US-Präsident Trump hat bei den Kongresswahlen das Repräsentantenhaus an die Demokraten verloren. Doch Trump wäre nicht Trump, sähe er sich nicht trotzdem als großer Gewinner. Schließlich ist er nach seinen eigenen Worten „eine großartige moralische Führungsfigur".
US-Präsident Donald Trump ist bekannt dafür, dass er sich seine Wirklichkeit zurechtbastelt. Seine Beraterin Kellyanne Conway prägte einst den Begriff „alternative Fakten". Dass die oppositionellen Demokraten bei den Kongresswahlen das Repräsentantenhaus gewannen, hielt Trump nicht davon ab, dennoch einen „großen Sieg" auszurufen. Zwar gelang es seinen Republikanern, den Senat zu halten und ihre Mehrheit in der zweiten Kammer sogar ausbauen. Dass es für Trump nun unangenehm werden dürfte, machte der Präsident allerdings selbst deutlich.
Selten dürfte eine Zwischenwahl in den USA mit mehr Spannung verfolgt worden sein als die Anfang November. Die sogenannten Midterms waren die erste landesweite Abstimmung seit Trumps Wahlsieg vor zwei Jahren – und Trump hatte sie zu einem Votum über sich selbst erklärt. Trump ist ein Präsident, der die Öffentlichkeit belügt, der politische Gegner beleidigt, der Verbündete verprellt, der alle Normen auf den Kopf stellt. Die Demokraten hatten gehofft, den Republikanern bei den Kongresswahlen die Quittung für diese präsidiale Dampfwalzen-Politik zu präsentieren. Wer aber darauf spekulierte, mit den Kongresswahlen werde Trump die Rote Karte gezeigt, sah sich nach Schließung der Wahllokale getäuscht.
Für Zwischenwahlen – die traditionell zu einer Abrechnung mit der Partei des Präsidenten werden – sind Trump und die Republikaner verhältnismäßig glimpflich davongekommen. Nach den Midterms vor vier Jahren stand Trumps demokratischer Vorgänger Barack Obama einer republikanischen Mehrheit in beiden Kammern gegenüber, die dessen Regierung in den letzten beiden Jahren seiner Amtszeit lähmte. Mit der republikanischen Mehrheit im Senat sind zumindest Trumps Personalentscheidungen nicht blockiert, was den Präsidenten, der in hoher Taktung heuert und feuert, erleichtern dürfte. Der Senat ist jene Kammer im Kongress, die Trumps Ernennungen bestätigen muss – seien es Bundesrichter, Kabinettsmitglieder oder Botschafter.
Trump spielt den Ball ins Feld der Demokraten
Nur einen Tag nach der Wahl drehte sich das Personalkarussell im Weißen Haus schon wieder: Justizminister Jeff Sessions, der bei Trump im Zusammenhang mit der Russland-Affäre schon lange in Ungnade gefallen war, nimmt seinen Hut.
Wenn auch keine Rote, so bekam Trump vom Wähler doch eine Gelbe Karte. Die von manchen Republikanern befürchtete „blaue Welle" – Blau ist die Farbe der Demokraten – blieb zwar aus. Der von Trump erklärte „großartige Erfolg" wirkt aber zweifelhaft, führt man sich vor Augen, wie sehr Trump der Verlust des Repräsentantenhauses treffen könnte. Die Demokraten können mit ihrer Mehrheit künftig Gesetzesvorhaben blockieren, und sie könnten ein Amtsenthebungsverfahren einleiten. Trump muss nach derzeitigem Stand zwar nicht befürchten, tatsächlich aus dem Amt gejagt zu werden – das müsste der Senat mit einer Zweidrittelmehrheit beschließen. Die Demokraten im Repräsentantenhaus können Trump aber mit Untersuchungen das Leben schwer machen.
Trump-Beraterin Conway sagte dem Sender CNN einen Tag nach den Wahlen: „Der Präsident ist wegen gar nichts nervös." Trumps Tweet um 8.04 Uhr am Morgen – es war der neunte seit Mitternacht – sprach eine andere Sprache. Darin warnte der Präsident die Demokraten davor, mit ihrer neuen Mehrheit Ermittlungen gegen ihn und seine Regierung einzuleiten – und drohte der Opposition seinerseits mit Untersuchungen. „Sie können dieses Spiel spielen, aber wir können es besser spielen", sagte er bei einer eineinhalbstündigen Pressekonferenz. Zugleich bot er den Demokraten, die er im Wahlkampf noch als „radikale Sozialisten" verunglimpft hatte, Zusammenarbeit an. „Ich glaube wirklich, dass wir eine Chance haben, sehr gut mit den Demokraten auszukommen", sagte er. Damit spielte er den Ball ins Feld der Opposition: Sollten seine Vorhaben künftig im Repräsentantenhaus scheitern, hat er in den Demokraten einen hervorragenden Sündenbock.
Dass der einstige Baumagnat womöglich einiges zu verbergen haben könnte, darauf deutet zum Beispiel hin, dass er die Veröffentlichung seiner Steuererklärungen verweigert. Zur Begründung sagte Trump: „Sie sind extrem kompliziert. Die Menschen würden sie nicht verstehen." Nicht ausgeräumt ist auch der Verdacht, sein Wahlkampfteam könnte 2016 geheime Absprachen mit Russland getroffen haben. Trump sprach dagegen erneut von einer „Hexenjagd".
Vorsichtshalber hatte Regierungssprecherin Sarah Sanders die Demokraten noch vor Bekanntwerden der Ergebnisse gewarnt: „Wenn die Demokraten das Repräsentantenhaus holen, sollten sie keine Zeit mit Ermittlungen verschwenden. Sie sollten sich auf das konzentrieren, wofür die Leute sie gewählt haben." Viele Menschen dürften die Demokraten allerdings just dafür gewählt haben, dass sie Trump ausbremsen. In einer Nachwahlbefragung des Senders CNN erklärten 39 Prozent der Befragten, ihre Stimme sei eine gegen Trump gewesen. Nur 26 Prozent sagten, sie wollten Trump mit ihrer Wahl unterstützen. Bezeichnend auch, dass mehr als drei Viertel der Befragten meinten, dass das Land tiefer gespalten sei als früher.
Trump lobt sich munter selbst
Maßgeblich verantwortlich dafür ist Trumps hitzige Rhetorik. Im Wahlkampf machte er Stimmung gegen Migranten. Den Demokraten unterstellte er, sie wollten Amerika zu einer Art sozialistischem Venezuela mit offenen Grenzen machen. Dass seine Rhetorik problematisch sein könnte, räumte Trump in einem für ihn seltenen Moment der Einsicht kurz vor den Midterms selber ein. Der Sinclair-Sendergruppe sagte er am Tag vor der Wahl auf die Frage, ob es etwas gebe, was er in seiner Amtszeit bereue: „Ich hätte gerne einen viel sanfteren Umgangston. Ich habe das Gefühl, dass ich bis zu einem gewissen Grad keine Wahl habe. Aber vielleicht habe ich die." Ein sanfter Donald Trump? Das scheint schwer vorstellbar, und vielleicht war die Aussage für jene Wähler gedacht, die zwar Republikaner sind, sich aber von Trumps Rhetorik abgestoßen fühlen.
Vor diesem Hintergrund war wenig verwunderlich, dass Trump schon am Tag nach der Wahl in seinen alten Duktus zurückfiel. „Sie sind eine furchtbare, unverschämte Person", fuhr Trump den CNN-Reporter Jim Acosta bei der Pressekonferenz im Weißen Haus an. „Wenn Sie Fake News in die Welt setzen, was CNN tut, dann sind Sie der Feind des Volkes." So sehr Trump andere kritisierte, so sehr lobte er sich wie üblich selbst. „Ich denke, ich bin eine großartige moralische Führungsfigur", prahlte er bei der Pressekonferenz.
Den Demokraten mag Trump nun notgedrungen Zusammenarbeit anbieten. Europa kann dagegen kaum auf ein Ende der konfrontativen Politik Trumps hoffen. „Es wäre ein Irrglaube, nun auf Kurskorrekturen von Donald Trump zu setzen", schrieb Bundesaußenminister Heiko Maas auf Twitter.
Dessen Amtsvorgänger Sigmar Gabriel sagte bei einem USA-Besuch am vergangenen Freitag mit Blick auf Trump und das transatlantische Verhältnis: „Dieses traditionelle westliche Bündnis kommt nicht zurück. Das hat er zerstört."