Die Verfilmung von Hape Kerkelings Autobiografie kommt ins Kino: „Der Junge muss an die frische Luft" startet am 27. Dezember und trifft die Zuschauer mitten ins Herz.
Hape Kerkelings Aktionen sind legendär: Sei es, dass er sich im Jahr 1991 für die Sendung „Total normal" als Königin Beatrix verkleidet im Rolls Royce zum Schloss Bellevue fahren (und am Eingang abweisen) ließ, seien es seine Auftritte als leicht alkoholisierter Lokalreporter Horst Schlämmer, der auch schon mal für den Bundestag kandidieren wollte. Doch kaum hat man sich an die lustigen Aktionen gewöhnt, wandert dieser Typ den Jakobsweg lang und schreibt dann darüber auch noch ein Buch: „Ich bin dann mal weg" war im Jahr 2006 mit zwei Millionen Exemplaren das meistverkaufte Buch in Deutschland.
Immer wieder ist Hape Kerkeling auf dem schmalen Grat zwischen gekonnter Satire und Geschmacklosigkeit balanciert, immer wieder kurz davor, abzustürzen. Er hat eine Reihe von Misserfolgen hinnehmen müssen, aber geschenkt, am Ende hat er es wieder ganz nach oben geschafft. Was in aller Welt treibt ihn an, wie ist er zu dem einerseits gut gelaunten Entertainer, andererseits zu dem nachdenklichen Einzelgänger geworden? Eine Antwort auf diese Frage hat er selbst gegeben, in seinem im Jahr 2014 erschienenen autobiografischen Roman „Der Junge muss an die frische Luft – Meine Kindheit und ich." Diesen Roman bringt die Regisseurin Caroline Link nun auf die Leinwand.
Der Film nimmt den Zuschauer mit in die Welt der frühen 70er-Jahre, als Jungs noch enge Streifenpullis und Mädchen Kleidchen trugen. Diese Welt haben die Macher des Films mit sehr viel Liebe fürs Detail in Szene gesetzt: Seien es die Kaugummi- und Zigarettenautomaten an den Hauswänden, sei es der Tante-Emma-Laden der Großmutter oder die Einrichtung der Wohnräume, in denen sich der junge Hans-Peter (Julius Weckauf) bewegt. Eine Freude sind die zahlreichen Straßenszenen, bei denen gleich eine ganze Reihe von zeitgenössischen Oldtimern im Bild sind, allen voran der dunkelgrüne Renault R4, den Hans-Peters Vater fährt.
Nicht möglich wäre der Film ohne Julius Weckauf, der im Film mit der Figur, die er darstellt, geradezu verschmilzt. Dabei nimmt er uns mit, zeigt uns wie der junge Hans-Peter allmählich entdeckt, wo seine Stärke liegt: Darin, dass er Menschen zum Lachen bringen kann.
Caroline Link führte Regie
Während der Vater meist irgendwo auf Montage ist, wächst der Junge zunächst auf dem Land bei den Eltern seines Vaters und anschließend, nach einem Umzug, nicht weit entfernt bei seiner anderen Großmutter in der Stadt Recklinghausen auf. Dort, wo aus der ländlichen eine Industrielandschaft wird, dort, wo die Menschen gern feiern, und gern auch mal einen Eierlikör zu viel trinken. Umgeben ist er von den teils skurrilen, fröhlichen Menschen seiner Familie, von Menschen, von denen er lernt, dass man das, was man gern möchte, auch tun soll.
Mit neun Jahren saugt Hans-Peter diese Welt in sich auf, beobachtet die Erwachsenen und ihre Marotten – und macht sie nach. Seine übertriebenen und für einen kleinen Jungen eigentlich völlig unpassenden Imitationen bringen ihm die ersten Lacher. Zu Karneval will sich Hans-Peter als Prinzessin verkleiden – und verteidigt das gegen spöttische Bemerkungen mit frechen Sprüchen. Dabei kann er sich sicher sein, dass ihm im Ernstfall seine Mutter zur Seite steht. Die ist für den Jungen die wichtigste Bezugsperson. Aber gerade sie wird es auch sein, die Schweres durchmachen muss und Hans-Peter in düstere Gedanken stürzen lässt.
Neben der sehr persönlichen Geschichte zeigt „Der Junge muss an die frische Luft" auch Facetten einer Kindheit, die vermutlich viele von uns erlebt haben: Der Neue in der Klasse zu sein, Freunde zu finden, von anderen Jungs verprügelt zu werden – und dann einen Bruder zu haben, der im rechten Moment vorbeikommt.
Es sind die Erinnerungen an schöne, aber auch an tragische Ereignisse, die in der Summe einen Menschen formen. Und die ihn letzten Endes zu dem machen, was er ist. Im Fall von Hape Kerkeling: Zu dem Entertainer, der die Menschen zum Lachen bringen will.