Die Füchse Berlin atmen auf: Paul Drux ist nach langer Verletzungspause endlich zurück. Davon soll auch die Nationalmannschaft bei der WM profitieren.
Wie viel Christian Prokop von Paul Drux hält, konnte man am Tag der WM-Nominierung erkennen. Der Handball-Bundestrainer berief den lange verletzten Spieler der Füchse Berlin nicht nur in den vorläufigen Kader für das große Heimturnier ab Mitte Januar, er lud ihn entgegen der ursprünglichen Planung auch zum Lehrgang nach Rostock ein. Drux gehört damit zu den 17 Spielern, die sich an der Ostsee auf die Titel-Mission einstimmten und denen ein WM-Ticket fast sicher ist.
„Manchmal erwische ich mich dabei, wie ich davon träume, was in ein paar Wochen in Deutschland abgeht", sagte Drux. Vor gar nicht langer Zeit musste der Berliner um seinen Traum von einer Weltmeisterschaft vor seiner Haustür noch stark bangen. Anfang Oktober entschied sich der 23-Jährige zu einer Operation am linken Sprunggelenk, nachdem er lange nur mit Schmerzen hatte spielen können.
Bei dem Eingriff wurden eine Bänderverletzung behoben und Narbengewebe entfernt. Nervös wurde der Rückraumspezialist aber nicht: „Ich hatte schon einige Verletzungen, und da hat man sich vom Kopf her verändert, ist ein bisschen gelassener in manchen Situationen." Am Nikolaustag dann die Bescherung: Endlich durfte Drux in der Bundesliga wieder aufs Parkett stürmen – und das auch noch bei seinem Heimatverein VfL Gummersbach. Drux half mit, den dritten Sieg in Serie einzufahren. Von seiner Topform war der Nationalspieler erwartungsgemäß noch weit entfernt.
„Natürlich war bei mir alles noch etwas vorsichtig", sagte Drux. Nur zwei volle Trainingseinheiten habe er im Vorfeld absolviert, dafür sei er durchaus zufrieden: „Ich habe nach meiner Verletzung keine Angst vor den Zweikämpfen. Natürlich fehlt mir jetzt noch die Spielpraxis." Auch wenn alle Augen auf sein Comeback gerichtet waren, Drux warnte vor zu großen Erwartungen in den ersten Spielen nach seiner Rückkehr: „Man sollte in den ersten Tagen nicht zu viel erwarten. Ich muss erst mal reinfinden und ein Gefühl für das Spielfeld und den Ball bekommen."
„Ich habe keine Angst vor den Zweikämpfen"
Ein gesunder und fitter Drux ist unersetzlich – das sehen die Verantwortlichen bei den Füchsen und der Nationalmannschaft gleichermaßen so. Als Bob Hanning beim damaligen Zweitligisten Füchse Berlin als Manager einstieg, war seine erste Amtshandlung die Stärkung der eigenen Jugend. Er selbst übernahm das Training der A-Jugend, und dort machte er es sich zur Chefsache, Paul Drux den Weg zu einem Weltklassespieler zu ebnen. Denn Hanning erkannte sofort das riesige Talent des großgewachsenen und wurfgewaltigen Rückraumspielers. „Er kann der neue Nikola Karabatic werden", sagte Hanning, als Drux gerade mal 19 Jahre alt war, die ersten Bundesligaspiele hinter sich hatte und ins Rookie-Team der WM 2015 in Katar gewählt worden war.
Karabatic, der französische Ausnahmespieler auf der Königsposition – ein größeres Vorbild gab es zu jener Zeit nicht. Drux war und ist der Vergleich gar nicht so recht: „Ich habe immer gesagt, ich bin kein Karabatic." Er habe immer versucht, „ich selbst zu bleiben". Und zu Paul Drux gehört neben dem Weltklassetalent eben auch die Verletzungsanfälligkeit.
Trotz seines frühen Debüts in der Nationalmannschaft am 20. September 2014 hat Drux mit den „Bad Boys" erst einen großen Erfolg gefeiert: Olympia 2016 in Rio de Janeiro. Die Bronzemedaille entschädigte für viele Rückschläge. Beim sensationellen EM-Triumph 2016 hatte Drux gefehlt, weil ihn eine komplizierte Schulter-Operation außer Gefecht gesetzt hatte. Mit „einem gemischten Gefühl" habe er die EM-Spiele damals im Fernsehen verfolgt.
Dieses Gefühl ist ihm mittlerweile sehr vertraut. Bei der Europameisterschaft vor einem Jahr verletzte sich der Berliner im Hauptrundenspiel gegen Dänemark. Meniskusriss, Abreise, Operation, vorzeitiges EM-Aus. „Immer wenn ich zurückkam, wurde ich erneut aus dem Tritt gebracht", sagt Drux. Aufgrund der ständigen Auszeiten meinen fast alle Experten, dass man den besten Paul Drux noch gar nicht erlebt hat. Spielrhythmus und Fitness sind wohl das einzige, was dem 1,92-Meter-Mann zu einer Weltkarriere noch fehlt.
Sollte Drux irgendwann zu der Erkenntnis gelangen, dass sein Körper für den Hochleistungssport vielleicht doch nicht geschaffen ist, hat er bereits vorgesorgt. Sein Studium der Wirtschaftsinformatik betreibt Drux mit Eifer und Freude, und mit seinem Berater Andre Tzschaschel und Fotograf Felix Pöhland hat er die Firma „Reulix" gegründet. Sie stellt Mode für den Sportler-Alltag her.
„Mich reizt es, mal über den Tellerrand hinauszuschauen, und ich kann damit auch viel Praxis für mein Studium sammeln", sagte Drux der „Berliner Morgenpost". „Ich finde es toll, etwas Eigenes zu schaffen, das treibt mich an, und Unternehmer zu sein, ist eine tolle Herausforderung." In der ersten Kollektion tobten sich die Designer im Handball aus: Fast alle typischen Handball-Aktionen sind auf T-Shirts, Pullovern und anderen Klamotten gedruckt.
Noch aber hat Drux seine aktive Karriere längst nicht abgehakt, im Gegenteil. Bei der Reha nach seinem Außenband-riss drückte Drux nicht unnötig aufs Tempo, nur um noch rechtzeitig auf den WM-Zug aufzuspringen. Denn er will langfristig mit der Nationalmannschaft und den Füchsen Berlin noch viel erreichen. „Der Bundestrainer hat mir ganz klar signalisiert, ich soll mir so viel Zeit nehmen, wie ich brauche", erklärte Drux. „Alles andere bringt überhaupt nichts, weder dem Verein, noch der Nationalmannschaft – und mir schon gar nicht."
In Berlin ist Drux mittlerweile die Identifikationsfigur schlechthin. Mit der A-Jugend gewann er drei Meistertitel in Folge (2012, 2013 und 2014), im Männerteam ist der torgefährliche und spielstarke Rückraumexperte nicht mehr wegzudenken. Und Manager Hanning plant, das Eigengewächs auch nach der Karriere in die Vereinsarbeit einzubinden. Dann wäre Drux endgültig der Prototyp der Füchse-Strategie. „Wir müssen unsere Nachwuchsspieler zur Weltklasse entwickeln, sie durch Identifikation hier halten und ihnen andere Weltklassespieler an die Seite stellen. Im Grunde müssen Menschen wie Paul Drux irgendwann mal diesen Verein führen", sagt Hanning.
Dass er das Talent zur Weltklasse hat, will Drux bei der Heim-WM beweisen. Seine Erinnerungen an die letzte Weltmeisterschaft in Deutschland, als das DHB-Team 2007 nur 25 Kilometer entfernt vom Haus der Familie Drux wohnte und am Ende den Titel gewann, sind noch sehr präsent. „Damals war die ganze Region infiziert und in Schwarz-Rot-Gold gehüllt", erinnert sich Drux. „Davon kriege ich heute noch Gänsehaut."