Triathlon boomt weltweit, doch besonders in Deutschland. Wer auf den zahlreichen Veranstaltungen mithalten will, braucht inzwischen aber nicht nur Kondition, sondern auch ausreichend finanzielle Mittel.
Als 1984 eines der ersten Triathlon-Rennen in Deutschland startete, war die Veranstaltung überschaubar. Nichts sah nach Boom aus. Detlef Kühnel, 1982 und 1983 einer der ersten europäischen Teilnehmer des Ironman Hawaii, veranstaltete am 22. September 1984 mit der von ihm gegründeten Triathlon-Abteilung des TSV Roth den Franken-Triathlon mit immerhin 83 Teilnehmern. Seitdem hat sich das mittelfränkische Roth zu einem Epizentrum der Triathlon-Welt gemausert. Die Teilnehmerzahlen stiegen stetig, doch um einen regelrechten Boom auszulösen, brauchte es noch etwas mehr. Jan Frodeno hatte dieses gewisse Etwas: In seinem Fall war es eine olympische Goldmedaille. Gewonnen 2008 bei den Olympischen Spielen in Peking. Sie war die Initialzündung für einen erweiterten Triathlon-Boom in Deutschland.
Jan Frodeno wechselte 2014 von der kurzen Olympischen Distanz (1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Kilometer Fahrrad und 10 Kilometer Laufen) auf die sogenannte Ironman-Distanz. Hier bewältigt er jetzt 3,86 Kilometer im Wasser, 180,2 Kilometer auf dem Fahrrad, um im Anschluss einen kompletten Marathon mit 42,195 Kilometern zurückzulegen. Das offizielle Ironman-Rennen auf Hawaii konnte Frodeno 2015 und 2016 gewinnen. Doch auch für das traditionelle Rennen in Roth war Frodeno ein Glücksbringer. Im Jahr 2016 stellte er hier mit 7 Stunden, 35 Minuten und 39 Sekunden einen Triathlon-Weltrekord auf. Angefeuert von mehr als 200.000 Zuschauern unterbot er den alten Weltrekord von Andreas Raelert um fast sechs Minuten. „Das war so überwältigend. Das habe ich so noch nie erlebt, nicht einmal auf dem Gänsemarkt in Hamburg", sagte Frodeno im Anschluss. Triathlon-Euphorie in der deutschen Provinz. Doch nicht nur dort. Auch Großstädte wie Frankfurt am Main oder das genannte Hamburg lassen aufwendige Triathlon-Events in ihren Innenstädten veranstalten.
Die ungefähr 630 Veranstaltungen pro Jahr in Deutschland mit mehr als 2.000 Wettkämpfen konnten ihre Teilnehmerzahlen in den letzten Jahren immens steigern – über 270.000 Teilnehmer gab es bei Triathlon-Events 2017 in der Bundesrepublik. Es bedeutet eine Verdreifachung innerhalb von 15 Jahren, denn 2003 unterzogen sich noch 90.000 Sportler der anspruchsvollen Dreifachbelastung. Das Wort Boom also ist angebracht, der Ausdauersport Triathlon hat Hochkonjunktur.
Auch die weltweit größte Triathlon-Veranstaltung findet in Deutschland statt: in der Hansestadt Hamburg. Hier gibt es die kurze Strecke (0,5 Kilometer Schwimmen, 20 Kilometer Fahrrad und 5 Kilometer Laufen), den sogenannten „Sprint" oder auch „Jedermann" genannt, und die Olympische Distanz. Der „Ironman" findet gesondert einige Wochen später statt, der Veranstalter ist derselbe.
„Die Konkurrenz in Deutschland ist verdammt groß"
Bei dem anhaltenden Hype befeuern Hobby-Sportler und Profi-Triathleten sich gegenseitig. Königsdisziplin, Motor und Sehnsuchtsziel vieler Triathleten bleibt dabei der Ironman auf Hawaii. Deutsche Athleten dominieren seit einigen Jahren die Siegerliste auf dem pazifischen Archipel, dem Flagshipstore der Triathlon-Bewegung. Seit 2014, als Sebastien Kienle gewann, gab es nur deutsche Sieger. Neben Jan Frodeno ist Patrick Lange aktuell der beste Triathlet der Welt. Er konnte gesundheitliche Probleme Frodenos nutzen und 2017 und 2018 das Rennen auf Hawaii für sich entscheiden.
Die Dominanz der Deutschen beruht auf verschiedenen Gründen. Vorjahressieger Lange betont etwa die Leistungsdichte auf der Langdistanz. „Die Konkurrenz in Deutschland ist verdammt groß geworden. Auch die zweite Reihe hinter Frodeno, Kienle und mir macht Druck und will nach Hawaii. Dieses Niveau treibt uns in der Spitze an", sagte Patrick Lange letztes Jahr dem „Spiegel".
Zuletzt waren auf Hawaii über zehn Prozent der insgesamt 2.500 Teilnehmer aus Deutschland. Den Boom hat Patrick Lange noch einmal befeuert. Der 32-Jährige setzte im vergangenen Jahr mit einem Hawaii-Streckenrekord (7:52:39 Stunden) neue Maßstäbe, indem er dort erstmals die Acht-Stunden-Marke brach. Bereits 2016 hatte Lange für eine Bestmarke gesorgt, als er die Marathondistanz in 2:39:45 Stunden zurücklegte – bis heute die schnellste Zeit.
Doch nicht nur die Profis schwimmen auf einer Welle, auch bei den Amateuren boomt die Sportart. Wie gesagt: Hamburg ist das beste Beispiel. Bei dem weltweit größten Triathlon der ITU World Triathlon Series starten jedes Jahr knapp 10.000 Athleten vor einer Kulisse von über 250.000 Zuschauern in der Hansestadt.
Ein wahrhaft demokratisches Ereignis: Das Teilnehmerfeld aus Frauen, Männern und Kindern in Größe einer deutschen Kleinstadt durchschwimmt, -radelt und -läuft die komplette Innenstadt der Freien und Hansestadt Hamburg. Knapp 15 Prozent der Hamburger Bevölkerung sind live an der Strecke dabei und bejubeln sämtliche Akteure, egal ob Rentner, Freizeitsportler ohne Ambitionen für das Gesamtklassement oder die Vollprofis. Alle Teilnehmer fühlen sich willkommen und werden mit herzlichem Applaus bedacht.
Der Zuschauer könnte das Gefühl bekommen, der Hamburg-Triathlon wäre ein Event der öffentlichen Hand: unsere Stadt, unser Sport, unsere Begeisterung. Doch dem aufmerksamen Betrachter fallen die Logos von Veranstalter und Sponsoren ins Auge. Sie preisen die kommerziellen Partner der Veranstaltung an. Fester Bestandteil des Ironman Hamburg ist eine sogenannte Expo, auf der bis zu 50 Firmen ihre Produkte rund um den Triathlon-Sport ausstellen und von den Sportlern testen lassen.
Doch es besteht auch ein öffentlicher Beitrag. Die Stadt Hamburg gibt zum siebenstelligen Etat der Mammutveranstaltung einen sechsstelligen Zuschuss. Geld, das aus Sicht der Stadt gut angelegt scheint: Studien des Veranstalters aus Frankfurt stellen heraus, dass im Austragungsort eine Wertschöpfung von rund 20 Millionen Euro durch ein Ironman-Event entstehen kann.
Teilnahmegebühren mehr als verdoppelt
Ob alle Stars der Szene bei dem Event in Hamburg vor Ort sind, ist jedes Jahr aufs Neue fraglich. Bis zum Ironman Hawaii bleiben nur acht Wochen Erholungszeit – zu kurz für Profis. Bei aller Euphorie um den kommerziellen Erfolg des Triathlons müssen die Verantwortlichen also aufpassen, dass sie die Schraube nicht überdrehen. Der „Ironman" müsste möglichst exklusiv bleiben, damit der Mythos erhalten bleibt.
Viele der Hobby-Athleten stört inzwischen außerdem die stetig wachsende Kommerzialisierung. Denn Triathlon ist ein großes, schnellwachsendes Geschäft – ein Limit bislang nicht in Sicht. Ironman Hamburg fordert von seinen Teilnehmern bereits über 500 Euro Startgebühr. Teilnehmer der breitensport-affinen ITU-World-Triathlons, ebenfalls eine Marke von „Ironman", verlangt immerhin noch an die 100 Euro. Die Teilnehmerzahlen sind hier aber deutlich höher. Dem Wachstumskurs der Marke Ironman hat es in der jüngsten Vergangenheit wohl nicht geschadet, obwohl sich die Teilnahmegebühren innerhalb von wenigen Jahren mehr als verdoppelt haben. Um 2017 etwa in Frankfurt an den Start zu gehen, mussten Hobby-Triathleten bereits ein Jahr im Voraus 645 Euro zuzüglich einer Bearbeitungsgebühr von acht Prozent bezahlen.
Die Veranstaltung war trotzdem innerhalb von 24 Stunden ausverkauft. Der Erfolg ist so nachhaltig, dass der Veranstalter sich eine satte Gebührenanhebung für 2019 leisten konnte. Auch das Rennen in diesem Jahr ist ausverkauft, obwohl die Teilnehmer inzwischen 850 Euro bezahlen müssen – über 200 Euro mehr.
Die Startgelder sind die wesentliche Einnahmequelle für die Organisatoren des „Ironman" – genau wie für alle anderen Triathlon-Veranstalter. Die Fachpresse beziffert den Anteil der Teilnahmegebühren am Gesamterlös bei den wichtigsten Events der Sportart auf 70 bis 90 Prozent. Sponsoring und Merchandising sind weitere Erlösquellen, fallen aber im Vergleich deutlich ab, wie das Magazin „Sponsors" recherchiert hat.
Die nächsten Jahre werden zeigen, inwieweit die Interessen der Breitensportler und der Städte sich mit den kommerziellen Ideen besonders der Marke Ironman decken. Oder ob sich das Geschäftsmodell vom Konkurrenzveranstalter „Challenge" bewährt, das sich aus dem Traditions-Triathlon in Roth entwickelt hat.
Hier geht es nach wie vor bodenständiger zu, der Expansionskurs ist weniger aggressiv und die Rennen finden oft in ländlichen Regionen statt. Genau so wie alles begann, 1984 in Roth, als der große Boom noch nicht die vierte Disziplin beim Triathlon war.