Die Alte Sammlung des Saarlandmuseums hat zum 300. Geburtstag von Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken die Ausstellung „Staatsmann – Feldherr – Städtebauer" ausgerichtet. Ein Besuch.
Blaue Augen. Wacher Blick. Fürst Wilhelm Heinrich sieht die Besucherin unbewegt an. Heute in Privataudienz. Zur Ausstellungseröffnung im Oktober letzten Jahres hatte er viele Menschen zusammengebracht. Nach dem offiziellen Teil am Schlossplatz: gesellige Gespräche beim Glas Wein. Das hätte dem Fürsten gefallen. Lebensfroh war er. „Das genussreiche Leben des vorigen Fürsten gab Stoff genug zur Unterhaltung", schreibt Goethe, der 1770, zwei Jahre nach Wilhelm Heinrichs Tod, Saarbrücken-Nassau besuchte. Des Fürsten Doppelkinn lässt erahnen, dass er, auf die 50 zugehend, nicht mehr schlank gewesen und dem Genuss zugetan war.
„Was ist das für ein schwarzbraunes Ding, auf dem seine linke Hand ruht? Wohl kaum ein Teewärmer", murmle ich bei meinem ersten Antrittsbesuch. „Schau!", flüstert meine Bekannte. Wir drehen uns um und betrachten gegenüber eine weitere ganzfigurige Darstellung des Fürsten als Offizier in Uniform. Der Maréchal de Camps trägt eine Bärenfellmütze auf dem Kopf. Die Gemälde, Wilhelm Heinrichs Erscheinung in diesen Kostümierungen, machen Eindruck.
Besonders stolz sind die Ausstellungsmacher auf die Leihgabe des Gemäldes, das sich im Besitz eines Nachfahren des Fürsten befindet und von dessen Château nahe Bordeaux nach Saarbrücken geholt wurde. Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken, um 1745 von einem unbekannten Künstler erschaffen – eben jenes auf dem seine Hand auf der Bärenfellmütze ruht. Der opulente Rahmen ist ebenso der Betrachtung wert und nein: Beim fehlenden Stück des Rahmens handelt es sich nicht um einen Transportschaden.
Wie stellt man sich das deutsche Kleinfürstentum im Heiligen Römischen Reich vor? Als 23-Jähriger übernahm Wilhelm Heinrich die Regentschaft über Nassau-Saarbrücken mit 750 Quadratkilometer Landesfläche – in vier Städten und 140 Dörfern lebten 22.000 Einwohner.
Der französische Hof mit König Ludwig XV. übte Strahlkraft aus, Paris war näher als Wien, macht mir Kurator Thomas Martin deutlich, als ich verwundert bin, dass Wilhelm Heinrich beim österreichischen Erbfolgekrieg nicht auf der Seite des Reiches kämpfte – er war als General im Feld – und setzt nach, dass Wilhelm Heinrich Regimente nach Belieben aushob, sogar verkaufte, beispielsweise an den Landgrafen von Hessen-Darmstadt.
Büste von Denis Diderot
In einer Vitrine sind zwei Pistolen aus des Fürsten Besitz zu betrachten. Als ebenso gesichert aus seinem Besitz stammend gilt das Frühstücksservice der nassau-saarbrückischen Porzellanmanufaktur Ottweiler, die er gegründet hat. Sowohl die Pistolen als auch das Porzellan ist mit floralem Design verziert.
Die Nassau-Saarbruck Cavalerie zog mit einer 266 mal 207 Zentimeter großen Regimentsfahne in die Schlacht. Mittig prangt eine mehrstrahlige Sonne. An den Ecken bekrönte Löwen. Dieses Tuch, das im Kriege flatterte, ist bunt und schön anzusehen. Ich erfahre, dass die Fahne aus Seide hergestellt ist und staune weiter. Dass die Fahne erhalten geblieben ist – ein Glücksfall nicht nur für die Ausstellungsmacher und den Historischen Verein für die Saargegend.
Die Gattin des Fürsten, Sophie Ermuthe, tritt in einem blauen Kleid mit Schleifen auf. Rechts von ihr Wilhelm Heinrich. Rechts von ihm Margarete Perl. Dazwischen: ein beträchtlicher Abstand. Ich deute die Hängung: „Die schöne Perlerin" war die Geliebte des Fürsten. Auch die Beschriftung auf den Täfelchen im Museum gibt Auskunft.
Was hat die Büste von Denis Diderot, Philosoph, Gelehrter, Schriftsteller und Wegbereiter der Aufklärung, in der Ausstellung zu suchen? Das Exponat ist ein kolorierter Gipsabdruck, der zeitgleich mit einer Bronze 1780 in Paris entstand. Diderot widmete Fürstin Sophie Ermuthe das Stück „Le Père de Famille". Die Erstausgabe von 1758 enthält einen 20-seitigen Widmungstext an Sophie Ermuthe. In welcher Beziehung stand die Fürstin zu Diderot? Die charmante Anekdote gibt in Gänze kein Täfelchen preis – die Texte im Katalog zu studieren lohnt allemal.
Im Kapitel „Der Montanfürst an der Saar" werden die Wirtschaftszweige beleuchtet: Kohle und Stahl, die Glasherstellung. Schon Goethe hatte erkannt, dass der Fürst „mannigfaltige Anstalten" getroffen habe, „um Vorteile, die ihm die Natur seines Landes darbot zu benutzen". Unbestritten ist, dass Wilhelm Heinrich für eine vorindustrielle Montanwirtschaftsförderung gesorgt hat und damit die Basis für die Entwicklung zum Saar-Industrierevier gelegt hat. Des Fürsten Bauprojekte, die Hofhaltung, auch die Porzellanmanufaktur waren kostspielig. Seinem Sohn Ludwig hinterließ er ein überschuldetes Fürstentum. Die barocke Umgestaltung Saarbrückens durch Baumeister Friedrich Joachim Stengel währte an die 40 Jahre und wurde von Sohn Ludwig fortgesetzt. Wer das Museum verlässt und sich in Saarbrücken umschaut, sieht, dass die Geschichte lebt.