Im Zuge der Krise des LSVS wurde zuletzt viel über die Strukturen des regionalen Sports diskutiert. In diesem Teil unserer Serie blicken wir auf die Gründung von Saartoto zurück, deren Gelder den Grundstock der Sportfinanzierung bilden.
Die finanzielle Unterstützung des Saarsports durch Lottomittel ist gesetzlich festgeschrieben. Der Sport erhält über das sogenannte Sportachtel 12,5 Prozent des Umsatzes von Saartoto. Das Saarland ist das einzige Bundesland, das die Lottomittel nicht in den Landeshaushalt einstellt, sondern direkt an den Landessportverband weitergibt. 2018 waren dies rund 14 Millionen Euro. Der größte Teil geht an die Fachverbände. Dass der Breiten- und Spitzensport im Saarland entsprechend den jeweiligen Erfordernissen gefördert werden kann, liegt an dem speziellen saarländischen Landesgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag. Die beiden Saartoto-Direktoren Peter Jacoby und Michael Burkert loben im Gespräch mit unserer Redaktion diese „bundesweite Besonderheit". Die Autonomie des Sports sei eine Errungenschaft, die man nicht infrage stellen solle, sagt Burkert und Jacoby ergänzt: „Was der Sport mit den Geldern macht, ist schließlich auch Sache des Sports." Über das Sportachtel kamen dem Sport seit 1951 nahezu 600 Millionen Euro zugute.
600 Millionen Euro seit 1951
Doch die Geburt von Saartoto war eine schwere. Und natürlich war Hermann Neuberger mittendrin. Als Sportreporter nach dem Krieg gestartet, verschlug es ihn nach Differenzen mit den französischen Machthabern in die Werbeabteilung der Karlsberg-Brauerei. Die Gründung des Unternehmens sei ein Spiegelbild der politischen Situation des bei aller Selbstständigkeit nach Frankreich orientierten Saarlandes gewesen, erinnert sich Saartoto in einer Festschrift an die Anfänge. „Herausragende Protagonisten, bevor Saartoto am 4. August 1951 seine Uraufführung feiern konnte: Hermann Neuberger als Vorsitzender der Saarländischen Fußballbundes und eigentlicher Fürsprecher, Ministerpräsident Johannes Hoffmann als Widerpart und Frankreichs Hoher Kommissar im Saarland, Gouverneur Gilbert Grandval, als entscheidender Schlichter ohne politische Scheuklappen", heißt es weiter.
Neuberger war ein Typ, der schon in jungen Jahren über den Tellerrand schaute. Ihm war die Einführung der ersten Toto-Gesellschaften nach dem Krieg im Bundesgebiet nicht verborgen geblieben. 1949 dachte der spätere DFB-Präsident, damals stellvertretender Vorsitzender des Saar-Fußballs sowie Beisitzer im Präsidium des Sportverbands, über eine „Selbsthilfeorganisation für den Saarsport" nach.
Es entspann sich eine fast einjährige Debatte, in der sich vor allem Regierungschef Hoffmann, im Volksmund „Joho" oder „der Dicke" genannt, als Gegner einer eigenständigen saarländischen Lotterie herausstellen sollte. Die Gründung einer Fußball-Lotterie sei für die im Saarland angebotene französische Loterie Nationale eine nicht hinnehmbare Konkurrenz. Zudem würden Lothringer dann bei saarländischen Annahmestellen in Grenznähe tippen, statt weiterhin in der Loterie Nationale zu spielen. Bei seiner Argumentation erhielt Hoffmann auch Unterstützung von der Landeszeitung, deren Sportchef schrieb, „dass Wetten grundsätzlich gegen christliche Werte" verstoßen. Pikant: Besagter Redakteur, Eugen Wagner, war im Ehrenamt Vorsitzender der Saarkanuten und kündigte an, bei einer Einführung würde sein Verband jegliches „Teufelsgeld" ablehnen.
Publizistischer Gegenspieler damals: Das „Sport-Echo", für das auch Neuberger schrieb und das von Hans Helmer herausgegeben wurde. Der Saarbrücker Unternehmer, heute nahezu in Vergessenheit geraten, war eine beeindruckende Persönlichkeit. Als ehemaliger Insasse des Konzentrationslagers Neue Bremm galt er als nicht NS-belastet und wurde so zum Präsidenten des 1. FC Saarbrücken und des Sportbundes, dem späteren LSVS, ernannt. Gemeinsam mit Neuberger zeichnete Helmer für den ersten offiziellen Antrag verantwortlich, der am 20. Mai 1950 an die Saar-Regierung abgeschickt wurde. Doch vor allem die Forderung, der Sport solle die Mehrheit im Aufsichtsrat haben, stieß auf Widerstand der Regierung. „Joho" spielte auf Zeit, ließ einen Staatssekretär nach mehreren Wochen eine Ablehnung formulieren. Neuberger, äußerst erbost, suchte den direkten Weg zum Hohen Kommissar Grandval und fand Gehör. Dessen schriftliche Antwort an den Fußball-Boss brachte den Durchbruch. „Es liegt mir sehr daran, Ihnen zu versichern, dass diese Schwierigkeiten in keinster Weise mit dem Hohen Kommissaren in Verbindung zu bringen sind und dass ich meinerseits keinerlei Einwände gegen die Einführung des ‚Sporttoto‘ geltend mache. Diese Angelegenheit obliegt ausschließlich der saarländischen Regierung." Damit war der Durchbruch erzielt. Am 29. November 1950 stimmte der Ministerrat der Zulassung des Fußballtotos schließlich zu. Erbittert wurde aber noch monatelang über Paragraph 5 des Gesellschaftervertrags gestritten, wonach die Regierung die Verteilung des für den Sport vorgesehen Achtels selbst vornehmen wollte. Am 8. Juni 1951 wurde das Sportwettengesetz schließlich verabschiedet, mit der besagten Verfügungsgewalt der Regierung. Helmer und Neuberger protestierten und hatten Erfolg. Im Aufsichtsrat wurde eine Kurskorrektur beschlossen, diesem gehörte neben Neuberger und Helmer auch Handball-Präsident Carl Rupp als Sportvertreter an.
Kurskorrektur beschlossen
Der Verteilungsschlüssel zeigte die damalige Dominanz des Fußballs, der die Hälfte der Zuwendungen erhielt, weil er auch für den Löwenanteil des Umsatzes verantwortlich war. Es passt ins Bild, dass auch die erste Sportwette von heftigen Geburtswehen begleitet wurde. Der Amtliche Wettschein Nr. 1 gilt heute als Geburtsurkunde von Saartoto. „Das Dokument aus dem Jahr 1951 listet die 14 Fußballspiele vom Wochenende des 4. und 5. August auf, auf deren Ausgang die Saarländer erstmals wetten durften", erinnert die „Saarbrücker Zeitung". „Zwei Tippreihen kosteten damals 100 französische Francs. Die Chronisten aus dem Totohaus berichten, dass die neu gegründete Gesellschaft des Saarlandes (57,14 Prozent) und des Landessportverbandes (42,86 Prozent) sich fast einen Fehlstart leistete, denn: spinale Kinderlähmung im Saarland hatte ein absolutes Sportverbot zur Folge." Das Spiel des 1. FC Saarbrücken gegen Metz wurde nach Lothringen verlegt. Fünf der 14 auf dem ersten Tippschein notierten Begegnungen fielen aus. Dennoch gab es einen Gewinner. Neun Richtige brachten umgerechnet 1.100 Euro. Der Anfang war gemacht.