Andreas Zmuda und Doreen Kroeber haben mit einem Trike einen Weltrekordflug über 160.000 Kilometer durch 101 Länder unternommen. Die Reise ging weiter und wurde zu einer Lebensphilosophie. Ein Interview über ihre erstaunlichen Erlebnisse, aber auch Erkenntnisse.
Doreen, Andreas, 2012 habt Ihr alles verkauft, um mit einem Trike eine Weltrekordreise anzutreten. Woher kam dieser Wunsch?
Andreas: Wir haben uns ein Jahr vorher bei einer Amazonas-Expedition kennengelernt, bei der ich Reiseleiter und Doreen Teilnehmerin war. Dann bin ich nach 23 Jahren zurück nach Berlin gezogen, meine Heimatstadt, in der auch Doreen lebte. Da ich einen Pilotenschein habe, war unser Plan, zunächst sechs Wochen Urlaub mit einem kleinen Flugzeug in den USA zu machen. Daraufhin haben wir mit einer Flasche Wein angestoßen und Doreen sagte, sie würde gerne mal sehen, wo ich in Südamerika und der Karibik gelebt habe. Dann haben wir statt dem Urlaub ein Jahr Auszeit geplant. Doreen kam aber auf die Idee, in Afrika die Elefanten zu sehen und ich habe gesagt ‚Na, dann kündigst du deinen Job als Wirtschaftsingenieurin und dann fliegen wir um die Welt’.
Du erzählst das jetzt ganz locker, war das tatsächlich so eine einfache Entscheidung?
Andreas: Für mich war das einfach. Ich habe noch nie ein bürgerliches Leben gehabt, bei mir ging es schon immer abenteuerlich zu. Bei Doreen war das anders.
Doreen: Für mich war das ein Riesensprung aus einem gutbürgerlichen Leben ins Ungewisse. Andreas kannte ich zu dem Zeitpunkt auch erst ein Jahr. Aber man muss wissen, was man will, und dann auch einfach mal springen. Ein dreiviertel Jahr nach der Entscheidung, hatte ich alles gekündigt und verkauft.
Wie hat Euer Umfeld reagiert?
Doreen: Ooooh, die waren alle erst einmal komplett geschockt. Vor allem meine Eltern waren für mehrere Stunden sprachlos. Dann kamen alle Fragen nach Krankenversicherung und nach Rente.
Andreas: Du musst dir Doreens Eltern vorstellen: Die Tochter ist Wirtschaftsingenieurin, hat einen Vertrag bis zum Lebensende, gutes Geld, alles gut. Dann lernt sie im Dschungel von Südamerika einen Reiseleiter kennen und nach einem Jahr gibt sie ihr Leben komplett auf. Das war ein richtiger Schock für sie, aber inzwischen sind sie stolz darauf.
Wie muss man sich diese Reise vorstellen?
Andreas: Die Reise ist tatsächlich unser Leben, wir haben beide alles verkauft, zusammen zirka zwölf Kilo Gepäck. Jeder hat zwei Paar Schuhe, fünf T-Shirts, fünf Unterhosen, drei Paar Socken, eine lange sowie eine kurze Hose und Doreen noch ein Kleid. Wir leben mit wenig, aber total glücklich. Wir fliegen meistens früh am Morgen und dort, wo wir landen, finden wir immer eine Unterkunft und etwas zu essen. Dort bleiben wir dann einen Tag, eine Woche oder vielleicht auch einen Monat bis wir weiterfliegen.
Ist das nicht auch recht gefährlich mit dem Trike?
Andreas: Brenzlig sind für mich Situationen, die wir im Straßenverkehr erleben. Oben in der Luft ist man relativ alleine und auch kontrolliert durch Fluglotsen und alles, was zum normalen Flugverkehr gehört. Aber natürlich kommt man in brenzlige Situationen. Wir sind in Mexiko in schwere Unwetter geraten, mussten dann für ein paar Tage bei der Drogenmafia landen. In Kolumbien hat uns die Luftwaffe geholfen, durch die Wolken wieder runterzukommen, was sonst lebensgefährlich ist. Und in Ecuador haben wir eine Notlandung am Strand gemacht, weil es zu regnen begann und wir nicht mehr fliegen konnten. Aber generell ist das so sicher oder unsicher wie Autofahren auch.
Habt ihr eine andere Gelassenheit, als man das in Deutschland sonst gewohnt ist?
Andreas: Naja, wir haben keine 35-Stunden-Woche wie das in einem gutbürgerlichen Job der Fall ist. Wir arbeiten deutlich mehr. Ich habe meinen alten Job noch, mache Marketing für einen Reiseveranstalter in Südamerika. Daneben müssen wir beide Wetterplanung machen, Unterkünfte suchen, Doreen bearbeitet Fotos. Auf einem Flug über zwei Stunden machen wir 5.000 Fotos und Videos. Gerade sind wir auf Vortragstour durch Deutschland, machen auch Medientermine.
Was war die größte Herausforderung auf Eurer Reise?
Andreas: Die größte Herausforderung ist sicherlich, als Paar sieben Jahre Tag und Nacht ununterbrochen miteinander zu verbringen. Dafür verstehen wir uns ausgezeichnet. Wir haben natürlich auch unsere Problemchen und streiten mal. Aber man hat kein Rückzugsgebiet – man muss sich wieder vertragen.
Was ist denn Euer Rezept, warum funktioniert das so gut bei euch?
Andreas: Puh, ich glaube, wir lieben uns einfach sehr. Ach, das kann ja Doreen mal beantworten.
Doreen: (lacht) Jetzt macht er es sich einfach. Ein Patentrezept gibt es nicht, da muss jeder für sich einen Weg finden. Tatsächlich ist das nicht ganz einfach, und Andreas hat ja auch schon gesagt, dass es auch bei uns mal kracht. Meine Mutter hat das sehr treffend formuliert: ‚Na, wenn ihr die Tour überlebt, könnt ihr auch heiraten.‘ Wir haben uns als Paar verliebt, sind aber auch als Team zusammengewachsen.
Ihr seid aber noch nicht verheiratet? Oder hat Deine Mutter da was losgetreten?
Doreen: Nein, wir sind nicht verheiratet. Das war noch kein Thema.
Andreas: Ich war dreimal verheiratet, und es ging nie gut. Wir sind nicht verheiratet und es läuft hervorragend.
Ihr habt zusammen schon einiges gesehen, welches war der schönste Ort, und warum?
Andreas: Das größte Erlebnis ist die Hilfsbereitschaft der Menschen. Egal welches Land, welcher Kontinent, welche Kultur: Alle sind hilfsbereit. Emotional waren für mich die Orte besonders, an denen ich gelebt habe – Tobaga in der Karibik, unsere Landung in Berlin-Tegel, bei der ich auch über mein Geburtshaus fliegen konnte und meine Eltern an der Einflugschneise standen. Da hatte ich Tränen in den Augen. In New York ganz dicht an den Hochhäusern vorbeizufliegen, in Rio an der Christusstatue oder unser Weltrekordflug in Patagonien von Chile nach Argentinien über die Anden. Das sind Momente, die vergisst man ein Leben lang nicht.
Was habt Ihr bei Eurer Reise über die Welt gelernt?
Andreas: Wir haben gelernt, dass die Menschen und unterschiedlichen Völker sich unwahrscheinlich gerne haben. Die meisten haben gar kein Problem untereinander. Wir bekommen mehr den Eindruck, dass der Ärger und Stress innerhalb der Staatengemeinschaft von den Politikern ausgeht. Bei uns war wirklich alles Friede, Freude, Eierkuchen.
Da muss ich jetzt noch mal nachfragen: auch die Drogenmafia?
Andreas: Dort, wo wir waren, waren das ganz kleine Leute. Die haben in Wellblechhüten gelebt und haben uns trotzdem Essen gekocht und eine Bezahlung abgelehnt. Am Ende waren wir fünf Tage dort.
Würdet Ihr sagen, nach Euren Erfahrungen ist die Welt ein besserer Ort, als wir das oft annehmen?
Andreas: Genau, ja. Die Menschheit verfällt schnell in einen Zustand des Meckerns und des Leidens. Nimm als Beispiel die Arbeitslosenrate: Wenn man sagt, man hat fünf Prozent Arbeitslosenrate klingt das nach ‚wow, krass‘. Aber eigentlich hat man doch 95 Prozent Vollbeschäftigung – wie traumhaft klingt das? Die Menschheit spricht von den fünf Prozent, nicht von den 95.
Habt Ihr auf diesen Reisen Euer altes Leben je vermisst?
Andreas: Ich nicht, ich hab immer schon in unterschiedlichen Ländern gelebt.
Doreen: Vermisst kann man das nicht nennen. Ich habe jetzt ein ganz aufregendes Leben und entdecke jeden Tag Neues. Wir sind wie fliegende Nomaden. Durch die Medien ist man zum Glück auch immer mit Freunden und Familie in Kontakt. Ich könnte mir nicht vorstellen, in mein altes Leben zurückzugehen.
Ihr sagt, das Reisen mit dem Trike sei zu einer Lebensphilosophie geworden. Was beinhaltet die?
Doreen: Dass man den Mut haben sollte, seine Träume zu leben. Wenn es schiefgehen sollte, geht es auch immer irgendwie weiter. Die Leute sagen zu uns ‚Das mach ich alles später‘ oder ‚Wir würden das auch gerne machen, wenn wir nur könnten‘. Man muss es einfach machen und das Selbstvertrauen haben, dass man das auch meistern kann.
Andreas: Man bereut meistens die Sachen im Leben, die man nicht gemacht hat. Das liegt einfach daran, dass man sich nicht dazu entschieden hat.
Eure Reise ist noch lange nicht zu Ende. Welche Pläne habt Ihr für die Zukunft?
Doreen: Unser Flugzeug steht gerade in der Toskana. Wir sind jetzt zwei Wochen auf Vortragstour in Deutschland. Dann geht es zurück nach Italien und von dort aus weiter nach Genua, Frankreich, Spanien, Gibraltar, Marokko und dann langsam Richtung Afrika. In den nächsten Jahren sind die Ziele Afrika, Asien und Australien.