Auf das Schaffen unbekannter Künstlerinnen macht das Verborgene Museum in Berlin-Charlottenburg seit 30 Jahren mit sorgfältig recherchierten Ausstellungen aufmerksam. Bisher hat es rund 100 wiederentdeckte Kunstschaffende vorgestellt.
Wie ein stummer Aufschrei wirkt das Foto auf einem Plakat an der Charlottenburger Schlüterstraße 70. Es zeigt einen Schauspieler des japanischen Tenjo-Sajiki-Theaters und weist auf die aktuelle Ausstellung im Quergebäude des Altbaus hin. Hier ist das Verborgene Museum untergebracht, das seit 30 Jahren die Werke vergessener oder wenig beachteter Künstlerinnen vorstellt. Bisher habe man die Biografien und die Arbeiten von rund 100 Malerinnen, Fotografinnen und Bildhauerinnen in den Blick der Öffentlichkeit rücken können, sagt Museumsgeschäftsführerin Marion Beckers. Und teilweise dazu beigetragen, auch größere Häuser auf sie aufmerksam zu machen – beispielsweise im Fall von Eva Besnyö. Die Berlinische Galerie organisierte eine erfolgreiche Schau zum Schaffen der Fotografin, nachdem das Museum sie quasi „wiederentdeckt" hatte. „Das ist unser großes Ziel, dass die von uns entdeckten Künstlerinnen in anderen Museen ihren Platz finden", betont Elisabeth Moortgat vom Vorstand des Verborgenen Museums.
1986 gründeten die Kunstwissenschaftlerinnen Elisabeth Moortgat und Marion Beckers gemeinsam mit anderen den Verein „Das Verborgene Museum – Dokumentation der Kunst von Frauen e.V.". Damals wurden Werke vergessener Künstlerinnen für eine Ausstellung anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins zusammengestellt. Bekannt war, dass davon so einige in den Depots, Archiven und Sammlungen der großen Berliner Museen lagerten. Und so gingen die Vereinsmitglieder daran, unter anderem im Brücke-Museum, dem Georg-Kolbe-Museum, in der Nationalgalerie, der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin oder im Bauhaus-Archiv zu recherchieren.
Zusammen mit dem Kunstverein „Neue Gesellschaft für Bildende Kunst" stellten die Berliner Malerinnen und Vereinsmitglieder Gisela Breitling und Evelyn Kuwertz die Ergebnisse dieser Forschungsarbeit im Dezember 1987 aus. In einer Schau mit dem Titel „Das Verborgene Museum". Aber nur ein Bruchteil der entdeckten Künstlerinnen fand darin Platz. So beschloss man, den vielen anderen eine dauerhafte Plattform zu bieten – mit einem kleinen Museum. Seitdem hat es hier zahlreiche Retrospektiven gegeben – zu Alice Lex-Nerlinger beispielsweise. Auch Marianne Breslauer, Käthe Loewenthal, Yva und Thea Sternheim wurden hier unter anderem gewürdigt – viele der Künstlerinnen hatten einst in Berlin gelebt und gearbeitet.
Umfangreiche Recherchen
Die Fotografin Lotte Jacobi besaß zum Beispiel ein Fotoatelier am Kurfürstendamm 35, Yva Sternheim arbeitete in der Schlüterstraße – quasi ganz in der Nähe des Hauses, wo heute das Verborgene Museum residiert. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrierten viele der Frauen, gerieten in Vergessenheit. Was Recherchen heute teilweise ziemlich kompliziert mache, sagen Elisabeth Moortgat und Marion Beckers. So spreche man mit Kunsthistorikern, Museen, Archivaren und Hochschulen, versuche zu klären, wo Werke verblieben sind, in wessen Besitz sie sein könnten. Es ginge auch darum, Nutzungsrechte zu klären und nicht zuletzt um Finanzierungsmöglichkeiten für Ausstellungen und Publikationen. Allein die Aufarbeitung des Nachlasses und die Präsentation der Sammlung von Lotte Jacobi aus den USA haben Jahre gedauert.
„Inzwischen bekommen wir unterschiedlichste Hinweise auf Künstlerinnen. Manchmal werden Bilder sogar auf Dachböden entdeckt, zum Beispiel auch die Gemälde von Ilse Heller-Lazard. Ein Verwandter von ihr sprach uns direkt an, und wir durften die erstmalige Präsentation der Werke übernehmen", erzählt Elisabeth Moortgat begeistert. Viele der im Verborgenen Museum vorgestellten Künstlerinnen erfahren hier die erste Würdigung ihres Werks in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Dazu gibt es meist aufwendige Publikationen.
Ein anderes Konzept verfolgt die Ausstellungsreihe „Künstlerinnen im Dialog". Hier werden unterschiedlichste Werke in Kontrast zueinander gesetzt, treten in einen Dialog. Alle dabei vertretenen Künstlerinnen haben eines gemeinsam – lange Jahre wurde ihre Leistung nicht anerkannt. Obwohl viele von ihnen nach dem Ersten Weltkrieg die Moderne mitprägten.
Zurzeit sind im Verborgenen Museum Fotos von Maria Austria ausgestellt – die umfassendste Schau ihrer Aufnahmen vom sogenannten Achterhuis, dem Hinterhaus in der Prinsengracht 263 in Amsterdam. Hier hielten sich acht jüdische Verfolgte – darunter auch die Familie Frank mit den beiden Töchtern Anne und Margot – von 1942 bis zum Verrat 1944 vor der Gestapo versteckt. Maria Austria erhielt 1954 den fotografischen Auftrag, das Haus der Anne Frank vorbereitend für das Bühnenstück am Broadway „Das Tagebuch der Anne Frank" abzulichten. Sie selbst war als Jüdin 1937 aus Wien geflohen, unterlag in ihrer Wahlheimatstadt Amsterdam dem Berufsverbot. Nach Kriegsende fotografierte Maria Austria für die „Freie Niederländische Presse" – dokumentierte das Leben in den zerstörten Städten und Häusern. Und porträtierte Menschen, die den Krieg irgendwie überlebt hatten. Mit dem Aufkommen des Neorealismus begann Maria Austria in Theatern zu fotografieren. Ihre ausdrucksstarken Porträts unter anderem von Maria Callas, Albert Schweitzer oder Josephine Baker machten sie international bekannt. Wie viele der von ihr porträtierten Persönlichkeiten war sie überzeugt, mit ihrer Arbeit am Aufbau einer neuen besseren Welt mitwirken zu können. Die Schau mit ihren Fotos ist in Berlin noch bis Anfang März zu sehen. Im Frühjahr geht es dann im Verborgenen Museum um die Künstlerin Lotte Laserstein.