Im Frühjahr vor, im Herbst zurück: Vor allem in Deutschland sind viele genervt vom Hin und Her zwischen Sommer- und Winterzeit. Aber auch die Abschaffung birgt Risiken und Nebenwirkungen. Noch ist unklar, was die Uhr geschlagen hat.
Im März eine Stunde vor, im Oktober eine Stunde zurück – seit Jahrzehnten schon wird in der Europäischen Union zwei Mal im Jahr die Zeit umgestellt. Doch seit Anfang August scheint das Ende dieser seit Jahren umstrittenen Regelung absehbar. In einer EU-weiten Umfrage hatte sich zuvor eine überwältigende Mehrheit der Teilnehmer für die Abschaffung der Zeitumstellung ausgesprochen. Die Abstimmung war zwar alles andere als repräsentativ und vor allem auch nicht bindend. Doch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will dem folgen. „Die Menschen wollen das, wir machen das", sagte der Kommissionschef im ZDF. Und löste damit eine europaweite Diskussion aus.
Am Ende war alles aber wohl doch ein bisschen hopplahopp: Die zwischenzeitlich schon für 2019 angekündigte Abschaffung des Wechsels zwischen Sommer- und Winterzeit lässt sich in der Europäischen Union so schnell nicht umsetzen. „Frühestens 2021 ist es so weit, dass die Zeitumstellung beendet wird", sagte Österreichs Verkehrsminister Norbert Hofer Anfang Dezember als Vorsitzender der EU-Länder in Brüssel. Sonst drohe ein „Zeit-Fleckerl-Teppich" in Europa. Die Gegner des Uhrendrehs müssen sich also gedulden, vor allem in Deutschland.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte Mitte September vorgeschlagen, 2019 die Uhr zum letzten Mal umzustellen. Hintergrund war besagte Online-Umfrage: Mehr als 80 Prozent der 4,6 Millionen Teilnehmer plädierten für ein Ende der Zeitumstellung, darunter allein drei Millionen aus Deutschland. Viele Kritiker argumentierten, es sei kaum bekannt gewesen, dass eine solche Umfrage laufe.
Vermeidung eines Flickenteppichs für viele wichtig
„Die Mehrheit der Menschen in Deutschland hat eine eindeutige Präferenz – ich auch", sagte dagegen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier der Funke Mediengruppe. „Deshalb plädiere ich wie sie für die Abschaffung der Zeitumstellung und die dauerhafte Sommerzeit." Der CDU-Politiker pries noch einmal die Vorteile aus deutscher Sicht: „So könnte man öfter nach der Arbeit noch ein paar Sonnenstrahlen tanken, die Menschen könnten auch in der kalten Jahreszeit länger im Freien aktiv sein, Kinder nach der Kita oder der Schule länger im Hellen draußen spielen." Nur: Die Umsetzung könnte eben auch große Nachteile bringen. Das machten die Minister mehrerer EU-Länder bei den Beratungen in Brüssel deutlich. So hat Portugal die dort 1916 eingeführte Zeitumstellung im Laufe der Jahrzehnte bereits mehrfach abgeschafft und wieder rückgängig gemacht. Die Menschen hätten sich nicht wohl damit gefühlt, sagte Minister Pedro Marques. „Das jetzige System funktioniert und es bleibt das passendste – zumindest für mein Land."
Auf EU-Ebene wird nur entschieden, ob es den Wechsel zwischen Winter- und Sommerzeit noch geben soll. Welche Zeit in den einzelnen Ländern gilt, ist nationale Angelegenheit. Die EU-Staaten sollen wählen können, ob sie dauerhaft Winter- oder Sommerzeit haben wollen. Probleme macht nun die Koordinierung zwischen den Ländern. „Es wäre unsinnig, wenn Deutschland oder Ungarn und Italien und Österreich unterschiedliche Zeitsysteme hätten", sagte der österreichische Minister Hofer. Vielmehr müssten sich Nachbarstaaten auf ein Modell einigen. „Welches Modell das sein wird, Sommerzeit oder Winterzeit, das werden die Gespräche in den nächsten Monaten zeigen." Derzeit gibt es in Mitteleuropa eine große Zeitzone von Polen bis Spanien, zu der Deutschland und 16 weitere EU-Länder gehören. Sie soll zugunsten von Reisenden und Handel möglichst erhalten bleiben. Doch käme für alle 17 Staaten die dauerhafte Sommerzeit, hieße das für Spanien: im Winter Dunkelheit bis kurz vor 10 Uhr. Einigen sich alle auf Winterzeit, würde es in Warschau im Sommer schon um 3 Uhr hell werden. Die Zeitumstellung zweimal im Jahr dämpft die Extreme.
Mehrere EU-Minister forderten in Brüssel, zunächst die Folgen und möglichen Risiken gründlich zu prüfen. Am Ende plädierten fast alle dafür, jetzt nichts zu überstürzen. Für Deutschland sagte Verkehrsstaatssekretär Guido Beermann zwar, man wolle die Entscheidung nicht auf die lange Bank schieben. Doch sei die „Vermeidung eines Flickenteppichs für uns von zentraler Bedeutung". Eine endgültige Festlegung auf Sommer- oder Winterzeit wolle auch Deutschland erst im Laufe der Beratungen treffen.