Der Auftakt ging schon mal schief: Das erste Spiel der Rückrunde wurde mit 3:0 verloren. Andererseits geschah das noch im vergangenen Jahr, kurz vor Weihnachten in Aue. Es war die erste Niederlage des 1. FC Union Berlin überhaupt in dieser Zweitligasaison.
Um die heutige Lage einzuschätzen, sollte man zurückschauen: Union lag vor einem halben Jahr nahezu in Trümmern. Der Abstieg war gerade noch vermieden worden. Dann verließen drei Leistungsträger den Verein. Abwehr-Turm Toni Leistner zog es, wie auch Linksverteidiger Kristian Pedersen, nach England. Steven Skrzybski – Angreifer und Publikumsliebling – wechselte in die Bundesliga zu Schalke 04.
Außerdem hatte Union sowohl den Trainer als auch den Manager und den Geschäftsführer Sport ausgetauscht. Als Trainer wurde am 1. Juni überraschend der Schweizer Urs Fischer vorgestellt – immerhin mit dem FC Basel zweifacher Meister und Champions-League-Teilnehmer. Viel mehr wusste kaum jemand über den Fußballlehrer. Der stand vor der Aufgabe, den verbliebenen Kader zu sortieren und passende Verstärkung zu finden. Gleichzeitig mussten einige Stammspieler, darunter Torgarant Sebastian Polter, gesund gepflegt werden.
Ein halbes Jahr später scheint es eine Ewigkeit her, dass sich Union einst in tiefer Misere befand. Der Start lief erstaunlich gut, wenn auch mit Mühe. Der Trainer setzte vor allem auf eine sichere Abwehr. Die hochgewachsenen Innenverteidiger Florian Hübner und Marvin Friedrich erwiesen sich als schwer überwindbar. Dahinter zeigte sich der aus Freiburg gekommene Torhüter Rafal Gikiewicz als feste Größe, der nur 15 Gegentore zuließ, dafür sogar ein Tor erzielte und eines vorbereitete.
Von den Leistungsträgern des Vorjahres gehören heute nur noch Christopher Trimmel, Sebastian Polter und Grischa Prömel zum Stammpersonal. Nahezu unverzichtbar ist Neuzugang Manuel Schmiedebach auf der defensiven Sechserposition. Gemeinsam mit Prömel, der wie ein Perpetuum mobile zwischen Defensive und Offensive pendelt, sorgt Schmiedebach für die feste Verbindung zur Verteidigung und für gefährliche Pässe Richtung Sturm. Fällt einer von ihnen oder fallen gar beide aus, dann ist Alarm angesagt. Felix Kroos, der im Sommer sowohl seine Kapitänsbinde an Trimmel als auch seinen Stammplatz im Mittelfeld abgeben musste, konnte dort nicht voll überzeugen. Weder in der defensiven noch in der mehr offensiven Rolle zeigt er sein volles Vermögen. Defensiv ist Prömel einfach stärker, und offensiv gibt es starke Konkurrenz durch Neuling Robert Zulj und Marcel Hartel.
Rafal Gikiewicz ließ nur 15 Gegentore zu
Hartel hatten viele bereits abgeschrieben. Das Talent war zuvor unter Ex-Trainer André Hofschneider völlig abgemeldet. Unter Urs Fischer spielt er wie ausgewechselt. Auch Akaki Gogia, der trickreiche Außenstürmer, scheint von Fischers Art mit den Spielern umzugehen zu profitieren. Im Vorjahr durch Ineffizienz aufgefallen, spielt der Georgier inzwischen eine starke Rolle auf Rechtsaußen. Urs Fischers Einfluss auf das Team, immerhin 28 Spieler stark, scheint entscheidend. „Es gibt, glaube ich, nicht viele Mannschaften, wo das von Beginn an so gut funktioniert hat wie bei uns", sagte Rechtsverteidiger Trimmel dem RBB-Inforadio. „Natürlich muss man mit Spielern viel reden. Gerade mit denen, die nicht so viel spielen."
Ganz wichtig ist das im Umgang mit den Mittelstürmern Polter und Sebastian Andersson. Andersson, der im Sommer wohl vor allem deshalb engagiert wurde, weil Polter noch seinen Achillessehnenriss ausheilen musste, fügte sich schnell ein, war gefährlich und auch spielstark. Dann jedoch stagnierte die Leistung des Schweden. Im Spiel gegen Holstein Kiel kamen diese nicht zu vergessenden Szenen: Polter – erst 14 Minuten vor Spielende eingewechselt – bereitete in der 90. Minute den Führungstreffer vor, um dann in der Nachspielzeit mit einem Fallrückzieher, der in der Sportschau zum Tor des Monats gekürt wurde, den Endstand von 2:0 zu schießen. Danach traf auch Andersson wieder. Und Fischer setzte sie auch mal als Doppelspitze ein.
Auf den Außenpositionen streiten Simon Hedlund, Suleiman Abdullahi, Kenny Prince Redondo, Gogia und Joshua Mees um Einsätze. Mees, von Hoffenheim ausgeliehen, kam nach einer Verletzung im ersten Punktspiel spät in die Gänge. Erst beim 4:0 gegen Fürth, als er gleich doppelt traf, war der aus Saarbrücken stammende Linksaußen richtig angekommen an der Alten Försterei. Vielleicht ein Grund, weshalb sich Simon Hedlund, in der Vorsaison Stammspieler, nun wohl anderweitig orientiert. Der schwedischen Zeitung „Boras Tidning" zufolge käme Hedlund mit Trainer Fischer nicht klar. Warum? „Vielleicht mag er andere Spieler einfach mehr", sagte Hedlund, der während der 486 Minuten in seinen elf Einsätzen ohne Tor und ohne Torvorlage blieb. Urs Fischer dazu: „Ich werde immer nach dem Leistungsprinzip wählen und aufstellen, das gilt für Simon Hedlund wie für alle anderen." Interessant dürfte sein, wie Union sich in der Winterpause mit den Spielern befasst, die kaum oder gar nicht eingesetzt wurden. Während der Vertrag für Christopher Lenz, der hinter Ken Reichel auf der Linksverteidigerposition lauert, gerade verlängert wurde, sieht es so aus, als ob auch der junge Norweger Julian Ryerson als rechter Außenverteidiger hinter Trimmel eine Chance hat. Ewiger Feuerwehrmann in der Abwehr bleibt auf jeden Fall Michael Parensen. Dagegen dürfte Christoph Schösswender, Vertrag bis 30. Juni 2019, kaum eine Gelegenheit für ein Spiel bekommen. Zumal mit den beiden Langzeitverletzten Fabian Schönheim und Marc Torrejon noch zwei Innenverteidiger einen Vertrag haben. Die jungen Lennard Maloney (19/Verteidiger), Lennart Moser (19/Torwart) und Berkan Taz (20/Offensive) blieben ohne Einsatz und werden wohl auch keinen bekommen. Für sie und das Uniongewächs im Mittelfeld Eroll Zejnullahu (24) würde sich wohl am besten ein Ausleihgeschäft anbieten. Ins dicht besetzte Mittelfeld von Union dürfte Zejnullahu in dieser Spielzeit wohl kaum eindringen. Ein Luxusproblem.
Natürlich gibt es auch andere Probleme. Die Mannschaft erzielt trotz Überlegenheit zu selten Tore. Zehn Unentschieden nach 18 Spielen. Und nie gelang es, bei Punktverlusten der führenden Hamburger und Kölner zu siegen. Beispiel vergangener Spieltag: Mit einem Sieg in Aue hätte Union den dritten Rang sichern und näher an das Spitzenduo heranrücken können. Die unnötige Niederlage indes ließ St. Pauli vorbeiziehen. In der Winterpause gibt es also durchaus Arbeit fürs Team. Von Aufstieg spricht keiner. „Man sollte mit beiden Füßen am Boden bleiben, denn gewonnen ist noch gar nichts. Im Fußball kann es sehr schnell gehen", sagt Fischer. Er will sich bei jedem Spiel aufs Neue konzentrieren.
Das nächste Punktspiel wird am 31. Januar um 20.30 Uhr angepfiffen, gegen den 1. FC Köln – an einem Donnerstag! Protesttapeten der Ultras und Stimmung sind garantiert.