Im Zuge der Krise des LSVS wurde zuletzt viel über die Strukturen des regionalen Sports diskutiert. In einer Serie möchte FORUM die Ursprünge aufgreifen, prägende Personen vorstellen und an große Erfolge erinnern.
Mit der Kapitulationserklärung des Deutschen Reichs gegenüber den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai 1945 endeten auch alle bis dato noch vorhandenen Vereinsstrukturen. Die Alliierten setzten in allen Besatzungszonen ein „generelles Sport- und Turnverbot" fest – insbesondere die Turner standen in dem Ruf, Steigbügelhalter der Nationalsozialisten gewesen zu sein. Das Saarland erhielt zunächst einen Autonomiestatus und wurde unter französische Verwaltung gestellt. Alle Turn- und Sportvereine waren nach der Besetzung durch die französische Militärregierung verboten worden. Neugründungen waren ab Herbst 1945 nur als Omnisportvereine möglich.
Am 2. Februar 1946 gab der Landessportausschuss Saar – aus dem später der Landessportverband Saar werden sollte – als höchste Sportbehörde bekannt, dass alle sporttreibenden Vereine diesem LSAS beizutreten haben. Initiator der Gründung war bereits damals der Sportjournalist Hermann Neuberger, der wie kein anderer die Geschichte des Saarsports prägen sollte und der sich durch seine vielfältigen Rollen weltweit den Ruf „Hermann the German" schuf, und auf den wir in einem eigenständigen Serienteil zurückblicken werden. Neuberger war Fußballer durch und durch, kickte für den Vorläuferverein des 1. FC Saarbrücken und war das, was man heute einen Strippenzieher nennt. Geschickt nutzte er die Verbindung zur Saar-Regierung und den französischen Statthaltern, um einen gegen den anderen auszuspielen. Profitieren sollte davon vor allem der Sport.
Sportler gegen Politiker
Es waren turbulente Zeiten. Vor allem die an der Saar traditionell starken Turner hatten es nicht leicht. „In unserer Heimat wurde mit allen Mitteln, angefangen von der Besatzungsmacht über die herrschende Staatsgewalt bis zur lizenzierten Presse aller Schattierungen nach 1945, versucht, die Erinnerung an Jahn und sein Turnen innerhalb der Bevölkerung und besonders bei der heranwachsenden Jugend radikal auszulöschen. Ein damaliger Saarminister gab die Losung aus: ‚Auch das Wort Turnen muss verschwinden.‘ Vorher hatte man schon an Straßen und Plätzen das Wort ‚Jahn‘ entfernt, Turnhallen hießen nun Gymnastik- oder Sporthallen. Die Bezeichnung ‚Turnen‘ war in Vereinsnamen verboten", heißt es in den Archiven des Turnerbunds. Und auch die Fußballer hatten es schwer. Aber gerade die sollten – vor allem auch wegen Neuberger – zum Schlüssel dafür werden, dass das sogenannte Saar-Statut 1955 schließlich von der Bevölkerung abgelehnt wurde.
Das Land an der Saar war bereits nach dem Ersten Weltkrieg auf die Dauer von 15 Jahren vom Deutschen Reich abgetrennt und in dieser Zeit dem Völkerbund unterstellt. Dennoch verblieben die Fußballvereine an der Saar weiterhin Mitglied im Süddeutschen Fußballverband und in dessen Ligensystem. Die Volksabstimmung am 13. Januar 1935 mit dem eindeutigen Votum zur Rückkehr ins Deutsche Reich beendete diese politische Teilung. Einen etwas anderen Verlauf nahm die Saar-Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Saarländische Fußballverband (SFV) schreibt in seinen Erinnerungen dazu: „Das Sagen hatte nun Frankreich, das 1945 einen Militärgouverneur einsetzte, dessen politisches Ziel die Loslösung des Saargebiets von Deutschland war. Mit französischer Duldung trat 1947 eine saarländische Verfassung in Kraft, aufgrund derer eine saarländische Regierung unter Ministerpräsident Johannes Hoffmann gebildet werden konnte. Der Saar-Staat war geboren, der aber politisch und wirtschaftlich in starker Abhängigkeit von Frankreich blieb."
Was bedeutete das für den Saar-Fußball? Die Spitzenvereine 1. FC Saarbrücken und Borussia Neunkirchen konnten 1946 in der Nordzonenliga der französischen Besatzungszone unter anderem gegen den 1. FC Kaiserslautern, Wormatia Worms, FK Pirmasens und FSV Mainz 05 antreten. Der 1. FC Saarbrücken wurde der erste Meister dieser Liga.
Als am 3. Juli 1949 der saarländische Landessportausschuss zusammentrat, war vorsichtshalber der französische Sportoffizier zugegen. In seiner Gegenwart wurde die Regierungsthese, den Saar-Sport der Saar-Politik gegenüber Frankreich folgen zu lassen, gegen eine Stimme bei einer Stimmenthaltung akzeptiert. Es waren turbulente Zeiten, über die es bis heute Deutungsschwierigkeiten gibt, auch weil wichtige Dokumente fehlen. Der Sporthistoriker Wolfgang Harres hat ein bemerkenswertes Werk über Sport und Politik nach 1945 geschrieben und dabei festgestellt, „dass vor allem die Franzosen sowie die ehemalige Saar-Regierung nach der verlorenen Saar-Abstimmung bemüht waren, alles Schriftliche zu vernichten".
FCS wurde zum Zankapfel der Verbände
Doch es gibt Medienberichte, die ein beeindruckendes Bild auf die damalige Zeit werfen. „Seit 1947 befindet sich der Saar-Sport in der Krise. Damals musste er sämtliche Verbindungen zu deutschen Vereinen lösen. Als Ersatz durfte der 1. FC Saarbrücken inoffiziell in der zweiten französischen Division mitspielen. Die Saarbrücker Profis spielten sich an die Spitze der inoffiziellen Tabelle, vor Bordeaux. Sie hatten dreimal so viel Tore geschossen wie ihre westlichen Gegner", schrieb das Magazin „Der Spiegel" bereits 1950. Doch die „Kastration des Sports", wie es Neuberger einmal bezeichnen sollte, stieß beim Volk auf wenig Gegenliebe. Weder bei den Franzosen noch bei den Saarländern. Während die System-Presse an der Saar den Frankreich-Kurs der Regierung offiziell feierte, ätzten französische Medien offen: „Welchen Eindruck werden wir machen, wenn ein deutscher Fußballclub zum Meister von Frankreich gekürt wird?"
Die Zwangsheirat durch die Politik verstörte aber Braut und Bräutigam. So weigerte sich der Elsässische Fußball-Verband, die Saar-Vereine aufzunehmen. Die Saar-Fußballer, die damals immerhin 80 Prozent der Mitglieder des LSAS stellten, wagten die offene Opposition und sagten „Nein" zu Frankreich. „Wenn wir keine Brücke sind, dann wollen wir auch keine Mausefalle sein. Der eiserne Vorhang nach Osten muss fallen", zitierte „Der Spiegel" den damaligen Fußball-Präsidenten Willy Koch im Mai 1949. „Diese Formulierung reichte. Mit 609 gegen 299 Stimmen bei 55 Stimmenhaltungen sagten die Fußballer ‚Nein‘. Der Handball tat noch am gleichen Sonntag dasselbe", schrieb das Blatt weiter. Der 1. FC Saarbrücken versuchte, einen Einzelantrag zu stellen, um wenigstens als Gast am französischen Ligabetrieb teilnehmen zu können und brachte damit sogar den Fifa-Präsidenten Jules Rimet zu Fall. Der musste gehen, obwohl er sich vorher in Robert Schumans Außenministerium genaue Instruktionen geholt hatte. Dort war ihm bedeutet worden, die Eingliederung der Saarländer in die französischen Sportverbände sei „einer der wichtigsten Punkte" der französischen Politik.
„Kastration des Sports"
„Doch die provisorische Aufnahme des 1. FC Saarbrücken wurde fast einmütig annulliert. Gleichzeitig hielten zwei Drittel der Teilnehmer den Präsidenten der Fifa, der gleichzeitig über 20 Jahre auch Präsident der FFF gewesen war, als Vorstandsmitglied für nicht länger tragbar", schrieb abermals „Der Spiegel". Um den FCS als größten Verein bei Laune zu halten, schuf der französische Statthalter Gilbert Grandval einen „Saarlandpokal", zu dem internationale Mannschaften ins Saarland reisten. Doch die Resonanz blieb dünn. Als dann der 1. FC Kaiserslautern kam, war gleich jeder 30. Saarländer Zuschauer, insgesamt kamen 33.000 Menschen auf den Kieselhumes. Der FCS, damals „die interessanteste Mannschaft Europas", blieb ohne regulären Ligabetrieb. Blieb also nur noch der Weg zurück in das deutsche Ligasystem, das man 1948 hatte verlassen müssen. In der Oberliga Südwest waren seit Jahren Plätze für die Saar-Vereine freigehalten worden. „Durch geschicktes Verhandeln mit den Kollegen aus dem Südwesten und nicht minder geschicktem Taktieren von Hermann Neuberger (seit 14. Mai 1950 Präsident des SFB als Nachfolger von Gründungspräsident Willy Koch) gegenüber der Regierung konnten der 1. FC Saarbrücken und Borussia Neunkirchen in der Saison 1951/52 in der Oberliga Südwest starten. Neuberger hatte mit Schreiben vom 21. April 1951 (einem Samstag) den Ministerpräsidenten über die Gesprächsergebnisse informiert und am Sonntagnachmittag allen saarländischen Redaktionen eine diesbezügliche Pressemitteilung zukommen lassen", erinnert der Saarländische Fußballverband an die damalige Zeit.
Schlüsselfigur des Saarkampfs
Als der Ministerpräsident montags den Brief zur Kenntnis nehmen konnte, war das Thema bereits Tagesgespräch mit voller Zustimmung der Bevölkerung. Ein Veto seitens der Regierung war aus politischen Gründen undenkbar. Und so nahm das Geschehen seinen Lauf. Die Saar-Vereine waren Mitglied des Landesverbands, aber nicht des DFB. So stellte das Saarland eine eigene Nationalmannschaft. Von November 1950 bis Anfang Juni 1956 wurden insgesamt 19 Länderspiele gegen neun Nationen ausgetragen, wobei der FCS die meisten Spieler abstellte. Sechs Spiele wurden gewonnen, drei endeten unentschieden und zehnmal gingen die Saarländer als Verlierer vom Platz. Unbestrittene Höhepunkte sind die Qualifikationsspiele zur WM 1954 gegen Deutschland. Der „Bruderkampf" löste eine Rieseneuphorie aus. Als Deutschland schließlich in der Schweiz den Titel holt, ist eine saarländische Delegation an der Spitze mit Hermann Neuberger bei den Feierlichkeiten im Mannschaftshotel. „Da haben wir den Kameraden gratuliert und einen mit denen getrunken", erinnerte sich der damalige saarländische Nationalspieler Herbert Martin. Dieser Geste der Nähe zu den deutschen Fußballkameraden folgte im Jahr nach der Weltmeisterschaft die deutliche Ablehnung der saarländischen Souveränität im Referendum. Historiker Wolfgang Harres führt dieses Ergebnis zum Teil auf das Wunder von Bern zurück. Es gibt bis heute Stimmen, die sagen, dass Hermann Neuberger die Schlüsselfigur des „Saarkampfs" war. Ab 1950 war er bereits der wichtigste Sportfunktionär des Landes. Auf sein Betreiben gründete der Landessportverband 1951 die Saarland Sporttoto GmbH (Saartoto) zur finanziellen Förderung des Saarsports, an der bis heute neben dem LSVS auch das Land als Anteilseigner beteiligt ist. Das organisatorische Trio aus Sport, Politik und Toto ist folglich sein „Baby".