Im Zuge der Krise des LSVS wurde zuletzt viel über die Strukturen des regionalen Sports diskutiert. In einer mehrteiligen Serie möchte FORUM die Ursprünge aufgreifen, prägende Personen vorstellen und an große Erfolge erinnern.
Als die finanziellen Probleme des Landessportverbands vor mehr als einem Jahr öffentlich wurden, da kritisierte ein Journalist des Saarländischen Rundfunks „die geradezu undurchschaubaren Strukturen aus Sport, Toto und Politik im Saarland." Wie kaum ein anderer stand Hermann Neuberger (1919-1992) für diese Strukturen.
Schließlich war er an ihrer Entstehung maßgeblich beteiligt. „Hermann the German", wie er international genannt wurde, hat Spuren hinterlassen. Das Stadion in seiner Heimatstadt Völklingen trägt ebenso seinen Namen wie die Sportschule im Saarbrücker Stadtwald, um die es zuletzt so viele Diskussionen gab. Er sei „neben Erich Honecker der zweite bekannte Saarländer", ätzte das Magazin „Stern" in den 80er-Jahren. In der Tat war Neuberger, ein gelernter Sportjournalist, zwar Macher und Machtmensch, aber nicht unbedingt ein ausgesprochener Sympathieträger. Eine „verbindliche Autorität" bescheinigen ihm viele, die ihn noch zu Lebzeiten kannten. Geboren 1919 in der Arbeitersiedlung Fenne wuchs der Sohn eines Lehrerehepaares im Saarbrücker Arbeiterviertel Malstatt auf und besuchte das Internat der Lenderschule Sasbach bei Freiburg bis zum Abitur 1938, kam danach als Wehrpflichtiger zur Wehrmacht und nahm am Zweiten Weltkrieg in Afrika und Italien teil, zuletzt als Hauptmann beim Generalstab der Wehrmacht in Rom. Nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft arbeitete er als Redakteur beim „Saarbrücker Sportecho" und wurde aufgrund eines zu deutschfreundlichen Kommentars auf Betreiben der französischen Machthaber gefeuert.
Tanz auf vielen Hochzeiten
Er kam bei der Karlberg-Brauerei unter und übernahm 1955 die Geschäftsführung der Saarland-Sporttoto GmbH. Von 1961 bis 1984 war er deren Direktor. Seit den fünfziger Jahren war er die prägende Figur des Saarsports. Zunächst Präsident des Saarländischen Fußballverbands übernahm er auch den Posten an der Spitze des Landessportverbands, wo er bis zu seinem plötzlichen Tod im Jahre 1992 bleiben sollte. Die Liste seiner Erfolge sind lang, die Vorhaben, die er angestoßen und umgesetzt hat, auch. Der 1. FC Saarbrücken war sein Herzensverein, für den Vorläuferclub FV schnürte er selbst die Schuhe. Nach dem Krieg spielten die Blau-Schwarzen am Kieselhumes. Dem jungen Neuberger war dies ein Dorn im Auge. Neuberger betrieb die Rückkehr in den Ludwigspark, doch der war unter Kriegsschutt begraben. Die wenigen Mitglieder des FCS legten selbst Hand an, Neuberger war an vorderster Front mit dabei.
Es war nicht nur der Anfang des 1. FC Saarbrücken, sondern auch irgendwie der Grundstein für die Karriere Neubergers. Bauvorprojekte hatten es ihm angetan. Auf sein Betreiben hin baute der LSVS die Saarlandhalle, auch bei der Erweiterung des Ludwigsparkstadions im Jahr 1977 hatte er die Hände im Spiel. Zuvor hatte er allerdings vergeblich versucht, Saarbrücken als Spielort für die Fußball-WM 1974 in Stellung zu bringen. „Doch diese „Hermanns-Schlacht verliert er", schrieb die „Saarbrücker Zeitung". Dabei sind die Hauptgegner nicht beim DFB oder der Fifa zu finden. Saar-Innenminister Ludwig Schnur legt sein Veto ein: „Hermann, lass, das wird zu teuer!", sagt er. Noch heute gibt es Menschen in Saarbrücken, die sagen, der FCS hätte ein dauerhafter Bundesligist werden können, wäre die Politik nicht so kleinkariert gewesen.
Auf überregionaler Ebene war er maßgeblich in den frühen 60er-Jahren an der Gründung der Bundesliga beteiligt. Auf internationaler Ebene verdiente sich der karrierebewusste Saarländer seine Meriten als Chef-Organisator der Weltmeisterschaft 1974 in Deutschland. Noch im WM-Jahr wurde Neuberger als Vize-Präsident in das Fifa-Exekutivkomitee gewählt, ein Jahr später rückte er an die Spitze des DFB. Der gebürtige Völklinger war dabei ein streitbarer Typ, legte sich gern mit Medien an. Bei der Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien kam es zum Eklat, als der frühere Wehrmachtsgeneral Hans-Ulrich Rudel im Quartier der Nationalmannschaft auftauchte. Der damalige DFB-Präsident hatte den Nationaltrainer Helmut Schön verteidigt, als dieser sich mit Rudel getroffen hatte. Beide Männer – also Schön und Rudel – kannten und schätzten sich persönlich. Bis heute gibt es Journalisten, die Neuberger damals als „Schmeißfliegen" titulierte, die behaupten, der DFB-Präsident habe Rudel eingeladen und beherbergt. Der Deutsche Fußball-Bund hat nach wie vor eine bemerkenswerte Verteidigungsschrift auf seiner Internetseite stehen. „Doch nicht nur, dass Neuberger dafür eine rechte Gesinnung unterstellt worden sei, obwohl er sich vor der WM von der argentinischen Militärdiktatur distanziert und für Menschenrechte eingesetzt hatte, sei ihm auch Jahrzehnte später noch von vielen Journalisten unterstellt worden, Rudel persönlich eingeladen und sich mit ihm getroffen zu haben, obwohl er zu diesem Zeitpunkt gar nicht im Trainingslager weilt." Fast zehn Jahre später kam es abermals zum Eklat. Diesmal provozierte „Hermann the German" die Patrioten. Um die Europameisterschaft 1988 nach Deutschland zu holen, verzichtete er auf Berlin als Spielort. Die Konservativen schäumten, selbst der „Spiegel" fragte, „ob dieser Mann dumm oder dreist ist". Neuberger konterte, dass er ohne die Stimmen der Ostblock-Länder den Zuschlag niemals erhalten hätte. Er behielt wieder Recht. Das Turnier wird ein Meilenstein in Sachen Modernität.
Dauer-Fehde mit Journalisten
Schon zuvor war er über seinen Schatten gesprungen, als er Franz Beckenbauer zum Bundestrainer machte. Beide waren sich zuvor in herzlicher Abneigung verbunden. Der WM-Titel 1990 wird ihr gemeinsamer Erfolg. Neuberger ist an vielen Fronten tätig, vergisst dabei die Heimat nicht. Er treibt den Ausbau der Sportschule voran, organsiert seinem FCS Kredite und Sponsoren.
Er war wie eine Kerze, die von beiden Seiten brennt. Dabei hatte er große Ziele, wollte Fifa-Präsident werden. Doch die Krankheit kam dazwischen. Viele Gegner hatte Neuberger besiegt, den Krebs schaffte er nicht. Als er 1992 starb, brach die Welt des Saarsports fast zusammen. Der LSVS hatte große finanzielle Probleme, die Saarlandhalle war marode. Den Neubau einer Veranstaltungshalle sowie die Modernisierung des Ludwigsparkstadions hatte er zu seinem 70. Geburtstag noch als Visionen ausgegeben. Umsetzen konnte dies keiner seiner Nachfolger. Mehr als 25 Jahre nach seinem Tod lässt sich feststellen, dass die Fußstapfen von „Hermann the German" (zu) groß waren.