Fast Food ist schlecht für die Gesundheit. Das weiß eigentlich jeder. Was die schnellen Gerichte im menschlichen Körper genau anstellen können, erklärt Angelika Thönnes, Ernährungsmedizinerin und Vorsitzende des Adipositas-Netzwerks Saar, im Interview.
Frau Thönnes, was genau macht Fast Food so gefährlich für die Gesundheit?
Unter Fast Food werden Gerichte verstanden, die sich durch Standardisierung, schnellen Service und niedrige Preise auszeichnen. Insbesondere Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sprechen darauf an und sind daher eine beliebte Zielgruppe. Zu Fast Food werden dabei die Currywurst, der Döner Kebab, der Burger gezählt, aber auch das allseits beliebte warme Fleischkäsebrötchen und die Bratwurst müssen dazu gezählt werden.
Alles also Produkte, die für die meisten leicht und schnell verfügbar sind.
Das stimmt. Und das Fatale: Diese Produkte zeigen eine ungünstige Nährstoffrelation, eine hohe Energiedichte.
Was bedeutet das?
Das heißt: Schon kleine Portionen enthalten bereits viele Kalorien bei gleichzeitig geringem Gehalt an Mikronährstoffen. Durch das schnelle Essen (Fast Food) nimmt der Körper die Sättigungssignale in der kurzen Zeit nicht wahr. Das verleitet dazu, mehr zu Essen. In unserer Zeit des Bewegungsmangels und des Nahrungsmittelüberangebots begünstigt daher regelmäßiger Fast-Food-Konsum Übergewicht und Adipositas. Damit erhöht sich das Risiko für eine Insulinresistenz, für Typ-2-Diabetes und die Entwicklung einer Fettleber.
Welche Rolle spielen Salz, Zucker und Fett?
Der Salz-, Zucker- und Fettgehalt ist in diesen Produkten insgesamt zu hoch. Das hat negative Auswirkungen auf den Stoffwechsel. Nicht nur die Kalorienbilanz ist entscheidend, sondern auch die Form der zugeführten Kohlenhydrate. Untersuchungen konnten zeigen, dass je nach Form der Kohlenhydrate unterschiedliche Hormonsignale im Darm freigesetzt werden. Günstig sind dabei die sogenannten komplexen Kohlenhydrate mit einem niedrigen glykämischen Index.
Die in Fast-Food-Produkten vermutlich nicht zu finden sind.
In der Regel kommen sie dort kaum vor. Die verwendeten Fette sind keine hochwertigen, sondern meist billige, gesättigte Fettsäuren. Unter anderem künstliche Transfettsäuren, die bei der industriellen Härtung von Öl oder durch starke Hitze wie beim Frittieren entstehen. Diese Fette schädigen den Körper und stehen in Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Gleichzeitig ist Fast Food arm an Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen: Trotz kalorischer Überernährung kommt es auf lange Sicht zur Mangelernährung mit Vitalitätsverlust. Fast Food, wie alle industriell gefertigten Lebensmittel, enthält außerdem eine Vielzahl von Zusatzstoffen wie Geschmacksverstärker, Aromen, Stabilisatoren, Emulgatoren et cetera, von denen einzelne in Zusammenhang mit gesundheitlichen Beschwerden und Unverträglichkeiten stehen und allergieähnliche Symptome auslösen können.
Allergieähnlich?
Einige Lebensmittelfarbstoffe, insbesondere das Tartrazin, ein gelber Lebensmittelfarbstoff, können eine Allergie und Hautekzeme auslösen.
Lassen Sie uns ganz konkret auf die Folgen überhöhten Fast-Food-Konsums blicken.
Überhöhter Fast-Food-Konsum begünstigt Übergewicht und Adipositas durch die hohe Kaloriendichte und die Verzehrart, also schnell, zwischendurch, abgekoppelt vom Mahlzeitenrhythmus, immer und überall. Die Kombination mit Softdrinks ist dann sozusagen „The Worst Case". Die Transfette beeinflussen den Cholesterinstoffwechsel negativ, das gute, also schützende Cholesterin sinkt, das schlechte steigt an, was die Arteriosklerose, die Arterienverkalkung, begünstigt. Diese Gefäßveränderungen erhöhen auf lange Sicht das Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko. Zusatzstoffe erhöhen das Allergierisiko. Die hohe Salzzufuhr begünstigt Bluthochdruck.
Gibt es Zahlen, die belegen, wie viele Jugendliche in Deutschland Probleme wegen schlechter Ernährung haben?
Die EsKiMo-Studie, eine repräsentative Studie zur Ernährung von Kindern und Jugendlichen belegt, dass Kinder und Jugendliche zu wenig pflanzliche Lebensmittel konsumieren – insbesondere Gemüse, Obst, Brot, Kartoffeln und andere kohlenhydratreiche Beilagen. Während Kinder noch etwas mehr trinken sollten, nehmen die meisten Jugendlichen ausreichend Getränke zu sich, der Anteil von Limonade ist jedoch zu hoch. Außerdem werden zu viele fettreiche, tierische Lebensmittel also Fleisch und Wurst und deutlich zu viele Süßigkeiten gegessen. Jugendliche konsumieren ebenfalls mehr von den weniger wünschenswerten Lebensmitteln wie Fast Food und Limonade. In der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey des Robert Koch-Instituts konsumieren 18 Prozent der befragten Jungen und neun Prozent der befragten Mädchen im Alter von drei bis 17 Jahren Fast Food mindestens einmal wöchentlich, dies mit steigender Tendenz vor allem bei Jungen. Nach den jüngsten Daten dieser Studie waren zehn Prozent der Elf- bis 17-Jährigen adipös, was im Zusammenhang mit Ernährungsgewohnheiten steht, aber immer multifaktoriell bedingt ist.
Einmal wöchentlich also mindestens – wie stehen Sie als Ärztin dazu: Ist es in Ordnung, ab und zu Fast Food zu essen?
Die Frage ist: Was versteht man unter ab und zu? Auch wenn in Studien nachgewiesen werden konnte, dass bereits nach einmaligem typischem Fast-Food-Konsum negative Veränderungen im Stoffwechsel bemerkbar sind, kann ein bis zwei Mal im Monat eine vertretbare Ausnahme darstellen. Dafür gibt es aber keinen ernsthaften Richtwert. Wenn es um qualitativ gutes Essen geht, wenn es um ökologisch verantwortungsvolle Lebensmittelverarbeitung geht, gibt es keinen Grund, Fast Food in diesen typischen Schnellrestaurants zu konsumieren.
Und außerhalb der klassischen Schnellrestaurants?
Wenn wir den Begriff ausdehnen, wird es schwieriger. Dann ist ja schon die Tiefkühlpizza zu Hause Fast Food. Auch das muss kritisch bewertet werden, zum Leidwesen für die vielen Haushalte und vor allem die jungen Konsumenten, die das gar nicht gern hören. Ich habe selbst Kinder und versuche, sie zu überzeugen. Aber man muss auch mal ein Auge zudrücken können. Insgesamt zählen die Gesamtbilanz über die Woche sowie der Lebensstil, wozu das gesamte Ernährungsmuster, die Bewegung und die Stressregulation gehören. Grundsätzlich sollte aus ernährungsphysiologischer Sicht aufgrund der meist nicht den Empfehlungen für eine vollwertige Ernährung entsprechenden Nährstoffzusammensetzung so wenig wie möglich auf Fast-Food-Produkte zurückgegriffen werden. Die Annahme, ein ungesunder Lebensstil bringe mehr Lebensqualität, ist insgesamt bildungs- und schichtabhängig. Mit Bildung steigt das gesundheitsbewusste Ernährungsverhalten. Hier gibt es Ansatzpunkte ebenso wie in der Weiterentwicklung gesunder Fast-Food-Alternativen.
Also ganz konkret: Wie oft sollte ich zu Pommes und Burger greifen?
Tatsächlich gibt es da keinen Richtwert, da muss man mit gesundem Menschenverstand arbeiten: so wenig wie möglich! Am besten gar nicht, sage ich provokativ. Wenn doch, dann nicht noch mit zuckerhaltigen Getränken kombiniert und nach Möglichkeit immer eine gesunde Beilage dazu wie Salat.
Salat als Beilage ist doch eine Idee. Und wenn ich regelmäßig Sport treibe, ist Fast Food dann öfter für mich drin?
Sport hat viele positive Effekte, neben dem Verbrennen der Kalorien hat Sport eine antiinflammatorische, also eine antientzündliche Stoffwechselwirkung.
Das müssen Sie erklären.
Das heißt, die ungünstigen Stoffwechseleffekte, die durch Fast Food provoziert werden, können tatsächlich gemildert werden. Also Fehlernährung und körperliche Inaktivität macht krank, Bewegung und Sport fördert Gesundheit.
Wir haben bislang über die negativen Auswirkungen der Inhaltsstoffe gesprochen. Aber ist das schnelle Essen an sich auch schon schädlich?
Die Verdauung beginnt im Mund, daher ist es wichtig, lange und gut zu kauen um die Nahrung einzuspeicheln und damit für den Verdauungsprozess vorzubereiten. Das Schlingen verhindert ausreichend Sättigungsimpulse. Das Fehlen komplexer Kohlenhydrate und Ballaststoffe führt dazu, dass die hormonelle Antwort bereits im oberen Dünndarm freigesetzt wird, was Insulinresistenz und Fettleber begünstigen kann. Auf der ernährungspsychologischen Ebene wird durch schnelles Essen das bewusste Schmecken, die Entwicklung der Genussfähigkeit, unterdrückt. Schnelles Essen begünstigt Überessen, Sättigung wird nicht mehr wahrgenommen. Weiterhin geht der wichtige soziale Aspekt des gemeinsamen Essens verloren, nämlich sich Zeit nehmen, miteinander reden, sich dabei entspannen. Essen ist immer ein Stück Kultur, die uns verwurzelt.
Bedeutet das, dass Essen gemeinsam mit der Familie zu Hause am Esstisch oder gar gemeinsames Kochen uns umgekehrt auch gesund halten kann?
Gesundheit sollte immer biopsychosozial verstanden werden. Gemeinschaftliche Begegnung tut gut, die praktische Erfahrung des Kochens stärkt Kompetenzen und macht Spaß, wer selbst kocht, entscheidet, was in sein Essen kommt. In diesem Sinne trägt es zur Gesundheit bei.
Gibt es so etwas wie gesünderes und ungesünderes Fast Food, wenn ich beispielsweise einen klassischen Döner mit einem Burger vergleiche?
Ein vegetarischer Döner ist im Prinzip okay, sieht man mal von dem Weißmehl ab. Das könnte man ja durch einen Vollkornanteil optimieren. Ein einfacher Hamburger ist besser als ein mehrstöckiger Cheeseburger, Gemüsepizza besser als Salamipizza. Pommes als Beilage sollte man bestmöglich streichen, Kartoffelspalten wären besser. Heute gehen die entscheidenden Gesundheitsgefährdungen von verhaltensbedingten Risikofaktoren aus: Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung und schädlicher Substanzgebrauch. Wir brauchen keinen Gesundheitsfanatismus, aber zu viele, gerade auch junge Menschen werden durch eine ungesunde Lebensweise beschädigt. Über unsere Ernährungsweise müssen wir uns Gedanken machen.