Keine andere Mannschaftssportart nervt ihre Fans mit einer so chaotischen Struktur ihrer Europapokal-Wettbewerbe wie Basketball. Ein inzwischen jahrelanger Streit zwischen den internationalen Dachorganisationen für die nationalen Verbände auf der einen und den Clubs auf der anderen Seite verhindert eine übersichtliche und nachvollziehbare Gliederung.
Neun Bundesliga-Teams, insgesamt 104 Mannschaften, vier Wettbewerbe und zwei rivalisierende Veranstalter: Die Basketball-Europapokale sind auch in der laufenden Saison wieder einmal eine Zumutung für die Fans. Denn wo der Fußball durch die Champions League und die Europa League Anhänger und nicht zuletzt auch Medien ein klar strukturiertes Angebot macht, regiert bei den Korbjägern geradezu das reinste Chaos. Das lässt dem Publikum nicht zuletzt auch durch teilweise verwirrende Namensgleichheit der Turniere nur bestenfalls im Ansatz eine Chance auf Durchblick.
Anders nämlich als faktisch im Fußball können die Vereine selbst über eine Teilnahme am Europapokal entscheiden und sich darüber hinaus auch noch einen Platz für prestigeträchtige Auftritte auf dem internationalen Parkett nahezu frei aussuchen. Ob nun die Euro League, Champions League, Euro Cup oder Europe Cup – kaum jemand kann auf Anhieb die Gründe für den Start eines Clubs in diesem oder jenem Wettbewerb erkennen. Eindeutige Qualifikationskriterien sind bei der Verteilung der Clubs Mangelware.
Auch deswegen spielt gleich die Hälfte aller Bundesliga-Vereine auf den vier unterschiedlichen Bühnen um internationale Meriten. Zum Vergleich: Selbst im durchkommerzialisierten Fußball ist aus der gleichgroßen Bundesliga lediglich für maximal sieben Clubs Platz in einem Europapokal-Wettbewerb.
Basketball leistet sich auch einen für ambitionierte Sportarten europaweit einmaligen Luxus: Seine Champions League ist im Gegensatz zu Konkurrenzsportarten wie Fußball, Handball, Eishockey, Volleyball oder auch Tischtennis alles andere als die kontinentale Königsklasse. Unter Europas Körben ist die Champions League ein eher nachrangig einzustufender Wettbewerb, was den modernen Sportfan mitunter ziemlich durcheinanderbringen kann.
Rivalität zwischen Fiba und Uleb
Die Ursache für die sportliche Unordnung ist die scheinbar unversöhnliche Rivalität zwischen dem in München angesiedelten Europa-Ableger Fiba Europe des Weltverbandes Fiba und der privatwirtschaftlich ausgerichteten Vereinigung der europäischen Basketball-Ligen (Uleb) mit Sitz im spanischen Barcelona. Die Fiba Europe organisiert die Champions League und den Europe Cup und steht damit im Schatten der Uleb-Wettbewerbe Euro League und Euro Cup. Jahr für Jahr werben die beiden Veranstalter um Teilnehmer an ihren jeweiligen Wettbewerben. Sportliche Qualifikation? Praktisch egal.
Hintergrund des seit mehreren Jahren tobenden Machtkampfes zwischen den beiden Polen ist der seit 2017 geltende Wettkampfkalender mit vier geschützten Zeitfenstern für Fiba-Wettbewerbe der Nationalmannschaften. Die Uleb allerdings verweigert sich einer Unterbrechung ihrer Wettbewerbe für diese Zeiträume und damit auch einer Abstellung von Nationalspielern ihrer Vereine für die Fiba-Termine. Zur Begründung ihrer Haltung verweist die Uleb auf eine vergleichbare Sonderstellung des internationalen Marktführers NBA mit seiner weltweit beachteten Profiliga in Nordamerika. Aus Mangel an juristischen Möglichkeiten zur Erzwingung einer Freigabe für die betroffenen Spieler drohte die Fiba zunächst vergeblich mit Sanktionen für nationale Verbände wegen Teilnahme ihrer Clubs an Uleb-Konkurrenzen und gründete letztlich die Champions League und den Europe Cup mit Spielplänen inklusive der im Fußball gängigen Länderspiel-Pausen.
In der Bundesliga sehen die verantwortlichen Manager das anhaltende Kräftemessen mit Sorge. Der im Fußball geradezu zwangsläufige Glanz europäischer Wettbewerbe verwandelt sich im Basketball in ein ausgesprochen schlechtes Licht.
Beim deutsche Vizemeister und früheren Serienchampion Alba Berlin, der zusammen mit den Frankfurt Skyliners und dem Vorjahres-Zehnten (!) Ratiopharm Ulm im Euro Cup der Uleb auf Punktejagd geht, macht sich Geschäftsführer Marco Baldi keine Illusionen über die Außenwirkung der Querelen: „Wie furchtbar das alles ist, haben wir oft genug beschrieben", sagte Baldi im vergangenen Herbst vor Beginn der internationalen Saison in einem Zeitungsinterview und forderte zugleich von der Fiba eine Beendigung der Ungleichbehandlung von NBA-Clubs und europäischen Vereinen. „Eins ist klar: Wenn ich als Weltverband den Anspruch habe, die Klammer für den weltweiten Basketball zu bilden, muss das die NBA einschließen, die als Topmarke überall präsent ist und entsprechend Spieler rekrutiert. Die Sonderbehandlung der NBA muss aufhören, sonst wird es keine klare, sinnvolle und für jedermann nachvollziehbare Struktur geben und wird sich der Konflikt eher verschärfen."
„Sonderbehandlung muss aufhören"
Noch allerdings kann sich besonders das Uleb-Aushängeschild Euro League ganz gut gegen die Fiba behaupten. Als halbgeschlossene Gesellschaft mit 16 Mannschaften, von denen elf Clubs als Gründungsmitglieder oder Anteilseigner ein dauerhaftes Startrecht unabhängig von ihrer sportlichen Stärke und Qualifikation auf nationaler Ebene besitzen, gilt die Euro League als spielstärkstes System nach der NBA. Die freien Plätze werden handverlesen vorzugsweise an Meister führender oder nachfolgender Ligen sowie im Bedarfsfall per Wildcard wie in dieser Saison an den deutschen Titelgewinner Bayern München vergeben. Für den Sommer ist eine Aufstockung der Liga auf 18 Teams und mittelfristig auch eine Ausweitung der gesetzten „Stakeholder" mit Dauerspielrecht geplant, worauf die seit mehreren Jahren auch im Basketball sehr ehrgeizigen Bayern spekulieren. Würde München in den elitären Zirkel aufgenommen, dürfte danach auch ein zweiter Club aus der Bundesliga in der Euro League spielen.
Frankfurt würde diesen Platz gern einnehmen. Die Hessen sehen sich mit ihrer geplanten Großarena neben Basketball-Metropolen wie Madrid, Mailand, Moskau und mit Abstrichen auch schon München perspektivisch als ein möglicher zweiter Standort für die Euro League in Deutschland.
Dabei ist die Euro League finanziell für viele Clubs nicht gerade zwangsläufig lukrativ. Münchens Meister-Vorgänger Brose Bamberg musste für seinen Platz im „Konzert der Großen" sogar Geld zuschießen, entschloss sich daher zur Reduzierung seiner Kosten und sogleich dem Werben der Fiba für eine Teilnahme an der Champions League über gleich fünf Jahre nachzugeben. Das Recht auf eine Euro-League-Teilnahme für den Fall einer erneuten Meisterschaft gab Bamberg mit der Unterzeichnung der Vereinbarung mit der Fiba bis 2023 allerdings auf.
Immerhin winkt Bamberg, das zu Saisonbeginn ebenso wie seine Bundesliga-Rivalen MHP Riesen Ludwigsburg, Telekom Baskets Bonn und Medi Bayreuth für die Champions League meldete, im Falle des Titelgewinns eine Prämie von einer Million Euro. Ludwigsburg verdiente in der „kleinen Königsklasse" in der zurückliegenden Saison durch den Sprung in die „Final Four"-Endrunde auch noch 250.000 Euro.
Bamberg verdrängt Oldenburg
Das Fiba-Pendant zum Euro Cup der Uleb heißt tatsächlich zum Verwechseln ähnlich Europe Cup – und verspricht nicht so viel Erlös. Die EWE Baskets Oldenburg jedenfalls, die allein aufgrund von Bambergs Einstieg aus der Champions League rutschten (was auch schon wieder Bände über die Zulassung zu den Wettbewerben spricht), verzichteten wegen eines erwarteten Minus von rund 100.000 Euro auf eine Teilnahme und konzentrieren sich dieses Jahr ausschließlich auf die Bundesliga. Ihr Ligakonkurrent s.Oliver Würzburg hingegen nahm nach den verpassten Bundesliga-Play-offs in der vergangenen Saison die Chance zur Darstellung auf internationaler Ebene selbst im unbedeutendsten der vier Europacups gern wahr: Die Mainfranken hoffen nach eigener Aussage vor allem auf Effekte auf den mannschaftlichen Zusammenhalt.