frau gesagt: Ich brauche nichts mehr zu Weihnachten", sagte Sportchef Armin Veh. Immerhin hatte Modeste die Kölner mit seinen 25 Toren im Abschiedsjahr zum ersten Mal seit einem Vierteljahrhundert in den Europacup geschossen. Und mit seinem Abschied begann der Absturz.
Nun soll es mit ihm endgültig wieder aufwärts gehen. Auch wenn er schon 30 ist. Auch wenn man sich fragen muss, wie man ihn in den aktuell funktionierenden Sturm eingliedert. Und auch wenn er als Konterstürmer bei den in der Zweiten Liga meist dominant spielenden Kölnern seine Stärken zunächst vielleicht nicht so wird ausspielen können. Und auch, wenn er seit einem halben Jahr kein Spiel absolviert hat.
Modeste beantwortete all diese Zweifel auf seine eigene lockere Art. Als er gefragt wurde, ob er denn immer noch der Gleiche wie bei seinem Abgang sei, antwortete er: „Ich bin immer noch schwarz." Und versprach dem FC quasi gleich die Treue für die Ewigkeit: „Es ist schwer vorstellbar, noch mal zu einem anderen Verein zu gehen", sagte er. „Ich will hier so lange wie möglich bleiben."
Erst einmal braucht Modeste noch die Spielerlaubnis. Und dann, da sind sich nicht nur die Fußball-Romantiker in Köln sicher, werden noch viele Tony-Tore hinzukommen. Und viele Strophen beim Modeste-Lied.