Einmal bei einem Filmdreh hautnah dabei sein. Das erlebte FORUM-Autor Marko Völke als Komparse beim neuen Saar-„Tatort", der am 27. Januar ausgestrahlt wird.
Kurz vor Mitternacht im Saarbrücker Schloss: „Wir drehen – Ruhe bitte!", ruft ein Mitarbeiter des SR-„Tatort"-Teams. Der Nachtdreh zu der neuen SR-Folge der ARD-Krimiserie mit dem Arbeitstitel „Der Pakt" ist in vollem Gange. Und ich bin mittendrin – heute allerdings nicht, wie sonst üblich, als Reporter im Hintergrund, sondern voll im Bild als Komparse. Eine ganz neue Erfahrung!
Vor unserem Dreh zur Geisterstunde brauchen wir Komparsen jedoch vor allem eins: viel Geduld. Ursprünglich war unser Einsatz schon ab 18 Uhr geplant. Doch dann hat sich der Plan immer weiter nach hinten verschoben. Als wir gegen 21 Uhr im Schloss eintreffen, stehen davor ein echtes Polizeiauto und ein Lkw voller Equipment. Auch einige der bekannten Hauptdarsteller sind schon da. Der zweite Regieassistent Marc André Misman, der für die Komparsen und deren punktgenauen Einsatz zuständig ist, begrüßt uns freundlich und zeigt uns den Weg zu unserem Warteraum. Wir sollen uns entweder dort, auf der Toilette oder im Catering-Bereich aufhalten, damit er uns schnell findet, wenn wir dran sind, erklärt er.
Im Aufenthaltsraum angekommen, checkt seine Kollegin von der Kostüm-Abteilung erst mal unsere mitgebrachten Klamotten. Für den Dreh der Ehrenpreis-Verleihung sollten wir angemessene Abendgarderobe mitbringen. Während eine andere Komparsin ein komplett neues Outfits verpasst bekommt, wird mein Anzug für gut befunden. Nun heißt es erst mal: Formulare ausfüllen und danach ab in die Maske. Stylistin Sabine hat heute ein Mammut-Programm vor sich und muss fast 30 Leute schminken. Echte Akkordarbeit. Doch die langjährige Mitarbeiterin wirkt gelassen, pudert mich ab und plaudert dabei gut gelaunt mit mir.
Beim Warten kommt man schnell mit den anderen Komparsen ins Gespräch. Von der Studentin bis zur Zahnärztin und vom 20-Jährigen bis zum Rentner stammen sie aus den unterschiedlichsten Berufen und Generationen. Auch einige alte Hasen sind darunter: „Man muss vor allem Zeit und Geduld mitbringen", rät mir Erwin Büch. 1999 hat er bei der Saarbrücker Ausgabe der TV-Show „Wetten, dass ..?" mitgemacht und ist mit einem Wasserrad über die Saar gelaufen. Schon zu „Palü"-Zeiten war er als Komparse beim SR-„Tatort" dabei. Inzwischen kommt er schon auf ein Dutzend Einsätze bei den verschiedenen Kommissaren. „Es macht einfach Spaß, dabei zu sein", sagt Büch. Zudem sei es eine tolle Erfahrung, so mitzubekommen, was sich hinter den Kulissen abspielt.
Als es losgeht, wuseln überall Mitarbeiter herum
Mit Süßigkeiten und frischen Früchten versüßt uns derweil eine Mitarbeiterin des Catering-Teams unsere Wartezeit. Gegen 23.30 Uhr ist es dann endlich so weit. Mismann ruft uns zu unserem „Tatort"-Einsatz. Maskenbildnerin Sabine pudert mich noch mal schnell ab. In einem Saal wird derweil das Set vorbereitet, das Licht eingerichtet und die Kamerapositionen geprobt. Überall wuseln Mitarbeiter herum. Elisabeth Brück, die zum achten Mal die Rolle der Kriminal-Hauptkommissarin Lisa Marx spielt, wirft einen Blick in den Raum.
Wir mimen die Gäste einer festlichen Ehrenpreis-Verleihung. Bindra Franziska Schubert spielt eine junge Ärztin, die sich um Flüchtlinge kümmert. Sie steht an einem Rednerpult und spricht zu uns. Zunächst wird die Einstellung geprobt. Regisseur Zoltan Spirandelli gibt seinem Team Anweisungen. Wir bekommen von seinem Assistenten gesagt, wann wir klatschen sowie aufstehen und den Saal verlassen sollen. Dann wird die Szene immer wieder aus verschiedenen Kameraperspektiven gefilmt.
Mehrmals frage ich mich, ob ich auch den richtigen Blick aufgesetzt habe. Unter den vielen Scheinwerfern wird es immer heißer. Doch die Dreharbeiten fordern nicht nur von uns Komparsen, sondern vor allem auch von den richtigen Darstellern viel Geduld. Immer wieder muss Bindra Franziska Schubert ihren Text wiederholen, bis alles im Kasten ist.
„Pause!", sagt ein Mitarbeiter. Während das Set umgebaut wird, heißt es für uns wieder warten. Devid Striesow, der Kriminal-Hauptkommissar Jens Stellbrink spielt, schaut kurz vorbei und scherzt mit einer Mitarbeiterin. „Eben hatte der aber noch keinen Gipsarm", bemerkt eine andere Komparsin. Doch vor seiner nächsten Szene hatte er einen Unfall.
Und weiter geht’s. Die Preisverleihung ist zu Ende, und die Ärztin hat uns noch zu einem kleinen Umtrunk eingeladen. Wir sollen aufstehen und uns in Richtung Ausgang begeben, aber an der Tür stehen bleiben. Nach ein paar Probedurchläufen wird es wieder ernst.
Als auch diese Einstellung im Kasten ist, erklärt uns der Regieassistent, dass wir nun wirklich den Saal verlassen können und dabei den beiden Ermittlern Stellbrink und Marx, die plötzlich vor der Tür stehen, einen überraschten Blick zuwerfen sollen. „Aber nicht zu übertrieben gucken. Es ist ja kein Mord passiert."
Der Blick muss sitzen – nichts darf übertrieben wirken
Wir sollen an den beiden vorbei in Richtung der Stehtische gehen und uns dort einen Sekt nehmen, anstoßen, aber nicht trinken, gibt uns der Regieassistent Anweisungen. Und obwohl sich bei einigen meiner Kollegen nicht nur der Durst, sondern auch der Hunger breit macht, sind die auf den Tischen stehenden, lecker duftenden Schnittchen für uns vorerst tabu und nur Deko.
In einer weiteren Einstellung der Empfangsszene bekomme ich zu später Stunde dann noch einen Sonderauftrag: Während die beiden Kommissare den Mörder stellen, erhalte ich im Hintergrund einen Anruf auf meinem Smartphone und gehe aus dem Bild.
Gegen 2.20 Uhr fällt schließlich die letzte Klappe. „Prost! Jetzt dürft ihr die Gläser austrinken", sagt ein Teammitglied. Doch unser Einsatz ist immer noch nicht beendet. Jetzt werden noch Standfotos von den Darstellern geschossen, bei denen wir im Hintergrund stehen. Und danach wollen die Ton-Mitarbeiter noch Atmosphäre aufnehmen. Wir laufen murmelnd durch das Schloss.
20 Minuten später ist dann endgültig Feierabend. „Danke fürs tapfere Durchhalten bis zum Schluss!", verabschiedet sich Marc André Mismann von uns.
Rund eineinhalb Jahre später darf ich dann endlich vorab in den fertig geschnittenen TV-Krimi reinschauen. Ich bin gespannt und überrascht! Ich hätte nicht gedacht, dass man mich so gut auf dem Bildschirm erkennt.
Auf alle Fälle war mein erster Komparsen-Einsatz eine interessante Erfahrung. Ich habe mal einen „Tatort"-Dreh aus einem ganz neuen Blickwinkel erlebt. Ich war bei der alles entscheidenden Szene dabei und kenne bereits jetzt den Mörder. Doch der wird natürlich nicht verraten.