Man soll ein Buch ja einem Sprichwort zufolge nicht nach dem Äußeren beurteilen. Es könnte ja doch irgendwie interessant sein. Sieht man sich jedoch das Cover und die vereinzelten Bilder im Booklet der neuen CD „Schrei es raus" von Joris an, so haben diese das Recht, interpretiert zu werden.
Das Cover zeigt den Sänger mit einem Tuch, das etwa die Hälfte seines Gesichts verdeckt. Zu sehen sind lediglich seine Augen und der obere Kopfbereich. Betrachtet man anschließend als neugierige Journalistin die Rückseite, so ist dort eine Glühbirne zu sehen, die zwar hell leuchtet, die äußere Hülle, die das Licht – ein weit verbreitetes Symbol für Hoffnung und Zuversicht – verdeckt, die jedoch in tausend Teile zerspringt.
Der Eröffnungssong „Kommt schon gut" beschreibt eine Kreuzung im Leben, an der genau diese beiden Dinge zutage treten: Hoffnung und Zuversicht. „Erster Atemzug, letztes Lebewohl/ Ich lauf‘ zum ersten Mal nicht auf ein Ende zu/ Ins Vorne fallen/ vom siebten Oben/ Alles hinter mir brennt lichterloh!" – Joris schildert einen Neuanfang in seinem Leben, in dem er alles, was ihn zu sehr quält und innerlich zerstört, hinter sich lässt. Dies lässt sich auf das komplette Album übertragen, zumal er am Songwriting beteiligt war. Stattdessen möchte er den Moment auskosten: „Genieß’ die Luft, jeden neuen Tag/ Denn es kommt sowieso, wie es kommen mag". Das, was Psychologen als Resilienz bezeichnen würden, eignen sich Künstler oft durch das Ausleben der eigenen Kreativität an. Für Joris ist Musik daher eine Art Selbsttherapie. Sie löscht bis zu einem gewissen Grad inneres Leid. Daher verwundert es nicht, dass der Titel der CD „Schrei es raus" lautet.
Anstatt alle seine Probleme mit sich selbst auszumachen und sich – wie auf dem Cover zu sehen – den Mund zu verbieten, verarbeitet er seine Probleme in der Musik – und seine Fans können sich über gelungene Unterhaltung freuen. Gelegentlich neigt Joris in seinen Songs zu musikalischer Lautmalerei: So ahmen das Schlagzeug und der Bass in „Schrei es raus" einen pochenden Herzschlag nach. Insgesamt ein gelungenes Album, das nach einer Fortsetzung schreit.