Betrachtungen zum Filmfestival Max Ophüls Preis 2019
Vor dem Start. Was wir, das Publikum, zu sehen bekommen, wurde mit Aufwand im Vorfeld von Vielen gesichtet. 140 Spiel-, 120 Dokumentar-, 130 mittellange und 480 Kurzfilme lauten dazu die beeindruckenden Zahlen. Davon haben es 62 Filme geschafft, beim 40. Filmfestival Max Ophüls Preis vorgestellt zu werden. Das Filmfestival erfreut sich ungebrochener Beliebtheit beim Filmnachwuchs, beim Publikum der Region und den Gästen von auswärts. Der Saarbrücker Stadtrat steht hinter dem Kulturereignis und gewährte in diesem Jahr dem Etat ein „Jubiläumsgeldgeschenk" von 70.000 Euro zusätzlich. Oberbürgermeisterin Charlotte Britz deutete an, dass dieses „Extra" nicht einmalig bleiben muss. Die Sponsoren halten die Treue, und es kommen neue hinzu. So gelang es erstmals dank Dillinger und Saarstahl den Publikumspreis Dokumentarfilm mit 5.000 Euro auszuloben.
Neues. Die Festschrift „78 Geschichten aus 40 Jahren Filmfestival Max Ophüls Preis". Die Reihe „MOP uff de Schnerr": Sympathisch, weil die Kinolandschaft im Saarland miteinbezogen und dadurch gestärkt wird. In Bous und in St. Ingbert wurden Wettbewerbsfilme gezeigt und von den Filmteams analog zu Saarbrücken vorgestellt. Die Alte Post fungierte in rustikalem Look – mit Gitterkäfigen, in die Beleuchtungselemente platziert waren – als Lolas Bistro und Treffpunkt für mitternächtliche Filmtalks.
Das Kino lebt. Jeder Film ist ein eigenständiges Kunstwerk. Der Betrachter oder die Betrachterin ist ein Individuum mit unterschiedlichem Erfahrungshintergrund. Meine Anmerkungen sind erklärtermaßen subjektiv, zudem bin ich der Auffassung, dass Kunst keiner Kritik bedarf. Geschichten, die uns emotional berühren, werden wir im Kino immer sehen wollen. Auf der großen Leinwand. Im verdunkelten Raum. In Konzentration. In Gemeinschaft. Netflix oder Amazon werden uns die Lust am Kino nicht austreiben.
Wettbewerb. Themen, Bildsprache, Trends? Mehrere Spielfilme zeigten die Kompliziertheit des Erwachsenwerdens als auch der Paarbeziehung. Die Themen Vereinsamung und Kapitalismuskritik wurden bearbeitet. Neben Horror und Science-Fiction war auch die Komödie vertreten. Auffallend, dass die Filmschaffenden dem Ton und der Musik als wesentlichem Element der Gestaltung Aufmerksamkeit schenken. Häufig war ich am Meer, am See oder am Fluss und ebenso häufig am Tanzboden oder auf dem Dancefloor. Bei der Regie ist die Improvisation mit Schauspielern wieder angesagt. Zwei Dokumentarfilme – „Congo Calling" (Publikumspreis Dokumentarfilm) und „Rote Erde weißer Schnee" – betrachten die Entwicklungshilfe, die für afrikanische Länder geleistet wird, konstruktiv-kritisch. Die Umarmung der Brüder im Film „Está todo bien", der mir drastisch das zusammengebrochene Gesundheitssystem Venezuelas vor Augen bringt, Efraim, der Chirurg, der ausharren will und sein Bruder, der ins Ausland geht, bringt mich zum Weinen. Das hilft keinem. Auf der Filmwebsite ist ein Kontakt zu einer NGO zu finden, die Geld für Medikamente sammelt.
Branchen-Treffpunkt. MOP-Industry eröffnete Begegnungen und Chancen für Filmschaffende. „Von der Bruchlandung zum nächsten Höhenflug" war eine gut besuchte Veranstaltung, bei der Produzenten von ihren Erfahrungen des Scheiterns berichteten. Abgeschaut hat sich Festivalleiterin Svenja Böttger das Format aus der IT-Branche, dort weiß man längst, dass nicht jedes Start-up gelingt.
Juryentscheidungen. Die Jury gab preis, dass sie sich in einem gemeinsamen Kriterium wiederfanden. „Haltung" sei wesentlich. Folgerichtig die Prämierung von „Das melancholische Mädchen", ein artifizielles Werk, das Sichtgewohnheiten und Geschlechterrollen aufbricht. Keine Chance hatten beispielsweise „A Gschicht über d’Lieb" und „La Palma" – Filme, die beim Publikum sehr gut ankamen. Beide starten im Sommer im Kino. Der Horrorfilm „Endzeit" lässt den Raubbau an der Erde anklingen, ist detailreich gemacht, gut gespielt und ging trotzdem leer aus. Bei der Anzahl der Einreichungen ist jeder der angenommenen Filme und deren Macher ein Gewinner.
Preisverleihung. Ein neues Raumkonzept verwandelte das E-Werk in eine Location, die geradezu glamourös auftrumpfte. Die Halle war nicht mehr wiederzuerkennen. Grandios, was die dafür Verantwortlichen geleistet haben. Tobias Krell moderierte die Veranstaltung zum ersten und hoffentlich nicht zum letzten Mal. Er stellte nicht sich, sondern den Filmnachwuchs in den Mittelpunkt. Bravo! Super-chic die neue Projektionswand, die auch den, der weiter weg saß, nah dabei sein ließ. Insgesamt eine Veranstaltung, wie ich sie mir für Saarbrücken wünsche und als krönenden Abschluss der Festivalwoche wahrnehme.