Kleidung für das Ballett „Shunkin" – Teil des Tanzabends „Spiegelungen" – zu kreieren, war eine spezielle Herausforderung für Modedesignerin Laura Theiss.
Frau Theiss, Sie sind Modedesignerin und haben sich mit Häkel- und Strickkreationen einen Namen gemacht. Sind Sie in Litauen, wo Sie geboren sind, mit dieser Handarbeit in Berührung gekommen?
Meine Oma hat gehäkelt und gestrickt, dieses alte Handwerk wurde mir quasi in die Wiege gelegt. Ich bin damit groß geworden. Das ganze Haus war mit gestickten und gehäkelten Sachen dekoriert. Das war erst mal mein Hobby. Ich habe mir nie vorgestellt, das hauptberuflich zu machen. Schon mit sieben Jahren habe ich die ersten Tischdecken gehäkelt. Meine Oma hat auch viel gelesen, vielleicht auch daher meine Vorliebe fürs Lesen und das Theater.
Sie haben zuerst Betriebswirtschaft studiert und sind dann an die Londoner Kunsthochschule Saint Martins gegangen.
Warum nicht gleich Mode studieren, ja?
Nein. (beide lachen) Die Frage habe ich noch gar nicht gestellt: Ist das die perfekte Kombination, um sich mit einem eigenen Modelabel selbstständig zu machen, wie Sie es getan haben?
Diese Reihenfolge ist auch okay. Viele machen es andersherum: Zuerst studieren sie Mode und überlegen sich dann erst, wie es im Geschäftsleben weitergehen soll. Ich wollte auch zuerst Mode studieren. „Ja, Kind mach was Anständiges", hat es bei mir zu Hause geheißen. BWL war ein Trend damals – ich wurde von meiner Familie dazu überredet. Ich war eine der besten Studentinnen damals und habe jedes Projekt, das möglich war, mit Mode verbunden. Für die Diplomarbeit habe ich mich mit einer Labelgründung beschäftigt. Die Diplomarbeit musste man vortragen, da habe ich sogar eine kleine Modenschau präsentiert. Mit der Begründung „wir sind keine Modeschule" habe ich nicht gerade die beste Note bekommen.
Sie haben bereits zwei Ballette von Marguerite Donlon ausgestattet und nun erstmals mit Ballettchef Stijn Celis zusammengearbeitet. Das Handlungsballett „Shunkin" greift die japanische Erzählung „Biographie der Frühlingsharfe" von Tanizaki auf. Wie haben Sie sich dieser Geschichte genähert?
Ich habe die Erzählung gelesen, um mir die Charaktere vorstellen zu können. Ich habe mich mit Stijn Celis zu vielen Abend- und Mittagessen getroffen, um über das Stück zu philosophieren. Die Farbe Rot im Kostüm der Shunkin entstand im Gespräch mit Stijn. Wir wollten eine Frau zeigen, die stark ist. Die Herausforderung war, traditionelle Kostüme zu zeigen, aber sie so zu modernisieren, dass die Tänzer sich darin bewegen können und es trotzdem gut aussieht.
Auf welche Weise ist Ihnen das gelungen? Ein Kimono sieht nicht bewegungsfreundlich aus.
Das war ein Prozess. Ganz am Anfang war ich sogar leicht verzweifelt. Ich war froh, schon in Japan gewesen zu sein und einen Kimono einige Male angehabt zu haben. Ich hatte einige einfache Kimonos zu Hause, mitgebrachte Souvenirs aus Japan. Ich habe sie angezogen und gemerkt, dass man sich nur hinknien und aufstehen kann. Wenn man die Hände gehoben hat, hob sich der ganze Kimono. Dann habe ich den Kimono auf die Mannequin-Puppe gewickelt und mit dem Schneidern begonnen. Beispielsweise habe ich eine Seite aufgeschnitten und in Plissee ausgetauscht, um eine Bewegungsfreiheit des Beines zu erreichen. Als Modedesignerin bringe ich auch unbewusst Trends ein – Plissee ist gerade sehr in.
Die leuchtenden Farben der Stoffe, die Sie für die Charaktere ausgewählt haben, sind ein opulenter optischer Genuss. Ging es dabei um die Überlegung, der düsteren Geschichte etwas entgegenzusetzen?
Die Farben in Japan sind stark. Unsere Aufgabe ist ja nicht nur, die Geschichte zu erzählen, sondern auch zu unterhalten. Es ist viel einfacher, dunkle und düstere Kostüme als farbenfrohe Kostüme zu machen. Wir wollten volles Risiko eingehen.
Vor allem bei den drei Geishas – ein Feuerwerk!
Ja, das war so gedacht.
Sie haben sich mit dem traditionellen Kimono intensiv beschäftigt. In Japan trägt man diesen nur bei besonderen Anlässen. Was ist das für ein – für uns West-Europäer – höchst ungewöhnliches Gewand?
Ja, wie Sie schon sagten: Es ist ein traditionelles Gewand, aber jetzt ist es in Japan, wie bei uns in Bayern, das Dirndl. Ich bin schon in Deutschland mit unseren japanischen Gästen, die einen Kimono anhatten, ausgegangen. Nicht nur Geishas tragen heutzutage Kimono.
Sie haben Gestricktes und Gehäkeltes, was lange Zeit als altmodisch anmutete, schon 2009 auf den Laufsteg gebracht und damit einen Trend beflügelt. Häkeln und Stricken sind wieder in. Wie nehmen Sie dieses Revival wahr?
Das ist toll! Ich bin Botschafterin dieses Handwerks. Es schien, als würde es aussterben. Warum ist das plötzlich so ein Trend geworden? 750 Gramm Garn kaufen und einen Pulli stricken – das können nicht mehr so viele. Das ist etwas Besonderes geworden.
Glauben Sie, dass Ihnen Häkeln und Stricken jemals langweilig werden könnte?
Nein, niemals. Das ist meine Muttersprache.