Das Jugendnachsorgeprojekt der Elterninitiative krebskranker Kinder im Saarland e.V. setzt sich für von Krebs betroffene junge Menschen und ihre Familien ein.
Wer weiß, ob sich Lea und Lena sonst je kennengelernt hätten. Doch das Schicksal hat die 17- und die 18-Jährige zusammengeführt. Beide verbindet die Diagnose Krebs.
Bei Lea fing es 2015 an. „Der Bluttest war eindeutig: Leukämie", erzählt die Gymnasiastin. Die damals 14-Jährige kam zur stationären Chemotherapie an die Uniklinik Homburg. Neun Monate kämpfte Lea gegen den Krebs.
Nach den Sommerferien 2016 konnte Lea wieder zur Schule. Im nächsten Jahr macht sie Abitur.
Weniger geradlinig verlief die Erkrankung von Lena. Sie war gerade erst sechs Jahre alt, als nach vier Monaten und vielen Untersuchungen feststand: Sie ist an Leukämie erkrankt. Nur eine Knochenmarktransplantation konnte helfen. Da weder Eltern noch Geschwister als Spender infrage kamen, fand sich über die deutsche Knochenmarkspenderdatei gottlob ein Spender.
Nach erfolgreicher Transplantation fanden die Nachuntersuchungen an der Uniklinik in Homburg statt. „Viel Kraft gegeben haben mir neben meiner Familie und Freunden vor allem meine damalige Kassenlehrerin und meine Klassenkameraden, die mir Briefe geschrieben und Bilder gemalt haben." Ende 2007 konnte Lena nach Hause und auch wieder in ihre Grundschulklasse gehen. Im Mai 2019 wird auch sie Abitur machen.
Ihre Erkrankungen haben die beiden Mädchen im „JuNa-Projekt", dem Jugendnachsorgeprojekt der Elterninitiative krebskranker Kinder im Saarland e. V., zusammengeführt.
Denn so erfreulich die Rückkehr beider Mädchen in ihren Schulalltag auch ist, sollte ein Aspekt der Erkrankung nicht vernachlässigt werden: Die lebensbedrohliche Krebserkrankung, die kräftezehrende Therapie, die bangen Fragen, ob sie den Krebs besiegen, und wie sich ihr Leben nach dem Klinikaufenthalt gestalten würde, all das hat die Mädchen reifen lassen. Ein Anknüpfen an ihr früheres unbeschwertes Leben war nicht mehr nahtlos möglich.
„Ich habe schnell gemerkt, dass einige frühere Beziehungen nicht mehr zu mir passten", sagt Lea.
„Diese Eindrücke und Empfindungen schildern uns viele Kinder und Jugendliche nach ihrer Krebserkrankung", erklärt Michael Schneider, Vorsitzender der Elterninitiative krebskranker Kinder im Saarland e. V.
Gedanken und Ängste austauschen
„Vielen fällt es schwer, sich im Lebensalltag wieder zurechtzufinden und ein ‚normales‘ Leben unter Gleichaltrigen zu führen. Die Krebserkrankung und deren Behandlung prägt Kinder und Jugendliche, initiiert einen Reifungsprozess, der es ihnen schwer macht, sich mit den Problemen der Gleichaltrigen zu identifizieren. Aus diesen Gründen haben wir vor einigen Jahren das Projekt der Jugendnachsorge, kurz ‚JuNa‘ genannt, ins Leben gerufen."
Lenas Mutter ergänzt: „Vielen ist es wichtig, ihre Gedanken und Ängste mit Gleichbetroffenen auszutauschen. Da ist ‚JuNa‘ die richtige Anlaufstelle."
„In unserer „JuNa"-Gruppe weiß jeder, wovon er redet", bestätigen Lea und Lena. „Wir müssen nicht groß erklären, was uns umtreibt, worüber wir nachdenken. Das macht es leichter für uns, wenn wir mal das Bedürfnis haben, über unsere Sorgen oder Ängste zu sprechen. Im Großen und Ganzen unterhalten wir uns wie alle anderen Jugendlichen auch, unsere Krankheit spielt keine Rolle, sie ist nur der Grund weshalb wir uns kennengelernt haben."
Professionell und personell betreut wird „JuNa" von zwei Ergotherapeutinnen sowie einer Krankenschwester der Station. Spendengelder helfen bei der Finanzierung. Die rund 35 Jugendlichen, die zwischenzeitlich bei der „JuNa" aktiv sind, treffen sich in regelmäßigen Abständen im Raum Homburg/Saarbrücken. Hierbei nutzen die Jugendlichen die Möglichkeit, sich ungestört und völlig freiwillig mit anderen, ehemaligen Patienten auszutauschen.
Generell stehen Spaß und gute Laune bei den Treffen im Vordergrund. Letztlich wollen die Jugendlichen – wie alle ihre Altersgenossen auch – sich ausprobieren, und neue Hobbys entdecken. Dazu können sie ihre Interessen einbringen und Aktivitäten selbst planen. So besuchten die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen in den vergangenen Jahren den Europapark in Rust, schnupperten unter professioneller Anleitung ins Golfspielen hinein, gingen gemeinsam ins Theater, ins Kino oder in Musicals, führten Tages- und Mehrtagesfahrten innerhalb Deutschlandes und ins benachbarte Ausland durch, grillten zusammen, spielten Fußball und vieles mehr.
„Jugendliche fassen wieder Mut"
„Die gemeinsamen Aktivitäten machen die Jugendliche selbstbewusster, sie fassen wieder Mut, offener mit ihrer Erkrankung umzugehen und finden so gestärkt erneut Anschluss an die frühere Bezugsgruppe", freut sich Ina Ruffing, die bei der Elterninitiative krebskranker Kinder neben der Mitgliederbetreuung unter anderem auch fürs Eventmanagement zuständig ist. Die vorbildliche Arbeit überzeugte auch die Firma ProWin. Der Verein war einer der diesjährigen Gewinner des Förderpreises der ProWin-Stiftungen.
Für Lena und Lea ist „JuNa" ein Glücksfall. Die beiden wirken unbeschwert und sicher, wenn sie von ihren gemeinsamen Aktivitäten erzählen. Sie werfen sich im Gespräch gegenseitig die Bälle zu, erzählen selbstbewusst von sich, ihrer Krankheit und ihren Zukunftsplänen. Sie scheinen sich blind zu verstehen. Zwei Jugendliche auf dem Weg zum Abitur, die bald zu neuen Ufern aufbrechen werden.