Was tun, wenn Leistungssportler überfordert sind?
Sport ist nicht immer die schönste Nebensache der Welt. Anfänglich aber doch, wenn man spürt, wie systematisches Training bei entsprechendem Talent Spitzenleistungen generiert. In diesem Stadium verzeiht der Körper auch kleinere Fehler. Es kann passieren, dass man sich in solchen Phasen selbst berauscht. Wer ständig hart am Limit arbeitet, wird irgendwann merken, dass es besser sein könnte, nicht alles mitzunehmen, was irgendwie geht. Der Körper nimmt sich die Pausen, die ihm nicht gegeben werden. Verletzungen oder Erkrankungen drohen. Der Kopf wird leer, manche fühlen sich „mental platt".
Weltklasseathleten wie die olympischen Goldmedaillengewinner Laura Dahlmeier und Eric Frenzel suchen in dieser Saison nach jahrelanger Dominanz ihre Form. Beide sind aber auch positive Beispiele dafür, wie man mit solchen Situationen umgeht. Nicht immer am Anschlag laufen, sondern regenerieren und Wettkampfpausen einlegen.
Im Gegensatz zum Freizeit- und Gesundheitssport ist im Leistungssport die Intensität ein entscheidendes limitierendes Kriterium. Zu viele intensive Trainingseinheiten und zu viele Wettkämpfe können aber zu Überlastungen mit daraus resultierenden physischen und psychischen Problemen führen. Beispielsweise können hohe Belastungsintensitäten das Immunsystem vorübergehend schwächen. Negative Konsequenzen wie Infekte treten aber nicht zwangsläufig auf, wenn die Belastungssteuerung stimmt.
Hohe Intensitäten produzieren viel Laktat (Milchsäure), das die Muskeln übersäuert. Andererseits wissen wir heute, dass Laktat ein wichtiges Signalmolekül für trainingsbedingte Anpassungen ist. Das macht die Belastungssteuerung umso schwieriger. Es gilt die richtige Balance zu finden zwischen niedrig intensivem Grundlagentraining, intensiven Trainingseinheiten und Wettkämpfen. Früher war die Laktatangst weit verbreitet, heute lernt man zunehmend, mit hohen Intensitäten umzugehen.
Bereits vor der Jahrtausendwende wurde vermutet, dass die Athleten an ihrer Leistungsgrenze angelangt sind. Doch das Hamsterrad Leistungssport dreht sich immer schneller. Neue Wettkampfformen entstehen, ein Ende der Wettkampf-Inflation ist nicht abzusehen. In Individualsportarten wird versucht, mithilfe eines intelligenten Wettkampfsystems Überlastungen vorzubeugen. In Teamsportarten, insbesondere Fußball, wird rotiert, sodass in einzelnen Pflichtspielen bessere B-Mannschaften auflaufen.
Wissenschaftliche Längsschnittstudien haben gezeigt, dass im europäischen Profifußball seit Beginn dieses Jahrtausends Verletzungen der hinteren Oberschenkelmuskulatur, der typischen Sprintmuskulatur, signifikant zugenommen haben. Es sind in der Regel keine Kontaktverletzungen, sondern Überlastungsverletzungen. Die athletischere Spielweise fordert ihre Opfer. Die Spieler laufen zwar nicht mehr als früher, aber schneller. In der englischen Premier League nahm die Sprintdistanz um 35 Prozent zu. Mit größeren Teams hinter den Teams wird versucht, gegenzusteuern und eine Rundumversorgung zu gewährleisten. Die digitale Revolution hat auch im Sport Einzug gehalten. Sogar universitäre Studiengänge, die sich mit der Datenanalytik im Sport befassen, werden etabliert.
Spitzensportler haben heute kaum Rückzugsräume. Präsenz in den sozialen und anderen Medien wird erwartet, Sponsoren wollen bedient werden. Die verschiedenen Nebengeräusche müssen bei der Belastungsdosierung berücksichtigt werden. Die angepriesene duale Karriere, also Sport und berufliche Ausbildung zu verbinden, ist insbesondere in trainingsintensiven Sportarten kaum realisierbar.
Problemlösungen liegen auf der Hand, haben aber im Dickicht unterschiedlicher Interessen kaum Aussicht auf Erfolg. Überlastungen im Leistungssport sind häufig systemimmanent. Sportler, Trainer und auch wissenschaftliche Begleitung sind mehr denn je herausgefordert.
Vorsicht jedoch: Bei aller digitalen Innovation bleiben das geschulte Auge des Trainers und die Selbsteinschätzung des Athleten entscheidend.