Während der insolvente Chemnitzer FC die Regionalliga Nordost im ersten Halbjahr dominiert hat, befinden sich zwei weitere Topteams der Spielklasse in akuter finanzieller Not.
Vor dieser Spielzeit gab es nach Einschätzung der Experten keinen einzelnen Spitzenkandidaten in der Regionalliga Nordost, so wie es etwa das Jahr zuvor Energie Cottbus war. Das lag unter anderem auch daran, dass die Aufstiegsregelung der Nordost-Staffel diesmal einmalig einen festen Aufsteiger in die Dritte Liga verspricht. Es wurde somit erwartet, dass angesichts der fehlenden Unwägbarkeit der Relegationsspiele mehr Vereine den Hut in den Ring werfen würden. Doch die Kandidaten hielten sich im Vorfeld der Saison eher bedeckt. Dass Ende 2018 nun doch ein Verein schon mit zwölf Punkten Vorsprung die Tabelle anführt und es sich mit dem Chemnitzer FC um ein Team handelt, das im Vorfeld eher der Kategorie „Die große Unbekannte" zugeordnet wurde, überraschte dann schon. Zwar waren die Sachsen als Absteiger aus der Dritten Liga quasi zwangsläufig auf der Liste der Aufstiegskandidaten. Angesichts des im Frühjahr gestellten Insolvenzantrags aber mussten sie einen Totalumbruch vollziehen. Nur Kapitän Dennis Grote und Torjäger Daniel Frahn wurden gehalten – ansonsten musste der (ebenfalls neue) Sportdirektor Thomas Sobotzik einen komplett neuen Kader auf die Beine stellen. Der Saisonstart mit 15 Siegen in Serie wirkt vor diesem Hintergrund fast wie ein kleines Wunder in Himmelblau.
Auch der FC Rot-Weiß Erfurt kam als insolventer Absteiger in die Nordost-Staffel – und in Thüringen leistete Sportdirektor Oliver Bornemann ebenfalls gute Arbeit beim personellen Neuaufbau. Neu-Coach Thomas Brdaric führte den Traditionsverein bis auf den dritten Platz (mit einem Spiel weniger). Wie dünn das Eis ist, auf dem sich die Erfurter aber nach wie vor finanziell bewegen, spiegelt die Situation noch im Oktober wider. Da stand nämlich der FC Rot-Weiß vor dem endgültigen Aus. Erst Zahlungen aus einem Sponsorenpool sicherten die Existenz des Traditionsvereins – zumindest bis zum Ende des abgelaufenen Jahres. Parallel soll als überlebenswichtige Maßnahme die Ausgliederung des Regionalligateams vorangetrieben werden. Beim Spitzenreiter scheint der Gesundungsprozess dagegen schon weiter als bei RWE – die Übertragung des Spielbetriebs an die neu gegründete „Chemnitzer FC Fußball GmbH" wurde bereits vollzogen und inzwischen durch den Nordostdeutschen Fußballverband (NOFV) bestätigt. Damit ist auch ein wichtiger Schritt für das Lizenzierungsverfahren zur Dritten Liga im März vollzogen. Einem möglichen Aufstieg stünde dann im besten Fall nichts mehr im Wege – ob sich die Lösung mittelfristig für den Club als tragfähig erweist, wird sich allerdings in der Praxis noch erweisen müssen.
CFC erfolgreich trotz Totalumbruch
Wie trüb Himmelblau im negativen Fall aussehen kann, bewies dagegen der FC Viktoria 89. Die im Sommer versprochenen Millioneninvestitionen eines chinesischen Investors flossen offenbar nicht wie versprochen an die Berliner – so wurde Mitte Dezember der Gang in die Insolvenz unvermeidlich. Von Vereinsseite hatte man sich dabei bezüglich des Geldgebers und des Ausmaßes der Unterstützung stets bedeckt gehalten. Fest steht: Der Kader wurde zwar vor der Saison nominell aufgebessert, außer Petar Sliskovic (ehemals Mainz 05) oder Jürgen Gjasula (unter anderem Fürth) blieben prominente Neuzugänge aber aus. Trainer Jörg Goslar kam dazu erst vier Wochen vor Saisonstart an Bord. So spielte man als Tabellensechster nicht mehr als ein ordentliches Halbjahr. Gute Phasen wurden dabei immer wieder, vor allem auswärts, durch Niederlagen von Bautzen bis Auerbach konterkariert.
Beim bislang besten Hauptstadtvertreter der Regionalliga, dem Berliner AK, blühten vor der Saison sicher auch wieder die Aufstiegsträume. Seit dem tragisch verlaufenen Aufstiegsrennen 2015/16, als man dem FSV Zwickau Platz eins aufgrund eines um einen Treffer schlechteren Torverhältnisses überlassen musste, war man zuletzt immer deutlicher gescheitert. Präsident und Geldgeber Mehmet Ali Han hatte schließlich zermürbt Amt und Mäzenatentum zurückgefahren – doch angesichts der diesjährigen Regelung des direkten Aufstiegsplatzes meldete sich der Bauunternehmer noch einmal mit vollem Engagement zurück. Ersan Parlatan, der schon einmal in Moabit gearbeitet hatte, trat die Stelle als neuer Trainer mit frisch erworbener DFB-Fußballlehrer-Lizenz an. Mit 17 Zugängen wurde der Kader ebenfalls runderneuert, Tolcay Cigerci (von Greuther Fürth, Bruder von Ex-Hertha-Profi Tolga) ist der vielleicht prominenteste von ihnen. Vor allem zu Hause ließ der BAK aber zu viel liegen (nur 17 Punkte in neun Heimspielen) und steht als Zweiter in der Rückserie vor einer scheinbar aussichtslosen Aufholjagd.
Rydlewicz trat noch vor Weihnachten zurück
Rundum zufrieden unter den Berliner Vertretern in der Regionalliga Nordost kann man so nur bei Hertha BSC sein – die Reserve des
Bundesligisten hält mit dem jüngsten Altersdurchschnitt (21,4 Jahre) einen hervorragenden vierten Platz – wird aber auch immer wieder mit jungen Spielern aus dem Bundesligakader oder mit Profis ausgestattet, die Spielpraxis benötigen. Die VSG Altglienicke (15. Platz) und der BFC Dynamo, bei dem Trainer René Rydlewicz noch vor Weihnachten auf Platz 16 zurücktrat, spielen nach aktuellem Stand wie die halbe Liga gegen den Abstieg – den Tabellenneunten (Halberstadt) trennen vom Vorletzten (Neugersdorf) schließlich nur drei Punkte. Aufsteiger Optik Rathenow hat dagegen bereits abgeschlagen die rote Laterne inne. Der Fahrstuhl für das Team von Trainerlegende Ingo Kahlisch scheint also sicher wieder abwärts zu fahren. Wie viele Vereine dabei noch den Gang in die Oberliga antreten müssen, hängt davon ab, wie viele Nordostvertreter im Sommer aus der Dritten Liga absteigen. Aktuell befinden sich der FC Carl Zeiss Jena, Energie Cottbus und der FSV Zwickau im erweiterten Kandidatenkreis.
Wie es eine Klasse tiefer beim FC Viktoria 89 weitergeht, steht unterdessen noch in den Sternen. Von Punktabzug bis Einstellung des Spielbetriebs vor Saisonende schien Mitte Dezember nichts ausgeschlossen. Im Fall des Ausstiegs der Berliner aus der Regionalliga würde der Liga-Primus aus Chemnitz übrigens auch profitieren: Das 0:1 des CFC gegen Viktoria würde gestrichen – ebenso wie die drei Punkte, die Mitkonkurrent RW Erfurt in der Hauptstadt verzeichnen konnte.