Zunehmend greifen die Behörden durch: In den Metropolen Europas wie Berlin oder Paris versuchen sie gegen Airbnb und andere Vermietungs-Plattformen im Internet vorzugehen. Denn viele der dort gezeigten Angebote sind nicht rechtens. Diese zu finden, ist allerdings Detektivarbeit.
Wohnst du noch oder lebst Du schon? – Was einst der berühmt-geniale Werbeslogan eines Möbelherstellers war, ist heute das (inoffizielle) Motto des neuen „home sharing" – des Trends, die eigenen vier Wände zu teilen. Das Mieten und Vermieten von Wohnungen für Tage, Wochen oder Monate ist in den vergangenen zehn Jahren zu einem richtigen Hype geworden. Airbnb, die größte der Plattformen, auf der sich Touristen für ein paar Tage oder Wochen ein privates Apartment suchen können, hat eine ganz neue Form des Reisens geschaffen.
Aber der Kampf ums Wohnen wird härter, die bei Besuchern besonders beliebten Städte zahlen einen hohen Preis für den hohen Zustrom. Denn mit Kurzzeit-Gästen in Reihe lässt sich zwar gutes Geld verdienen, aber die beanspruchten Wohnungen stehen normalen Mietern dann nicht mehr zur Verfügung. Knapper Wohnraum wird noch knapper, als er ohnehin schon ist. Der Unmut darüber steigt, daher begrenzen immer mehr Städte solche Vermietungen nun.
Mietwohnungen werden illegal zu lukrativen Feriendomizilen
Berlin und München verlangen von Airbnb inzwischen, dass das Unternehmen die Daten der Anbieter von Wohnungen herausgibt. Airbnb seinerseits weigert sich und beklagt sich über die Bürokratie. Mitte Dezember kam dann der Knall per Gerichtsentscheid: Das Verwaltungsgericht München hat entschieden, dass Airbnb der Stadtverwaltung die Adressen der Anbieter übergeben muss. Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig, aber ein wichtiges Signal. Airbnb blieb zuletzt nur noch, sich auf seinen Firmensitz in Irland zu berufen, was zeigt, wie sehr die Plattform inzwischen in der Defensive ist. Eine Anfrage von FORUM zum Urteil blieb unbeantwortet.
Berlin erlaubt eine kurzfristige Untervermietung der Wohnung an wechselnde Feriengäste nur mit expliziter Genehmigung des Bezirksamts. Die braucht es nur dann nicht, wenn der Mieter selbst die Wohnung zu mehr als der Hälfte nutzt. Wird also eines von zwei Zimmern einer Wohnung an Feriengäste vermietet, bedarf es keiner Genehmigung des Bezirksamtes. Bei allen anderen Fällen ist diese verpflichtend – und man bekommt sie nur, wenn klar ist, dass keine kommerzielle Absicht hinter der Vermietung an Gäste steht. Sogenanntes Homesharing für ein paar Wochen pro Jahr, etwa während des Sommerurlaubs zur Aufbesserung der eigenen Urlaubskasse, erlaubt Berlin – aber auch das nur mit einer Registrierungsnummer, die zusammen mit der Genehmigung vergeben wird. „Das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum ist richtig und notwendig", sagt Wibke Werner vom Berliner Mieterverein. „Es darf kein Geschäft mit bezahlbarem Wohnraum geben. An wechselnde Feriengäste vermieteter Wohnraum steht dem Mietwohnungsmarkt dauerhaft nicht zur Verfügung."
Berlin und München sind keine Ausnahmen. Viele Metropolen in Europa haben mit dem Kampf gegen Airbnb Ernst gemacht. Auch in Paris, Barcelona und Amsterdam bläst der Sharing-Plattform nun ein eisiger Wind entgegen. Allein in Paris, der bei Homesharern beliebtesten Stadt Europas, wird die Zahl der privaten Ferienwohnungen auf 100.000 geschätzt. Seit Frühjahr 2018 gilt dort ein „Decret Airbnb": Eine Registrierung ist Pflicht, danach darf man seine Räume maximal 120 Nächte pro Jahr vermieten. Im Dezember waren allerdings nur 11.000 Wohnungen registriert, rund 90 Prozent werden demnach illegal vermietet. Mit neuen Regelungen versucht die Stadt aktuell, die Daumenschrauben weiter anzuziehen.
In Barcelona benötigen Airbnb-Vermieter inzwischen sogar eine Lizenz für ein Tourismus-Gewerbe. Neue Lizenzen werden aber nicht vergeben – Airbnb kommt in der beliebten Küstenstadt am Mittelmeer weiter unter Druck.
Auch in Berlin hat sich die Gesetzeslage seit August 2018 so verändert, dass die meisten Angebote auf den Plattformen inzwischen illegal sind. Welche Diskrepanz jedoch zwischen Gesetz und Umsetzung herrscht, zeigen die Zahlen: So hat das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg bislang Genehmigungen für 282 Wohnungen erteilt. Auf Airbnb sind aber laut der unabhängigen Datenseite „Airbnb inside" 2.500 Ferienwohnungen für den Bezirk gelistet, also fast das Zehnfache. In anderen begehrten Innenstadtbezirken sieht das Verhältnis ähnlich aus. Insgesamt gibt es auf Airbnb in Berlin derzeit 10.700 Apartments, so „Airbnb inside". Zu Vermietungen außerhalb von Airbnb gibt es überhaupt nur vage Schätzungen. Sie liegen zwischen 15.000 und 25.000 Ferienwohnungen für ganz Berlin.
Der Vermieter muss zwingend zustimmen
Was die meisten Airbnb-ler außerdem komplett übersehen: Die eigentliche Hürde für alle, die nicht selbst Wohnungseigentümer sind, ist gar nicht die Genehmigung durch die Behörden, sondern die Erlaubnis des Vermieters. Bei einer längerfristigen Untervermietung ist das weniger das Problem: Nach dem deutschen Mietrecht haben Mieter Anspruch auf die Genehmigung dazu, sofern sie ein berechtigtes Interesse vorweisen können. „Ein berechtigtes Interesse des Mieters, einen Teil der Wohnung unterzuvermieten, ist in der Praxis oft gegeben. Die Rechtsprechung ist hier inzwischen mieterfreundlich", sagt Wibke Werner vom Mieterverein. Ganz anders sieht es bei kurzfristiger Vermietung aus. Hier gibt es in der Regel kein „berechtigtes Interesse". In jedem Fall muss auch eine begrenzte Untervermietung dem Vermieter angezeigt werden. Man kann das sogar einklagen. Tut man das aber nicht und vermietet ohne Erlaubnis des Vermieters, kann dieser einem kündigen.
Genau diesen Hebel nutzt Berlin nun gegen Airbnb und Co: Die Bezirksämter geben nur dann eine Genehmigung, wenn die Zustimmung des jeweiligen Vermieters vorliegt. Die wenigsten haben diese aber. So sind die meisten Angebote allein schon deshalb illegal. „Die meisten hoffen offenbar bislang, dass es nicht herauskommt, dass sie vermieten", so Werner. Ein riskantes Geschäft: Es drohen nicht nur Strafen, sondern im schlimmsten Fall sogar die Kündigung.
Airbnb hat dem Berliner Senat kurz vor Weihnachten angeboten, ein gemeinsames Portal für Wohnungen zu schaffen, das eine automatisierte Registrierung und Nummernvergabe ermöglichen würde. Das allerdings ist ein etwas dreister Vorschlag, den der Senat denn auch prompt zurückwies: Bei jedem Antrag müsse einzeln geprüft werden, ob alle Bedingungen erfüllt würden, so ein Sprecher. Eine automatische Registrierung würde dem Ziel vollkommen entgegenlaufen, die Zweckentfremdung von Wohnraum zu verhindern. Und genau darum geht es ja dem Senat und all den anderen in der Verwaltung, die gegen Airbnb und andere Plattformen aktiv werden.
Weil die Behörden bislang also noch keinen Zugang zu den Daten der Plattformen haben, sind sie weiterhin auf Verdachtsmeldungen von Nachbarn angewiesen. Dafür gibt es eigene Formulare auf den Webseiten der Ämter. Diese Verdachtsfälle müssen dann einzeln überprüft werden – eine wahre Sisyphusaufgabe. Immerhin: Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hat nun sechs Mitarbeiter dafür abgestellt, nach illegalen Vermietungen zu suchen. Mit Erfolg. Schon über hundert Bußgeldbescheide sind verschickt.