2016 gab Kulturstaatsministerin Monika Grütters eine Studie in Auftrag: „Frauen in Kultur und Medien". Die Ergebnisse waren zum Teil dramatisch. Für mehr Geschlechtergerechtigkeit im deutschen Kultur- und Medienbereich kämpft seit einem Jahr der Zusammenschluss „Pro Quote Bühne".
Frauenquoten: So richtig beliebt sind sie nicht, weder in der Politik, noch in der Wirtschaft oder anderen Bereichen. Dennoch bleibt offensichtlich öfter mal nichts anderes übrig, um einen „gerechten" Anteil durchzusetzen. So auch im Kulturbetrieb: Um ihre Ziele zu erreichen, gründeten Frauen in den verschiedenen Berufsbereichen „Pro Quote"-Gruppen. 2012 waren es Journalistinnen von Print, TV und Hörfunk, 2014 kam die Filmbranche hinzu und 2017 gründete sich „Pro Quote Bühne". Sie alle fordern einen 50-prozentigen Frauenanteil in Kultur und Medien.
„Pro Quote Bühne" begann mit rund 40 Theaterschaffenden, übrigens Männern und Frauen und ist nach einem Jahr auf 250 Unterstützende angewachsen. Nach einem Jahr ist ein guter Zeitpunkt, um eine erste Bilanz zu ziehen. Das tat „Pro Quote Bühne" mit einer Podiumsdiskussion und lud in die traditionsreichen Sophiensäle in Berlin-Mitte ein – mit gutem Grund: Dort, wo einst Rosa Luxemburg und Clara Zetkin sprachen, zeigte sich im Jubiläumsjahr für das Frauenwahlrecht, dass Frauen von Gleichberechtigung und Gleichbehandlung noch weit entfernt sind. 78 Prozent der Theater werden von Intendanten geleitet, 70 Prozent aller Inszenierungen auf den großen Bühnen von Regisseuren realisiert, und 76 Prozent der inszenierten Stücke von Männern geschrieben. Aber 51 Prozent der Regieassistentenstellen sind mit Frauen besetzt und der Niedriglohnjob des Soufflierens wird sogar zu 80 Prozent von Frauen ausgeübt. Beim Theatertreffen 2017 stammte nur eine der zehn behandelten Inszenierungen von einer Regisseurin.
Sie fordern deshalb in einem Manifest eine Quote für Vielfalt statt Filz auf deutschen Bühnen. Dazu gehören eine 50-prozentige Frauenquote bei Intendanzen, bei den Hausregien und den Inszenierungen auf großen Bühnen. Der künstlerische Etat in Bezug auf die Verteilung auf Männer und Frauen soll offengelegt und der Theaterbetrieb muss familienfreundlicher werden. Und die Bühnenfrauen fordern natürlich „Männergagen" für alle.
Die Regisseurin Angelika Zacek ist eine der Gründerinnen und im Vorstand von „Pro Quote Bühne". Sie kennt die Missstände, weiß um Chancenungleichheit und Diskriminierung von Frauen am Theater und hat gemeinsam mit Kolleginnen herausgefunden, dass sie alle keine Einzelfälle sind. Rückblickend auf ein Jahr „Pro Quote Bühne" verweist sie darauf, dass nach beharrlicher Arbeit erste Erfolge zu verzeichnen sind. Es gab Gespräche mit Intendanzen, dem Bühnenverein und Mitgliedern verschiedener Parteien des Bundestages. Die „Pro Quote"-Frauen haben Vorträge gehalten, Aufrufe verfasst und Netzwerke aufgebaut. Dazu gehören „Theater.Frauen", das Ensemble-Netzwerk, der Bund der Szenografinnen, die Dramaturgische Gesellschaft, der Bundesverband Freie Darstellende Künste sowie weitere in der „Berliner Erklärung 2017" vertretenen Verbände.
Inzwischen gibt es, auch dank des Engagements der „Theater.Frauen", einen „wertebasierten Verhaltenskodex zur Prävention von sexuellen Übergriffen und Machtmissbrauch" vom deutschen Bühnenverein. Und die Geschlechtergerechtigkeit ist erstmals in Koalitionsvereinbarungen verankert: So will beispielsweise die Berliner Regierungskoalition „den nachwirkenden Stereotypen gegenüber Künstlerinnen entgegenwirken und betrachtet Geschlechtergerechtigkeit als einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der kulturellen Vielfalt."
Zu wenig Raum, zu wenige Mittel
Trotzdem bleibt noch viel zu tun. So sollte es eine Quote geben für den Einsatz von Regisseurinnen, Autorinnen, Direktorinnen oder Dirigentinnen, die von den jeweiligen Intendanzen bestimmt werden – hier wurde mit dem Deutschen Bühnenverein noch keine Einigung erzielt. Der „künstlerische Ausschuss" der Intendantengruppe habe sie eingeladen, um ihre Forderungen und ihr Manifest vorzustellen, sagt Angelika Zacek. „Das Treffen war ernüchternd. Viele hatten sich mit unserem Manifest noch gar nicht beschäftigt. Auf die Frage, was jeder tun könne, um die Gleichstellung im Theater voranzubringen, erhielten wir nur Aussagen, was alles nicht geht, aber nichts Konstruktives." Dass lediglich die Intendantinnen in der Gruppe sich für eine Frauenquote aussprachen, klingt nach klarem Problembewusstsein, während es daran bei ihren männlichen Kollegen fehlt. Man könnte ja auch selbstverpflichtend mal 40/60 und später 50/50 angehen, hieß es; aber selbst darüber gab es keine Einigung, nur viel Widerstand.
In jeder Spielzeit hätte jedes Theater die Chance, jeweils zur Hälfte Autorinnen und Regisseurinnen zu beauftragen, betont Angelika Zacek, man müsse es nur wollen. Aber dann kämen solche Aussagen wie: Es läuft doch gut, wie es jetzt ist, warum sollen wir das ändern, und außerdem gäbe es nicht genug gute Regisseurinnen. Und das, obwohl mehr Frauen als Männer aus den Studiengängen kommen …
Das Bewusstsein, als Intendanz demokratische und gesellschaftliche Verantwortung zu tragen, das Grundgesetz zu achten und das Haus dementsprechend zu führen, ist zwar in geringem Maße vorhanden, so das Fazit von Angelika Zacek. Aber sie hält es für einen Skandal, dass mit viel Steuergeldern die derzeitige Schieflage, zu der auch Chancen- und Lohnungleichheit gehören, aufrechterhalten wird. Dazu verstünden sich die Theater als Verfechter demokratischer Werte, während sie selber unkritisch auf eigene Machtstrukturen blicken. „Für uns Künstlerinnen ist es fatal, dass wir Geschichten aus unserer Perspektive nicht in dem Maße erzählen können, wie es uns in einer Demokratie zustünde. Unsere künstlerische Entfaltung findet nicht statt, weil uns zu wenig Raum und Mittel dafür gegeben werden", so Angelika Zacek. Sie hält den Kampf um Gleichberechtigung für existenziell. „Das Publikum, das in der Mehrzahl aus Frauen besteht, hat ein Recht auf ein vielfältiges Programm mit unterschiedlichen Rollenbildern. Das ist ein gesellschaftlicher Auftrag, der von den Theatern derzeit größtenteils nicht erfüllt wird." Noch deutlicher wird Zaceks Kollegin France-Elena Damian vom „Pro Quote"-Vorstand: „Die Theater sollten sich fragen, ob ihre künstlerische Qualität und inhaltliche Vielfalt nicht leiden, wenn nur Männer die Richtung vorgeben. Theater brauchen eine strukturelle Veränderung, um zu überleben."