Auch in den schönsten Wochen des Jahres haben viele Hundebesitzer ihre Fellfreunde gern dabei. Rügen bietet in der kühlen Jahreszeit ein optimales Urlaubsprogramm für Zwei- und Vierbeiner.
Brad hebt den Kopf. Der Wind, der seine Barthaare streichelt, kommt aus Nordost. Wir sind am über sieben Kilometer langen Strand bei Glowe auf der Insel Rügen. Dichter, Maler, Denker kommen seit Jahrhunderten auf Deutschlands größte Ostseeinsel und schwärmen von der Idylle der Landschaft. Wie jetzt auch Brad, mein mexikanischer Straßenhund. Die langen weißen Strände hat er fast für sich allein. Fast, denn es gibt noch ein paar andere Vierbeiner, die hier herumtollen. Und das liebt mein Hund ganz besonders: Fellfreunde treffen. Im Herbst und Winter ist Rügen ein Hundeparadies, denn unsere besten Freunde dürfen fast überall mit dabei sein.
Ab Oktober, wenn die Besucher gegangen sind und die Inselidylle ruhiger wird, sind Hunde an fast allen Stränden erlaubt. Mit Leinenpflicht zwar, aber Vierbeiner, die gut folgen, dürfen diese fast grenzenlose Freiheit auch mal ausleben. Brad dagegen bleibt an der Leine, da sein individueller Entdeckungswille immer noch stark ausgeprägt ist.
Hotelchefin Gudrun Benedikt vom „Bel Air Strandhotel" in Glowe liebt Hunde. Sie hat selbst zwei Vierbeiner. „Selbstverständlich steht unser Familienhotel Hunden offen und sehr positiv gegenüber. Die Erfahrungen sind gut", sagt sie. Dabei teilt sie Frühstücksbereich und Restaurant in zwei Bereiche, einen für Hundebesitzer und einen für die übrigen Gäste. Mit den Räumen in dem 35 Zimmer-Hotel, das ganzjährig geöffnet ist, gilt das ebenso. „Klare Trennung für Gäste mit und ohne Hund." Tierische Freunde bekommen neben Fress- und Trinknapf auch Leckerlis und Spielzeug aufs Zimmer. Die gebürtige Krefelderin hat sich während eines dreiwöchigen Urlaubs 1992 in die Insel verliebt. „Für mich stand fest, dass ich hier leben möchte." Später kam dann auch noch die Liebe zu einem handwerklich sehr begabten Reet-Dackdeckermeister der Insel hinzu. Gemeinsam wurde der Hoteltraum verwirklicht.
Separate Hoteltür für Gassigeher
Brad möchte am nächsten Morgen früh raus. Eine separate Tür für Gassigeher führt direkt an den langen Strand. Wir stoßen auf weitere Frühaufsteher, die mit ihren Körbchen entlang der Schaabe Pilze sammeln. „Ein Paradies", sagt einer von ihnen. Es ist ruhig hier in diesem nördlichen Teil der Insel. „Hundebesitzer kommen gerne an Silvester. Nach dem Menü rund eine Stunde vor Mitternacht bekommen unsere Gäste einen Picknickkorb in die Hand gedrückt." So kann jeder selbst seinen eigenen Lieblingsort – ob am Strand oder im Küstenwald – bestimmen und das neue Jahr beginnen. Eine Wohltat für empfindliche Hunde- und Menschenohren, denn das typische Feuerwerk gibt es hier nicht."
Am nächsten Tag fahren wir hinauf zum Kap Arkona, einer meiner Lieblingsorte. Wir besuchen die schlichte und sehr schöne Uferkapelle des winzigen Fischerortes Vitt und laufen dann gemächlich los auf den Höhenweg entlang der Küste zu den drei Leuchttürmen. Für Brad gibt es viel zu entdecken. Er erschnüffelt sich selbst die Notizen des Nordens, zieht den Geruch eines Sanddornstrauches ein und schaut in die Ferne auf die weißen Kreidefelsen, die für Rügen so typisch sind. Zurück in Vitt verweilen wir erst am Meer auf rustikalen Holzbänken und genehmigen uns einen heißen Sanddornsaft. Später zu Tee mit Gebäck geht es ins Café am Meer. Der hübsche Fischerort Vitt ist einen Fotostopp wert.
Zeitig am nächsten Morgen brechen wir zum Nationalpark Jasmund im Nordosten der Insel auf. Hier soll sich ein Teil des Erbes unserer Menschheit befinden. Und außerdem wollen wir den berühmten Kreidefelsen sehen, den Caspar David Friedrich 1818 auf Leinwand gemalt hat. Anlass war die Hochzeitsreise mit seiner Caroline, die er in Dresden geheiratet hatte und der er nun seine vorpommersche Heimat nahebringen wollte. Seine damaligen Gemälde zeigen nicht nur die imposanten Kreidefelsen des Königsstuhls in jener Zeit sondern auch den „Mondaufgang über dem Meer" oder die Meeresstimmung „Auf dem Segler". Dagegen ist Friedrichs „Landschaft mit Regenbogen" verschollen. Wir erahnen, wie sie ausgesehen haben könnte. Doch was hat diese Region mit dem Erbe der Menschheit auf sich? Schon seitdem wir losgezogen sind, steckt Brad seine Nase tief in den feuchten Blätterboden des Waldes. Hier sind sie also, die alten und nahezu unversehrten Buchenwälder, die von solch herausragender Bedeutung sind, dass sie im Juni 2011 auf die Liste eines europaweiten Naturerbes aufgenommen wurden und heute mit den Kreidefelsen zum Unesco-Weltkulturerbe gehören.
Peter Lehmann arbeitet in Deutschlands nördlichster Wildnis. „Wir haben hier zwei Stars", erklärt der Ingenieur für Forstwissenschaften: „Zum einen gibt es die längste und höchste Steilküste Deutschlands mit ihren wilden Stränden und zweitens die Buchenwälder, so wie wir sie uns in den Märchen und Mythen unserer Kindheit immer vorgestellt haben." Der Jasmund-Nationalpark ist der kleinste Deutschlands und trägt den Slogan: „Wald am Meer". Heute reiht er sich lückenlos ein in die prestigeträchtigsten Nationalparks der Welt wie jener von Galapagos vor Ecuador, Krüger im südlichen Afrika oder Yellowstone in den USA. „Es gilt, die letzten Wildnisressourcen vor dem Hintergrund einer zunehmenden Weltbevölkerung zu bewahren", ergänzt Lehmann. Die Geschichte des kleinsten Nationalparks unseres Landes ist auch untrennbar mit der deutschen Einheit verbunden. „1990 ging er als einer der letzten Staatsakte der untergehenden DDR als Tafelsilber der deutschen Einheit in die Wiedervereinigung ein."
Rund eine Million Menschen besuchen jährlich den Jasmunder Nationalpark mit einer Fläche von 3.004 Hektar, rund 6.000 Fußballfelder. Der gebürtige Karlsruher liebt es, hier im Einklang mit den vier Jahreszeiten zu leben. Dann verrät er seine zwei Lieblingsfleckchen: „Der Königsstuhl am frühen Morgen und die versteckte Kieler Bucht mit ihrem kleinen Wasserfall, der sich in die Ostsee ergießt."
Er erklärt die „Honigtopfstrategie", mit der man die versteckteren Orte rund um den Königsstuhl schützen möchte. „Die meisten Besucher wollen eine spektakuläre Landschaft sehen und deshalb konzentrieren wir sie auf den Königsstuhl. Und mit diesem Impuls sollen die Touristen wieder nach Hause gehen, nämlich, dass die Schönheit der Natur vor allem wertzuschätzen ist."
Das „Cliff Hotel" hat einen eigenen Strand für Vierbeiner
Weiter südlich in Sellin liegt mit dem „Cliff Hotel" ein weiteres hundefreundliches Quartier. Hier gibt es unter anderem großzügige Ferienwohnungen auf dem Dach mit einem weiten Rundblick. Die Bellos auf vier Pfoten bekommen ein flauschiges Hundebett. Für die sportlichen Zweibeiner gibt es in dem rund 156-Zimmer-Hotel mit mehreren Wohneinheiten einen 25-Meter-Pool und einen modernen Spa-Bereich. Brad wittert Meeresluft und möchte ans Wasser. Neben einem Gästestrand hat das Haus auch einen für Hunde. Das „Cliff Hotel" kann auf eine 30-jährige Geschichte zurückblicken. Als einstiges Erholungsheim Baabe öffnete es seine Türen noch lange vor der Wende hauptsächlich für Regierungs- und internationale Staatsgäste.
Am nächsten Tag steht ein besonderes Ereignis an: den Wald mal von ganz oben, sozusagen auf Augenhöhe zu betrachten. Der Baumwipfelpfad nahe Prora ist ein Erlebnis für die ganze Familie, jedoch nicht für unseren Vierbeiner. Für Brad gibt es am Eingang eine Hundebox mit Wassernapf. 1.250 Meter führt uns der barrierefreie Pfad durch die Baumkronen des Buchenwaldes. Andrea Meyer, Natur- und Landschaftsführerin, begleitet uns und sorgt für viele Aha-Erlebnisse. Sie erzählt uns von der Kommunikation der Bäume, und wie sie sich unterhalten: Über Duftstoffe, die wir Menschen als den aromatischen Waldgeruch wahrnehmen. Beispielsweise wenn eine Invasion von Feinden, wie den Borkenkäfern, droht. Dann werden ureigene Abwehrstoffe aktiviert. Kaum zu glauben, aber das baumeigene Immunsystem funktioniert. „Früher wurde es als esoterisches Märchen abgetan, doch heute weiß man, dass Bäume ihre Artgenossen warnen können. Und es funktioniert", sagt die studierte Naturschützerin.
Am letzten Tag fahren wir mit dem „Rasenden Roland" von Baabe nach Putbus und zurück. „Rasend" ist dabei etwas übertrieben, denn die Höchstgeschwindigkeit beträgt gerade mal 30 Stundenkilometer. Diese historische Schmalspurbahn dampft seit dem Ende des vorletzten Jahrhunderts über den Südosten der Insel. Ursprünglich wurde der Zug für den Transport von landwirtschaftlichen Gütern errichtet. Heute ist er eine touristische Attraktion, in der auch Hunde willkommen sind.
Brad genießt den Blick auf die weite nördliche Landschaft von Herrchens Schoß aus. Das macht müde, zumindest für einen kleinen Hund wie ihn. Am Abend darf er noch mal an der Schleppleine am Hundestrand des „Cliff Hotels" rennen.
Es wird Abend auf Rügen. Eine blutrote Sonne versinkt in den Weiten der Ostsee. Kurz darauf schläft unser Hund und zuckt nur ab und an mit den Barthaaren. Genau dann, wenn er von den endlosen Spaziergängen am weißen Strand der Ostseeinsel träumt. Denn dann will er rennen, immer weiter, bis in die endlosen Weiten des Horizonts.