Deutschlands größter Freizeitpark, der Europa-Park, will eine Seilbahn über den Rhein bauen. Emmanuel Macron und Winfried Kretschmann applaudieren schon im Vorfeld – Umweltschützer sind entsetzt.
Im Winter wird’s gemütlich im Europa-Park. Die Wildwasserbahnen haben geschlossen. An den Bäumen hängen Lichterketten und künstliche Schneeflocken. Weihnachtsmänner durchstreifen den Park, der sich im Winter in eine Märchen-Landschaft verwandelt. Eine Zeit der Besinnlichkeit – eigentlich.
Doch Rust, die 4.500-Einwohner-Gemeinde in Baden-Württemberg, kommt nicht zur Ruhe. Seit Deutschlands größter Freizeitpark angekündigt hat, eine Seilbahn ins benachbarte Elsass bauen zu wollen, brodelt die Gerüchteküche. „Das hat für Wirbel gesorgt", bestätigt Bürgermeister Kai-Achim Klare (SPD). „Für uns könnte dieses Projekt eine enorme Verkehrsentlastung darstellen. Aber es steht und fällt mit der Umweltverträglichkeit."
Seit Jahren leidet Rust unter dem Verkehr. Allein im Jahr 2017 strömten 5,6 Millionen Menschen in den Freizeitpark, die meisten davon mit dem Auto. Regelmäßig kommt es auf der A5 schon vor der Ausfahrt zu Staus und Unfällen, weshalb die Anschlussstelle Rust derzeit für 6,8 Millionen Euro ausgebaut wird. Der Europa-Park wächst und wächst: Jedes Jahr kommen mehr Besucherinnen und Besucher in den Park, was mehr Umsatz, aber auch mehr Fahrzeuge bedeutet. Um die zunehmenden Gästemassen besser zu lenken, entstehen immer neue Achterbahnen, Restaurants und Hotels (siehe Infobox).
Die Staus haben sich trotz aller Baumaßnahmen aber bislang kaum verringert, zumal Rust bis heute nicht über einen ICE-Bahnhof verfügt. Eine Seilbahn nach Frankreich könnte die Situation also zumindest entschärfen. 23 Prozent aller Besucher kommen aus Frankreich; 1.000 der 3.700 Mitarbeiter pendeln täglich aus dem Elsass in den Park. Per Luftlinie sind es nur fünf oder sechs Kilometer bis ins Nachbarland. Doch der Weg der Seilbahn würde nicht nur über den Rhein führen, sondern durch ein Naturschutzgebiet. Zumal auch auf französischer Seite Parkplätze und ein Hotel errichtet werden sollen. Das besagte Naturschutzgebiet, genannt Taubergießen, wirkt ebenfalls wie eine Märchenlandschaft – nur dass diese real ist. Nebel wabert zwischen Eichen und Silberweiden. Insekten kreisen über Tümpeln. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) bezeichnet das 1.600 Hektar große Areal als „eines der letzten Paradiese Europas". Eisvögel, Spechte und Seeadler leben hier, genau wie unzählige Schmetterlinge und Libellen. Die Befürchtung der Naturschützer: All das könnte in Gefahr sein. Noch pendelt in Taubergießen ausschließlich eine Auto-Fähre über den Rhein. Doch der Nabu, der neben der Anlegestelle eine Naturstation betreibt, hat vorsorglich eine Protestnote aufgehängt. „Wir glauben nicht, dass ein Seilbahn-Projekt mit den strengen Naturschutzauflagen des Gebiets vereinbar ist", wird der Vorsitzende des elsässischen Umweltverbandes LPO zitiert. Der Kampf gegen die Gondeln ist grenzüberschreitend – genau wie das Engagement dafür.
„Nicht mit den strengen Auflagen vereinbar"
Als der Europa-Park die Idee Anfang November präsentierte, stellte er ein Foto auf seine Webseite. Es zeigt die geschäftsführenden Gesellschafter neben dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Bildunterschrift: „Schulterschluss für deutsch-französische Vision." Die Aussage wirkt so, als sei das gesamte Vorhaben bereits von ganz oben abgesegnet – obwohl noch gar kein Bauantrag gestellt wurde.
„Das Projekt steckt in den Kinderschuhen", beteuert Europa-Park-Sprecherin Diana Reichle. Es gehe um einen Zeithorizont von fünf bis zehn Jahren. „Für uns steht es außer Frage, dass bei der Planung alle Naturschutzverbände involviert werden", ergänzt Reichle. Das sei aber erst sinnvoll, wenn es konkrete Pläne gebe. Ähnlich äußert sich das Regierungspräsidium Freiburg, das ebenfalls von einer „Vision" und einem „innovativen Ansatz" spricht.
„Auf uns ist niemand zugekommen", ärgert sich Martin Neub, der Vorsitzende des Nabu-Bezirksverbands Südbaden. Er glaubt, dass das Verkehrsargument nur vorgeschoben ist, um eine Expansion des Parks nach Frankreich zu verdecken. Eine Seilbahn hält er für unverhältnismäßig: „Es müsste eine Schneise durch den Wald geschnitten werden, um Platz für Anfahrts- und Rettungswege zu schaffen."
Axel Mayer, Geschäftsführer des BUND Südlicher Oberrhein, spricht von einem „krebsartigen Wuchern" des Parks. Für Mayer ist es nicht der erste Konflikt mit dem Unternehmen: Beim Bau der „Arthur"-Attraktion errichtete der Park eine Brücke so niedrig, dass Kanu-Fahrer nicht mehr hindurchpaddeln konnten. Obwohl das Bauwerk nicht den Vorgaben entsprach, durfte es stehen bleiben. Stattdessen wurde ein Bußgeld fällig.
Auf französischer Seite halten sich die Behörden bislang mit einer klaren Aussage zurück. Zwei Orte, Diebolsheim und Rhinau, sind als potenzielle Seilbahn-Stationen im Gespräch. In Rhinau reagierte das Rathaus nicht auf Anfragen von FORUM. In Diebolsheim bittet Bürgermeisterin Brigitte Neiter um Geduld. Das Vorhaben sei in einer sehr frühen Phase, sodass man noch keine genauen Aussagen treffen könne. Aber: „Es ist auf jeden Fall ein spannendes Projekt von großem symbolischen Wert", meint Neiter. Man könne das Ganze als „Verbindung zwischen unseren beiden Völkern über den Rhein" betrachten.
Die Naturschutzverbände in Deutschland sind weniger euphorisch. Sie wollen notfalls vor Gericht ziehen, präsentieren aber auch Alternativen. „Sinnvoll und vertretbar wäre eine Seilbahn über Nicht-Naturschutzflächen zum nächstgelegenen deutschen Bahnhof", findet Axel Mayer vom BUND. Der Nabu schlägt elektrisch betriebene Busse vor, die von Frankreich nach Deutschland pendeln.
Und der Europa-Park? Hebt weiter die vielen Vorteile hervor, die eine Seilbahn mit sich bringen könnte: Völkerverständigung, Verkehrsentlastung, Arbeitsplätze auf französischer Seite. Keineswegs gehe es darum, die Natur zu verschandeln, beteuerte Freizeitpark-Chef Michael Mack bei der jüngsten Winter-Pressekonferenz. Wie genau das in einem Naturschutzgebiet funktionieren soll, konnte aber auch Mack nicht sagen. Die „Vision" stehe schließlich erst am Anfang.