Die Migräne kam bei der Lehrerin Annette Bauer vor ein paar Jahren wie aus dem Nichts. Schreckliche Kopfschmerzen, Sehstörungen und Übelkeit plagen sie seitdem regelmäßig, manchmal an mehreren Tagen die Woche. Mittlerweile hat sie Wege der Linderung gefunden.
Als Annette Bauer (Name von der Redaktion geändert) beim Einkaufen in einem Geschäft steht, verschwimmen plötzlich Formen und Farben vor ihren Augen. „Es war, wie wenn man in ein Kaleidoskop schaut, wenn Bilder verdreht werden und bunte Punkte ineinandergehen", erinnert sich die 40-Jährige. „Das war sehr unangenehm." Sie ist so verstört, dass der Verkäufer auf sie aufmerksam wird. Er bietet ihr einen Platz und etwas zu trinken an. Annette Bauer muss zu Hause anrufen und sich abholen lassen. Kurze Zeit später kommen schreckliche Kopfschmerzen und Übelkeit dazu. An Migräne denkt Annette Bauer in dem Moment noch nicht.
Dieses „Schlüsselerlebnis", wie sie es selbst nennt, ist sozusagen der Gipfel einer Entwicklung, die vor etwa sechs Jahren ihren Anfang nimmt. „Ich hatte nie Kopfschmerzen, im Gegensatz zu meiner Mutter und meiner Schwester", sagt Annette Bauer, die als Lehrerin an einer Gemeinschaftsschule arbeitet. Irgendwann fing dann plötzlich die rechte Kopfseite an zu schmerzen. „Manchmal von einer Sekunde auf die andere. An anderen Tagen fing es schleichend an und steigerte sich dann." Annette Bauer greift zunächst zu den üblichen KopfschmerzMedikamenten, doch die helfen nicht. Die Schmerzen werden von Mal zu Mal schlimmer. „Ich musste mich dann hinlegen und bevorzugte absolute Ruhe und Dunkelheit." Irgendwann geht sie dann zum Arzt. Erst zum Hausarzt, dann zum Orthopäden. Niemand findet etwas. Als die Schmerzattacken immer häufiger werden, wird ein MRT gemacht. „Es war in Ordnung, ich war erst mal beruhigt, weil es im Bekanntenkreis einige Fälle von Gehirntumoren gab."
„Manchmal von einer Sekunde auf die andere"
Annette Bauer lässt das Ganze dann etwas schleifen, versucht mit den Schmerzen klarzukommen. Jemand empfiehlt ihr Progressive Muskelentspannung. Sie probiert es aus, es tut ihr sehr gut, aber die Kopfschmerzen bleiben. Die Anfälle dauern lange, meistens 24 Stunden, bis es besser wird. Schließlich kommt ihr Schlüsselerlebnis beim Einkaufen, was die Lehrerin sehr verunsichert. „Ich dachte, da stimmt doch einfach etwas nicht." Sie sucht Hilfe bei einer Neurologin. „Sie hat mir einige Fragen gestellt und es war für sie recht schnell klar, dass das eine Migräne ist." Die Ärztin verschreibt Annette Bauer ein spezielles Migräne-Medikament. „Sie meinte, wenn das hilft, dann wäre es sicher Migräne, weil das Medikament nur bei Migräne wirkt." Die im Beipackzettel aufgelisteten möglichen teils schweren Nebenwirkungen verunsichern die Lehrerin aber. Sie zögert, ob sie die Tabletten wirklich nehmen soll. Bis sie eines Morgens mit furchtbaren Kopfschmerzen und schlimmer Übelkeit aufwacht. „Ich musste in die Schule, also nahm ich die Tablette und 20 Minuten später war der Anfall vorbei. Ich konnte zur Arbeit gehen." Für die Migränegeplagte ein wahrer Segen. „Das war entlastend und beruhigend!" Von da an hat Annette Bauer die Tabletten immer parat. Sie trägt sie stets bei sich und sie liegen auch neben ihrem Bett. „Ich habe sehr oft nachts einen Anfall", erzählt sie. „Sehr oft zwischen halb drei und drei. Warum das so ist, konnte mir bis jetzt noch niemand erklären." Dann nimmt sie das Medikament ein und kann zur Arbeit gehen. Mittlerweile dauert es aber länger, bis die Tabletten wirken, sagt sie. Und manchmal geht es nach ein paar Stunden wieder los. „Dann muss ich eine zweite Tablette nehmen."
Es belaste sie schon und nerve auch, dass die Migräne zu den unmöglichsten Zeitpunkten auftritt. „Meine Tochter ist letztes Jahr zur Kommunion gegangen. Zwei Tage zuvor hatte ich Migräne. Wahrscheinlich der Stress." Der gilt bei Migräne als einer der Hauptauslöser, was Annette Bauer auch in anderen Situationen spürt, wie zum Beispiel in ihrem Beruf, wo die Belastung seit einiger Zeit angestiegen ist, wie sie erzählt. „Ich musste wegen Migräne auch schon den Unterricht abbrechen", erinnert sie sich. „Es war in meiner eigenen Klasse. Die wissen das auch schon, ich habe das ganz offen angesprochen. Die Kinder haben super reagiert."
Auch privat hat Annette Bauer immer viel um die Ohren. Da ihr Mann beruflich stark eingespannt ist, bleibt familiär einiges an ihr hängen. Für die Mutter zweier Kinder, zwölf und neun Jahre alt, ist das zwar völlig in Ordnung, trotzdem scheint es die Migräne zu triggern.
Annette Bauer sucht auch noch andere Lösungsmöglichen, geht zum Beispiel auch zum Gynäkologen, um herauszufinden, ob es etwas mit den Hormonen zu tun hat. Doch da ist alles im grünen Bereich. Der Gynäkologe setzt ihr jedoch Dauer-Akupunkturnadeln gegen die Migräne. Eine Offenbarung für Annette Bauer. „Wenn ich die Nadeln habe, merke ich höchstens mal einen Druck im Kopf, bekomme aber keine Migräne", sagt sie. Sie lächelt, wenn sie davon erzählt, das befreiende Gefühl ist ihr anzusehen. Mittlerweile lässt sie sich regelmäßig Dauernadeln setzen, vor allem, wenn wichtige Dinge anstehen, wie die jährliche Fahrt ins Schullandheim. „Das ist die Horrorvorstellung, dass ich dann in so einer Situation einen Anfall bekomme."
„Ich versuche, das Beste daraus zu machen"
Eher durch einen Zufall entdeckt sie noch eine andere Behandlungsmöglichkeit. „Stress löste vor einiger Zeit eine Gürtelrose bei mir aus. Die Folge waren Nervenschmerzen. Meine Neurologin hat die mit Antidepressiva behandelt, die in der Schmerztherapie angewendet werden." Annette Bauer nimmt sie mehrere Wochen ein, die Nervenschmerzen verschwinden – und die Migräne zeigt sich so gut wie nicht mehr. Die 40-Jährige kommt allerdings mit den Nebenwirkungen nicht gut klar. Sie klagt über extreme Müdigkeit und Gewichtszunahme. Schließlich steigt sie wieder auf ihr gewohntes Migränemittel um.
Momentan hofft sie auf Aimovig, das neue Medikament aus den USA. Vor allem, nachdem sie gerade vor Kurzem drei Migräneanfälle in einer Woche hatte. Ihre Krankenkasse hat schon das Okay für einen Teil der Kostenübernahme gegeben, nun fehlt noch die Zusage der sogenannten Beihilfe, die den Löwenanteil für Lehrer übernimmt.
Die Migräne hat Annette Bauers Leben verändert, ihre Lebensqualität eingeschränkt. Doch sie hat die Krankheit akzeptiert. „Was will man machen? Es bringt ja nichts, sich deswegen fertigzumachen", sagt sie und lächelt ehrlich optimistisch. „Ich versuche, das Beste daraus zu machen."