Zwei Jahre ist es her, da siegte die jüngere der beiden Power-Tennisspielerinnen – bereits schwanger – gegen ihre ältere Schwester Venus im Finale des ersten Grand-Slam-Turniers des Jahres. In ihrem 25. Profijahr strebt Serena Down Under, vom 14. bis zum 27. Januar, nach einem besonderen Erfolg.
Zurück in Melbourne will die 37-jährige Serena Williams mit dem Rekord von Margaret Court gleichziehen, die von 1960 bis 1977 die meisten Wettbewerbe der Frauen dominierte. Die hochtalentierte Australierin holte 24 Mal bei den vier wichtigsten Turnieren der Tenniswelt, den Grand Slams, die Einzeltitel. Vier von Courts elf individuellen Siegen bei den Australian Open zählten zur „Offenen Ära", in der seit 1968 unter anderem Grand-Slam-Turniere nicht nur für Profispieler, sondern auch für Amateure offenstehen. Insgesamt verbuchte die vierfache Mutter sogar 64 Major-Titel, wenn sie ihre Erfolge im Mixed und Doppel dazuzählt. Serena allerdings hat Courts 24 Einzeltitel im Blick. An die möchte die US-Amerikanerin endlich herankommen.
Doch die derzeit beste deutsche Spielerin, Angelique Kerber, im Dezember erst zur Sportlerin des Jahres 2018 gewählt, könnte Williams bei ihrer Rekordjagd einmal mehr in die Quere kommen: Nach ihrem Wimbledon-Sieg im vergangenen Jahr ist es der nervenstarken Kielerin durchaus zuzutrauen, wie schon 2016 die Gewinnertrophäe des Jahresanfangs-Majors im Arm zu halten. Damals hatte die 30-Jährige in Melbourne ihren ersten großen Titel errungen, als sie im Endspiel Serena bezwang. So wie zwei Jahre später im prestigereichsten aller Tennisturniere, im Finale des legendären Rasen-Grand-Slams von Wimbledon. Heuer könnte es zunächst Down Under, beim „Happy Slam" in der Sonne Australiens, zum Revanche-Duell zwischen Kerber und Williams kommen.
„Für Serena wird es die lang erwartete Rückkehr nach Melbourne", sagte Turnierdirektor Craig Tiley, als er die Starterliste des Majors in der zweitgrößten Stadt Australiens präsentierte. Das Who‘s who der Spitzenkräfte ist gemeldet, wenn es 37,29 Millionen Euro, und damit zehn Prozent mehr als im Vorjahr, an Preisgeldern zu verdienen gibt. Die im Damen- wie im Herrenwettbewerb jeweils fast kompletten Top 100 der Welt wollen sich unter anderem auf dem drittgrößten Platz, der Margaret Court Arena, benannt nach der australischen Tennis-Heldin, messen.
37,29 Millionen Euro an Preisgeldern
Sie konkurrieren in mentalem und körperlichem Durchhaltevermögen, wenn Sportfans auf der ganzen Welt die Mega-Wettbewerbe verfolgen. Über die anstrengende Dauer von drei Gewinnsätzen bei den Männern, die oft in vielstündigen Fünf-Satz-Matches münden, deren Ende künftig aber durch einen Tiebreak beschleunigt werden soll. Trotz der großen Slam-Herausforderungen meldeten sich sogar lang vermisste Rekonvaleszenten wie Andy Murray, Stan Wawrinka und die Metzingerin Laura Siegemund – teils mit Protected Ranking – zurück. „Geschützte Eingruppierung" heißt, ihre Punkteverluste durch ihre Auszeiten zählen für die Starterliste nicht. Von den deutschen Damen sind außer Kerber im Hauptfeld sicher die ähnlich starke Julia Görges, die unermüdlich wiederkehrende Andrea Petkovic, Tatjana Maria und Mona Barthel dabei. Weitere Spielerinnen wie Sabine Lisicki könnten über die Qualifikationsrunden ins eigentliche Turnier gelangen.
Von den besten 100 Spielerinnen der Welt hat allerdings die Polin Agnieszka Radwanska ihre Karriere beendet, verzichtet deshalb auch auf den Highlight-Wettbewerb. Solch ein Rücktritt aus der Blütezeit ihrer Karriere ist derzeit kein Thema für die Titelverteidiger Roger Federer und Caroline Wozniacki, die vor einem Jahr ihr erstes Grand Slam gewann. Ihre Bilanz als Weltranglistenerste stockte die Dänin anschließend auf 71 Wochen auf. Im vergangenen Herbst erfuhr die 28-Jährige, dass sie an einer chronischen Autoimmunkrankheit leidet, die Schwellungen und Entzündungen der Gelenke hervorruft. Dennoch hat sie es ein Dreivierteljahr zuvor geschafft, ihren Traum wahr werden zu lassen. Glücklich kuschelte Caro nach ihrem Sieg 2018 mit ihrer Trophäe, die sie „Daphne" nannte. Wozniacki fühlte sich erleichtert und „entpflichtet" vom Streben nach einem Grand-Slam-Titel: „Ich werde diese eine Frage nie mehr gestellt bekommen."
Serena hingegen ist mit ihren bislang 23 Grand-Slam-Trophäen noch nicht am Ziel ihrer Wünsche angelangt. Die junge Mutter will nach 24 Jahren auf den größten Bühnen der Tenniswelt – in einem Alter, in dem andere schon längst neue, hauptberufliche Ziele umsetzen –
sportlich noch mehr aus sich herausholen. In der Manier einer Millionärin, die stets optimiert. Sie bat auf Twitter im vergangenen November um Tipps, was für eine Babycouch sie für Töchterchen Olympia am Black Friday oder Cyber Monday, den Einkaufstagen der Schnäppchenjäger, kaufen soll. Mental fixiert: Der 24. Majors-Titel ist zur ultimativen Destination der Supersportlerin geworden, deren kraftvolle Schläge seit Jahrzehnten Respekt einflößen. Das i-Tüpfelchen auf einer Sammlung an Erfolgen, die wohl kaum eine Spielerin der Offenen Ära je wieder erreichen wird.
Im Januar 2017 trat Williams schwanger in Melbourne an. Vor einem Jahr pausierte sie dort noch wegen mangelnder Fitness. Die Rückkehr auf die Courts fiel der 37-Jährigen 2018 nicht leicht. Nach diversen Rückschlägen berichtete die zuvor fast unschlagbare Spielerin von ihren gesundheitlichen Problemen in Zusammenhang mit der Geburt ihrer Tochter. Doch in Wimbledon und bei den US Open kämpfte sich die Frau, die 1999 ihr erstes Grand-Slam-Turnier gewonnen hatte und in ihrer Karriere insgesamt 309 Wochen die Nummer eins unter den Tennisspielerinnen war, schon wieder bis ins Halbfinale vor. Ein Erfolg, der Serena Williams fassungslos machte. Auch wenn es mit dem 24. Grand-Slam-Titel noch nicht klappte: Sie macht weiter. Die neue Saison beginnt sie in ihrem 25. Profijahr als 16. im Ranking und mit der Sehnsucht nach ihrem ultimativen Rekord: Her mit noch einem Grand-Slam-Titel.
Gewohnt bescheiden gibt sich hingegen Kerber, die den deutschen Ex-Profi Rainer Schüttler als neuen Trainer hat. Jenen Schüttler, an dessen Akademie, die er gemeinsam mit Alexander Waske betrieb, die deutsche Nummer eins einst ihre erfolgseinleitende Fitness aufbaute. Kerber sagte im Juni in der Euphorie ihres Wimbledon-Triumphes zu ihrem Umfeld, sie sei „durch" mit ihrem Leben, ihr größter Kindheitstraum habe sich erfüllt. Bislang besitzt die bodenständige Spielerin drei Grand-Slam-Titel: Noch mal die Australian Open, ein weiteres Mal Wimbledon oder die US Open gewinnen, vielleicht sogar das Sandplatzturnier in Paris? Schüttler traut ihr alles zu. Kerber könnte auch wieder zur Nummer eins der Damen-Tenniswertung aufsteigen. Das sieht aus wie ein Nahziel für die derzeit Zweite im Ranking der Spielerinnenvereinigung WTA. Ein Ziel, das Kerber aber gar nicht so einfach erreichen kann, da es nicht nur neue Punkte zu gewinnen, sondern auch alte zu verteidigen gilt. Besonders bei den ertragreichen Grand Slams, etwa die von ihrem Halbfinaleinzug 2018 bei den Australian Open.
Kerber könnte wieder Nummer eins werden
Im vergangenen Jahr hatte Angelique Kerber in Melbourne wenig zu verlieren. Als Nummer 21 war die Gewinnerin von 2016 wegen ihres Aussetzer-Jahres 2017 eingestuft. Doch dann startete sie ihr Comeback, das sie unter die ersten Zehn führte. Erst gegen die aktuelle Nummer eins, Simona Halep, unterlag die Kielerin beim Jahresauftakt-Grand-Slam im Halbfinale. Sie spielte sich einmal mehr in die Herzen der Zuschauer, als sie sich im dritten Satz sichtlich quälte und trotz schwindender Kräfte in der Hitze des australischen Sommers partout nicht aufgab. Die 30-Jährige wehrte zwei Matchbälle ab, bis schließlich doch die Rumänin ins Finale einzog. „Ich fühle nicht, dass ich das Match verloren habe, sie hat es am Ende gewonnen", sagte Kerber damals; stolz auf ihren Kampfgeist und auf ihre Rückkehr in die Top Ten.
Genau andersherum lief es in der zu Ende gegangenen Saison für den US-Amerikaner Jack Sock. Vor zwölf Monaten reiste der 26-Jährige als Top-Ten-Spieler zu den Australian Open. Jetzt ist er die Nummer 107 in der Rangliste der Spielervereinigung ATP und hofft auf dem fünften Nachrückerplatz auf eine Handvoll Absagen. Aus DTB-Sicht jedoch am besten nicht aus dem deutschen Lager. Außer den sechs Damen stehen auch sechs Herren des Deutschen Tennisbundes (DTB) aufgrund ihres Rankings fürs Hauptfeld fest. Boris Becker beispielsweise sieht den Weltranglisten-Vierten Alexander „Sascha" Zverev reif für einen Grand-Slam-Erfolg. Zumal der ATP-Finals-Champion im November in London auf Hartplatz gewann, dem Belag der Australian Open. Allerdings bangte der 21-Jährige aufgrund einer Oberschenkelverletzung vor Turnierstart um seine Teilnahme. Sein Bruder Mischa, der vergangenes Jahr sein erstes ATP-Turnier gewann, gehört ebenso zu den Zugelassenen wie Philipp Kohlschreiber, Jan-Lennard Struff, Peter Gojowzyk und Maximilian Marterer.
Ob Männer oder Frauen: Die antretenden DTB-Spieler könnten nach ihrem gegenwärtigen Potenzial die Australian Open zu einem selten erfolgreichen Majors-Turnier für das deutsche Tennis machen. Um den Rekord von sieben „Happy"-Slam-Titeln spielen allerdings andere: Der wiedererstarkte Novak Djokovic, Publikumsliebling in Australien, und Roger Federer, der seinen 21. Grand-Slam-Titel anstrebt. Gesund zurück meldeten sich Rafael Nadal und Juan Martin del Potro, zwei weitere Aspiranten auf den Sieg. Übertragen werden die Matches bei Eurosport, mit Boris Becker als Kommentator. Die Österreicher können ihren Liebling Dominic Thiem übrigens erstmals auf „Servus TV" sehen. Dabei hoffen sie sicherlich, dass „Servus" nicht eine schnelle Verabschiedung für den Weltranglisten-Siebten und Zverev-Freund bedeutet. Serenas Ansage ist auf jeden Fall eine andere: Rekord – oder auch: Re-„Court".