Eigentlich sind Parteispenden nichts Ehrenrühriges. Die AfD macht aber ein Geheimnis aus zwei inzwischen bekannt gewordenen Großspenden. Ungeschick oder Kalkül? Das Vorgehen erweckt eher Neugierde, als Erklärungen zu liefern.
Die AfD stilisiert sich gern als Alternative zu den „Alt-Parteien"; aber die Affäre um die Parteispende an den Wahlkreis der Bundestags-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel weckt zunehmend Zweifel, wie ernst die junge Partei es damit meint – und mit der Wahrheit überhaupt. Zur Erinnerung: Der AfD-Kreisverband Bodensee von Alice Weidel erhielt zwischen Juli und September 2017, also in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfs, über die Schweizer Firma PWS PharmaWholeSale International AG gut 130.000 Euro. Aufgeteilt war die Summe in insgesamt 18 Teilbeträge vom selben Absender. Die Bundestagsverwaltung erfuhr davon erst mal nichts, hätte es nach Parteienrecht aber spätestens „binnen weniger Tage" wissen müssen, als die 50.000-Euro-Grenze erreicht war – so ist es gesetzlich festgeschrieben. Ohnehin war diese Spende illegal, denn Zuwendungen ausländischer Personen über 1.000 Euro sind nicht erlaubt. Zunächst hieß es, ein anonymer Spender aus der Schweiz wolle ungenannt bleiben. Damit hat sich die Partei selbst ein Problem geschaffen: Eine „Strohmann-Firma" aus dem Nicht-EU-Ausland war zwischengeschaltet, die Person des Spenders selbst unbekannt – all dies ist nicht rechtens. Schließlich hat die AfD das Geld denn auch zurückgezahlt, wenn auch nach einer erstaunlich langen Wartezeit von acht Monaten.
Nun gibt es eine neue Version der Geschichte: Die Schweizer Firma erklärt jetzt nach Medienberichten, sie habe das Geld von 14 Gönnern erhalten und dieses nur gebündelt an die AfD weitergeleitet. Und von wem? Das wollen weder die Firma noch die begünstigte Partei verraten. Die AfD hat die Namen der Spender zwar der Bundestagsverwaltung genannt, die Öffentlichkeit soll sie aber nicht erfahren. Angeblich handelt es sich um Personen mit deutsch klingenden Namen, deren Wohnsitze aber zum Teil in Belgien und Spanien liegen.
Die Zahl macht stutzig: Wenn die Gesamtsumme gleichmäßig durch 14 Personen aufgeteilt gewesen wäre, wären die Einzelspenden unter jeweils 10.000 Euro geblieben. Das ist deswegen wichtig, weil erst ab mehr als jener magischen Marke Spenden veröffentlicht werden müssen. „Dann würde sich aber die Frage stellen, warum die Spender überhaupt die Verschleierung über eine Schweizer Firma gewählt haben", sagt Ulrich Müller von der Lobby-Control, einer Organisation, die sich der Transparenz von politischer Einflussnahme verschrieben hat. Erst dadurch wurden die Zuwendungen ja illegal. „Eine Erklärung könnte sein, dass die gleichen Spender auch andere AfD-Politiker unterstützt und damit im Gesamtjahr über 10.000 Euro gespendet hätten", vermutet Müller.
Zuwendungen nicht als Spende gebucht
Zudem nutzt die AfD in ihrem jetzt veröffentlichten Rechenschaftsbericht 2017 einen Buchungstrick, um die Spender hinter den Geldflüssen nicht offenlegen zu müssen: Die Zuwendungen wurden nämlich nicht als Spende gebucht, sondern als Kredit – das Geld sei ja auch 2018 zurückbezahlt worden. Allerdings stellen sich laut Lobbycontrol zwei Fragen: Einerseits wurde das Geld 2017 im Wahlkampf eingesetzt, war also im Endeffekt doch eine (Wahlkampf-)Spende. Und: Wenn hinter den mysteriösen Spenden an Alice Weidel wirklich mehrere Personen stehen, muss es ein organisiertes Netzwerk geben. Verschiedene Personen kommen wohl kaum unabhängig voneinander auf die Idee, Geld über dieselbe zwischengeschaltete Firma an ein und denselben AfD-Kreisverband zu spenden. Oder gibt es mehrere Unterstützer-Netzwerke, die die AfD über die Schweiz unterstützen und dabei versuchen, die Transparenzregeln des deutschen Parteienrechts zu umgehen?
Dass die AfD die Namen der Spender geheim hält, verstärkt naturgemäß die Neugierde danach, wer sich dahinter verbergen könnte. Schließlich sind ÂParteispenden ansonsten nichts Ehrenrühriges. Insgesamt erhielt die AfD 2017 Spenden in Höhe von 7,4 Millionen Euro, der weitaus größte Teil, nämlich 6,6 Millionen Euro, von Privatpersonen. Da zeigte sich so mancher in Spendierhosen: Immerhin geht es um Einzelbeträge bis gut 200.000 Euro. Und nicht zu vergessen: Auch vom Staat bekommen die Parteien Mittel – im Fall der AfD 7,5 Millionen Euro.
Im Vergleich zu anderen Parteien hat die AfD überraschend wenige Gönner in der Wirtschaft. Zum Vergleich: Alle Bundestagsparteien zusammen haben 2017 knapp 90,6 Millionen Euro Spenden erhalten, davon kam fast ein Drittel von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden. Hauptprofiteur waren die Unionsparteien, die knapp die Hälfte der Gesamtspenden und zwei Drittel der Unternehmensspenden kassierten. Zusammen erhielten CDU und CSU über 45 Millionen Euro. Die FDP folgte mit 15 Millionen, fast gleichauf die SPD mit 14,5 Millionen, die Grünen sammelten 5,8 Millionen an Spenden ein und die Linken 2,6 Millionen Euro.
Dazu kommt allerdings noch eine weitere Form der verdeckten Wahlkampf-Finanzierung durch Dritte: Dabei geben anonyme Großspender seit Jahren Geld für ganze AfD-Wahlkampagnen, so in allein acht Landtagswahlen und beim Kampf um den Einzug in den Bundestag. Hier fließt nicht direkt Geld, sondern Dritte drucken Plakate und Parteizeitungen, schalten Anzeigen oder Online-Werbung – das Ganze über einen AfD-nahen Verein, so dass die Partei selbst finanziell außen vor bleibt. Allein im NRW-Wahlkampf wird der Umfang der anonym finanzierten Kampagnen zugunsten der AfD auf rund vier Millionen Euro geschätzt. Für die Bundestagswahl war die Plakatkampagne noch größer. Im Rechenschaftsbericht taucht dieser Posten jedoch nicht auf.
Wieso ist die Offenlegung der Finanzierung so wichtig? Geld bedeutet schlicht Einfluss – sei es im Wahlkampf oder auch bei der Finanzierung von sozialen oder kulturellen Projekten. So selbstlos ist wohl kaum ein Großspender, dass er nicht zumindest hofft, beim Empfänger zumindest mit offenen Armen willkommen zu sein – oder eben auch politischen Einfluss nehmen zu können, wie es ja Politikern unter anderem in Sachen Automobil- oder Tabaklobby immer wieder angekreidet wird. Wie groß diese Gefahr ist, war schon den Vätern und Müttern des Grundgesetzes klar: Parteien, die per se „bei der politischen Willensbildung des Volkes" mitwirken, müssen laut Artikel 21 „über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben."
Während der erste Teil, die politische Willensbildung des Volkes, der AfD offenbar sehr am Herzen liegt, scheint es mit der Transparenzpflicht nicht ganz so zu sein. Eine zweite Großspende einer niederländischen Stiftung – Geldgeber anonym – lagerte vom Februar 2018 an immerhin drei Monate statt weniger Tage auf den Konten von Weidels Kreisverband. Auch sie wurde schließlich zurückgegeben. Lobbycontrol stellt aber die Frage, ob da nicht eine Spenden-Rochade im Hintergrund lief; immerhin ging es um dieselbe Zeit, in der die teils im Wahlkampf verbrauchten Schweizer Mittel zurückgezahlt werden mussten.