Matthias Schweighöfer geht im Januar und Februar mit seinem Debütalbum „Lachen Weinen Tanzen" erneut auf Tournee. Seine lebensbejahenden Popsongs drehen sich auch um kaputte Beziehungen und Liebeskummer. Im Interview spricht der 37-Jährige über Alkohol auf der Bühne, Groupies und schlechte Eigenschaften.
Herr Schweighöfer, wie fühlt es sich an, mit 37 Jahren ein Popstar zu sein?
Ja, wie fühlt sich das an? Ich bin ja gar kein Popstar. Ich freue mich aber, dass auf meinen Konzerten viele Leute sind. Und das fühlt sich gut an! Es macht wirklich großen Spaß.
Wer in so großen Hallen spielt wie Sie, ist eigentlich ein Popstar. Oder wie sehen Sie das?
Das ist richtig, aber ich bin grundsätzlich nicht gut mit solchen Begriffen. Wenn man möchte, kann man das natürlich so sehen. (lacht)
Sie haben als Kind nicht davon geträumt, ein Popstar zu sein?
Ich fand natürlich Michael Jackson klasse, aber Popstar wollte ich nie sein. Ich wollte immer nur Leute unterhalten.
Worauf legen Sie bei Ihrer Musik besonderen Wert?
Mir war bei dem Album wichtig, dass es ehrlich und echt klingt. Ich habe mich von Filmmusik inspirieren lassen, indem wir orchestrale Flächen genommen und diese mit Texten kombiniert haben, die mit mir persönlich etwas zu tun haben. Wir haben da echt viel reingegeben. Bei der neuen Platte, die wir gerade machen, gehen wir der Frage nach, wie extrem cool man in musikalischer Hinsicht noch sein kann. Ein Herbert Grönemeyer hat ja vier oder fünf Platten gebraucht, um richtig groß zu werden.
War es von Anfang an klar, dass Sie deutsche Texte machen?
Es war von Anfang an klar. Englisch hätte bei mir nicht funktioniert. Das hätte ich mir selber auch nicht abgenommen. Ich bin Deutscher und mache deutsche Filme. Auf einmal auf Englisch zu singen, wäre absurd.
Lieder zu schreiben, hat ja etwas Rauschhaftes. Wie süchtig sind Sie nach diesem Gefühl?
Nein, bei mir nicht. Es ist so schwierig, Songs zu schreiben! Damit sie richtig gut werden, braucht es viel Zeit. Aber es macht trotzdem Spaß.
In welche Richtung entwickelt sich Ihre Musik?
Ich weiß es noch nicht wirklich, ich bin noch am Suchen.
Hören Sie privat ähnliche Musik wie auf „Lachen Weinen Tanzen"?
Ich höre viel Hip-Hop und allen möglichen Kram. Coldplay fand ich immer schon ziemlich beeindruckend. Chris Martin live ist echt cool.
Ihr bester Freund ist der Silbermond-Schlagzeuger Andreas „Nowi" Nowak. Hat er Ihnen dabei geholfen, zu Ihrem Sound zu finden?
Nowi ist ein großer Fan von Rammstein, dadurch hat er mich geprägt. Er ist ein Trommler, der total hart draufschlägt. Sein Spiel hat etwas existenziell Sehnsüchtiges. Das finde ich total geil. Nowi hat ein paar echt coole Tracks auf meinem Album getrommelt.
Sie sind Schauspieler, Regisseur und Sänger. Kann man all diese Berufe mit gleicher Leidenschaft ausüben?
Ich bin grundsätzlich sehr empathisch und schiebe die Band gerne nach vorne. Es ist eigentlich wunderschön, dass wir vor 3.000 bis 4.000 Leuten spielen dürfen. Ich gehe an alles, was ich mache, 150-prozentig ran.
Im Titelsong Ihres Albums findet sich die Textzeilen „Wir laufen viel zu schnell" und „Wir halten alles fest, und der Moment kommt uns abhanden". Klappt es eigentlich, erfolgreich zu sein und zu entschleunigen?
Es kommt auf die Zeit drauf an. Ich habe 15 Jahre durchgearbeitet mit wenig Pausen und Urlaub. Jetzt nehme ich mir aber länger Zeit für meine Kinder und mein Leben, um mal zu gucken, was da draußen so los ist. Und das wiederum ist cool. Nach 15 Jahren Vorarbeit kann ich mir auch eine längere Pause zur Entschleunigung erlauben.
Ihr Album ist sehr autobiografisch. Muss man alles, über das man singt, selbst durchlebt haben, um authentisch zu sein?
Als wir die Songs schrieben, haben wir überlegt, welches die nahbarsten Themen sind. Und auf dem nächsten Album wird es ganz viele lustige und ernste Themen geben, mit denen die Band und ich uns gerade beschäftigen. Die haben mit mir persönlich gar nicht mehr so viel zu tun. Ich habe als Regisseur mit einer Komödie angefangen, weil das Genre mir näher lag. Das konnte ich einfach besser. Hätte ich mit einem Drama angefangen, hätte mich das mehr Zeit und viel mehr Vorbereitung gekostet.
Warum ist Ihnen Musik so wichtig?
Weil es einfach schön ist, Musik zu machen! Es hat ja auch viel mit Theater zu tun. Ich mag es, auf einer Bühne zu stehen und Menschen zu unterhalten. Auch wenn es vielleicht Boulevard ist, finde ich es trotzdem toll, weil ich es für das Publikum mache.
Sind Schauspieler, Regisseur und Sänger für Sie im Prinzip ein und derselbe Beruf?
Das sind schon verschiedene Bereiche, aber es geht immer darum, Leute zu entertainen.
Ist der Gesang das Wichtigste überhaupt?
Ich glaube, wenn man richtig gut singen kann, muss man trotzdem immer noch echt sein. So singen zu können wie Adele, ist eine tolle Qualität, die ist einfach unfassbar gut! Da spielt es gar keine Rolle, dass sie eine korpulentere Frau ist.
Hat die Musik Ihnen dabei geholfen, sich selbst besser kennenzulernen?
Nein. Die Musik hat mir dabei geholfen, den Mut aufzubringen, vor sechs oder 8.000 Leuten zu spielen. Diese Energie kann man auf viele Menschen übertragen, sodass sie mit einem mitfeiern. In meiner Band agieren sehr gute Musiker. Die spielen gerne mit mir, weil wir eine verschworene Gemeinschaft bilden.
Sind Konzerte die Krönung Ihrer Arbeit?
Der Oscar wäre die Krönung meiner Arbeit! Aber auf der Bühne zu stehen und zu performen, ist etwas Echtes. Es ist nicht so anonym wie Filme drehen, wo man immer hinter der Kamera steht mit den Teams, die man seit Jahren kennt. Letztendlich sieht man gar nicht die Zuschauer im Kinosaal. Sie schreiben einem zwar auf Instagram oder Facebook oder sprechen einen auf der Straße an, aber man sieht nie, wie sie reagieren. Das ist bei einem Konzert anders. Wenn man dann mal eine Zeile richtig verkackt und in ein Lied etwas aus einem anderen Text reinmurkst, bekommt man darauf eine unmittelbare Reaktion. Und das ist das Schöne.
Wie holen Sie als Performer wirklich alles aus sich heraus?
Ich mache das einfach, weil es mir Spaß macht. Anders kann ich die Frage nicht beantworten. So sieht’s aus.
Angeblich trinken Sie vor jedem Auftritt ein Glas Wodka. Hilft Alkohol gegen Lampenfieber?
Das ist ein Ritual. Wir trinken alle zusammen einen Wodka, und dann geht es raus.
Hängen Sex, Drugs und Rock’n’Roll irgendwie zusammen?
Mittlerweile ist das etwas von gestern. Wenn die Rolling Stones auf der Bühne stehen, trinken sie ja Wasser. Wir machen das ähnlich: Wir trinken auch Wasser. Aber danach meist Wein!
Und was machen Sie mit den Groupies, die Backstage auf Sie warten?
Das mit den Groupies ist nicht mehr so. Daran merkt man, dass wir älter geworden sind.
Woran merken Sie, dass Sie reifer und weiser geworden sind?
An meinem Müdigkeitsverhalten. Unsere Fans werden mit uns älter.
Was braucht man eigentlich, um in der Musikbranche erfolgreich zu sein?
Das kann ich Ihnen gar nicht beantworten. Wir hatten wahnsinnig viel Glück, weil ich ja bereits als Schauspieler bekannt war. Die Leute sind zu mir gekommen, weil sie sehen wollten, wie meine Musik und meine Band klingen. Natürlich braucht man sehr viel Glück und jemand, der einen unterstützt.
Haben Sie Eigenschaften, die Sie selbst nur schwer akzeptieren können?
Das Einzige, was mich an mir nervt, ist, dass ich in mein Leben wenig Ruhe reinkriege. Ich will immer alles jetzt und sofort. Das ist manchmal ein bisschen kacke, weil dann alle anderen fünffach schneller arbeiten müssen. Daran muss ich noch arbeiten.